Soll Robert Habeck der erste grüne Kanzlerkandidat werden? Um diese Frage drückte sich seine Parteikollegin Katharina Schulze bei "Hart aber fair" erfolgreich. Schriftstellerin Juli Zeh befürchtet durch den Habeck-Hype derweil eine Stärkung der AfD.

Eine Kritik

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Schüler demonstrieren seit Monaten für mehr Klimaschutz, die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD werden bei den Europawahlen arg abgestraft, die Grünen liegen in Umfragen erstmals auf Platz eins.

Es läuft für die einstige Nischenpartei, die im Bund vor nicht allzu langer Zeit schon mit knapp zweistelligen Ergebnissen mehr als zufrieden gewesen wäre. Nun diskutiert die Republik aufgeregt darüber, ob Grünen-Chef Robert Habeck das Zeug zum nächsten Bundeskanzler hat.

Was ist das Thema bei "Hart aber fair"?

Der Habeck-Hype hat zugleich die Frage aufgeworfen, ob die Grünen überhaupt fit für die Führung einer Regierung wären. Was hat die Öko-Partei abseits der Umwelt-Themen auf Lager?

Und wie würden die Wähler auf Ideen wie eine Kerosin-Steuer, die das Fliegen deutlich verteuern würde, reagieren? Das Thema bei Frank Plasberg: "Beim Klima prima – aber was wollen die Grünen noch alles?"

Wer sind die Gäste?

Katharina Schulze: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag verweigerte sich der Personaldebatte um Robert Habeck vehement. Sie wollte lieber über "Lösungsvorschläge für die Zukunft" sprechen, wie eine Kerosinsteuer auf Inlandsflüge und attraktiveres Bahnfahren.

Auch den Vorwurf, die Grünen seien eine Verbotspartei, wies sie zurück. Was sei denn falsch "an autofreien Innenstädten und mehr Platz für Fahrräder"?, wollte die 34-Jährige wissen. Bei einem Einspieler, der Grünen-Wähler zeigte, die klimaschädlich in den Urlaub fliegen, gingen Schulze die Argumente kurzzeitig aus.

Tilman Kuban: Der Bundesvorsitzende der Jungen Union (JU) nannte Robert Habeck einen "Gute-Laune-Bär", der inhaltlich nicht viel zu bieten habe. Mit Schulze lieferte er sich einige harte inhaltliche Wortgefechte ("Verbotspartei!"), der Ton blieb dennoch stets freundlich.

Bei seinem Versuch, die CDU als "Partei der Nachhaltigkeit" zu verkaufen, die Ökonomie, Ökologie und Soziales gleichermaßen im Auge behalte, reagierte Plasberg irritiert. War da nicht was mit den verfehlten Klimaschutzzielen?

Juli Zeh: Die in Brandenburg lebende Schriftstellerin erklärte, im ländlichen Raum würden die hohen grünen Umfragewerte von manchen als Bedrohung wahrgenommen. Die Menschen sorgen sich laut Zeh nicht um ein Verbot von Coffee-to-Go-Bechern, sondern um die Müllabfuhr oder wie sie ihr Kind in die 30 Kilometer entfernte Schule bekommen.

Umweltschutz sei auf dem Land ein Luxusthema. SPD-Mitglied Zeh befürchtet durch den Habeck-Hype gar eine zunehmende Polarisierung. "Weil man Habeck verhindern muss, indem man das Gegenteil erst recht wählt." Nämlich die AfD.

Claudia Kade: In den Augen der Journalistin ("Welt" und "Welt am Sonntag") fallen die Grünen durch fehlende inhaltliche Klarheit auf. Für Kade ist klar, warum: Ein gut durchgerechnetes CO2-Steuerkonzept würde für die Mehrheit der Bürger den Griff in die Geldbörse bedeuten – und zu sinkenden Umfragewerten führen.

Schließlich warf die Journalistin Katharina Schulze ein "Rumgeeier ohne Ende" vor, weil sie sich nicht für Habeck oder seine Co-Parteichefin Annalena Baerbock als Kanzlerkandidat(in) entscheiden wollte.

Florian Schroeder: Der Kabarettist und Moderator kann sich dagegen vorstellen, dass Habeck "den Job machen könnte und dass er ihn auch gut machen würde". Zugleich spottete Schroeder, es würde ihn sehr wundern, wenn bei den Grünen einfach so ein Mann Kanzler werden kann.

Dafür müsste doch das Grundgesetz geändert werden – "für eine Doppelspitze". Dann wurde der Kabarettist ernster: "Es gibt keine Partei, die so attraktiv ist für Doppelmoral wie die Grünen." Seine Erklärung? Ihre Anhänger würden durch die Wahl etwas Gutes fürs Gewissen tun.

Und dies mache es ihnen dann leichter, die negativen Klimaeffekte von eigenen Flugreisen zu verdrängen. Fast wie beim Griff zur Schokolade nach der großen Jogging-Runde.

Was war das Rededuell des Abends?

Als JU-Chef Kuban die Grünen mit der AfD verglich, nahm sich Katharina Schulze ihren Nebenmann zur Brust. Der hatte erklärt, die Rechtspopulisten und die Grünen würden beide mit den Ängsten der Bürger spielen. Die einen beim Klima, die anderen bei der Migration.

Schulze: "Wenn sie das auf eine Ebene stellen, dann ist das schon ein starkes Stück." Doch Kuban blieb bei seinem Argument, das dann auch Kabarettist Schroeder auseinander nahm. Das Klimathema sei ein reales Problem und habe "nichts damit zu tun, dass die Grünen mit Ängsten spielen".

Was war der Moment des Abends bei "Hart aber fair"?

Eine Umfragegrafik, die die Krise der Volksparteien, den aktuellen Erfolg der Grünen und die Politikverdrossenheit von Millionen Bürgern in wenigen Sekunden auf den Punkt brachte. 27 Prozent der Befragten glauben, dass die Grünen die besten Antworten auf die Fragen der Zukunft haben.

Die Union kommt auf 12 Prozent – der zweitbeste Wert aller Parteien. Die SPD erreicht nur zwei Prozent. Die Hälfte der Befragten traut Zukunftslösungen übrigens keiner Partei zu.

Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?

Ist Plasberg ein heimlicher Grünen-Fan? Nachdem Kuban der Öko-Partei vorwarf, Angst vor einer "Klimaapokalypse" zu schüren, fragte der Gastgeber spitz: "Ist das auch eine Antwort auf die Flüchtlingsapokalypse, die die CSU lange in den Raum gestellt hat?"

Später nannte Plasberg die Kritik, die Grünen seien eine Verbotspartei, ein "Verbotsschreckgespenst". Und schließlich verteidigte er indirekt auch die traditionelle Geschlechter-Gerechtigkeit bei den Grünen. Plasberg bestand darauf, nicht nur Habeck, sondern auch "Frau Baerbock" als mögliche Anwärterin aufs Kanzleramt zu nennen.

Was ist das Ergebnis?

Während so mancher die Grünen schon auf dem Weg zur Volkspartei sieht, trat Juli Zeh gehörig auf die Bremse. Zum einen werde die Partei vor allem von einem eher großstädtischen und akademischen Milieu gestützt.

Zum anderen seien da abseits des Klimaschutzes noch viele inhaltliche Leerstellen. "Ihr müsst noch unheimlich viel leisten oder der Hype macht flupp", sagte sie zu Katharina Schulze.

Die Angesprochene wies zwar auf weitere programmatische Ziele wie die Gleichstellung von Mann und Frau hin. Sie machte aber auch darauf aufmerksam, dass die Grünen seit 2005 nicht mehr in der Bundesregierung sitzen – und einen dementsprechend geringen Gestaltungsspielraum besitzen.

Das könnte sich freilich bald ändern, sollte die SPD die GroKo zur Halbzeit der Legislaturperiode platzen lassen. Nimmt man nur die ausgesprochen freundliche Stimmung zwischen Schulze und Kuban als Maßstab, könnte Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz auch im Bund nur eine Frage der Zeit sein.

"Habt ihr Spaß!?", kommentierte Plasberg am Ende der Sendung die gute Chemie zwischen den Politikern. Eine Bemerkung, die ihm bei einem CDU-SPD-Duo aus der aktuellen Regierung wohl kaum in den Sinn gekommen wäre.

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