Hunderttausende Flüchtlinge drängen derzeit nach Europa, die Krise führt innerhalb der Europäischen Union zu großen Spannungen. Zerbricht daran sogar die EU? Im ARD-Talk "Menschen bei Maischberger" ist die Angst vor einer Spaltung groß, ein tieferes Verständnis des Problems verhindert jedoch die Auswahl der Gäste.
Die Flüchtlingskrise stellt die Europäische Union vor eine der größten Herausforderungen in ihrer Geschichte. Während Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien eine gerechte Verteilung der Asylbewerber fordern, sperren sich viele osteuropäische Staaten wie Ungarn oder Polen gegen ihre Aufnahme.
In der Sendung "Menschen bei Maischberger" am Dienstagabend zeigt sich
Deutschland soll sich nicht an der Euphorie "besaufen"
"In Brüssel gab es viel Staunen über uns", berichtet Rolf-Dieter Krause, EU-Korrespondent der ARD. Aber es herrsche auch Skepsis angesichts der noch zu bewältigenden Aufgaben wie der Integration der Asylbewerber. "Ich warne davor, dass wir Deutschen uns jetzt daran besaufen", bremst Krause die Euphorie.
Der ebenfalls geladene Roger Köppel ist Herausgeber der "Weltwoche" in der Schweiz und mittlerweile Politiker der nationalkonservativen SVP. Er ist als Provokateur am rechten Rand bekannt und wird für diese Rolle gern von deutschen Talkshows gebucht.
Friedman prangert Ungarns Behandlung der Flüchtlinge an
Als Fliesenleger für rechte Parolen taugt Köppel bei Maischberger aber nur bedingt. Vielleicht ist er als Schweizer auch einfach zu wenig geeignet für eine Sendung, die sich um die Zukunft der EU sorgt. Seine Rolle als Beschützer des kleinen Mannes, der sich vor Zuwanderern im Allgemeinen und dem Islam im Besonderen fürchtet, füllt er zwar auch an diesem Abend aus. Aber er verteidigt ihn ausgerechnet in der Person von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Wer Menschen wie ihn als Rassist bezeichne, mache es sich zu einfach, behauptet Köppel.
Orbán betreibe "eindeutig religiöse Selektion", da er sich ausdrücklich gegen muslimische Flüchtlinge wendet, widerspricht ihm TV-Moderator
Angela Merkel – die "Schlepperkönigin"
Köppel hatte
Der Vorwurf ist in Europa verbreitet. "Glaubt wirklich jemand, dass einer, der der Hölle von Aleppo entkommen ist, wegen eines Taschengeldes nach Deutschland will?", fragt Grünen-Politikerin Roth. "Wenn Deutschland menschenrechtliche Mindeststandards bei der Versorgung von Flüchtlingen einhält, ist das kein Anreiz, sondern eine Selbstverständlichkeit", meint auch CDU-Politiker
Osteuropäer sind "fremde Kulturen nicht gewöhnt"
In Osteuropa ist die Angst vor Masseneinwanderung und insbesondere dem Islam besonders groß und wird von der Politik instrumentalisiert. Der deutsch-tschechische Vermittler Peter Robejsek, der bei der Sendung zugeschaltet wird, begründet dies mit der Abschottung vieler tschechischer Wähler. "Sie machen keinen Urlaub in Hurghada oder Marokko, sie sind fremde Kulturen nicht gewöhnt", meint er.
Robejsek kritisiert aber auch die scharfe Reaktion aus dem Westen auf die osteuropäische Ablehnung. "Wir sollten uns nicht gegenseitig etwas an den Kopf werfen, sondern versuchen, die gefühlte Gefahr der Menschen hier zu verstehen", fordert er.
Scheitert Europa in der Flüchtlingsfrage?
Der Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen ist Ausdruck einer tiefen Krise in Europa, darin sind sich die Gäste bei Maischberger weitgehend einig. Doch der Runde fehlt die Sichtweise von Ländern wie Großbritannien oder anderen EU-Skeptikern, die der Debatte mehr Zündstoff und ein tieferes Verständnis für die Sorgen der Anderen liefern könnten.
Der Schweizer Journalist Köppel betont mehrmals, dass den Menschen in Syrien geholfen werden muss. Aber mit seinem platten Satz "Europa kann nicht ganz Syrien aufnehmen" kapituliert er ebenso vor der Lösung eines komplexen Problems.
Claudia Roth fordert mehr Solidarität in der Union "Wir erleben, dass am Egoismus von Nationalstaaten die europäische Idee zerbricht", warnt sie. CDU-Abgeordneter Bosbach weist darauf hin, dass 90 Prozent der Flüchtlinge nur auf sechs von 27 EU-Staaten entfallen. Eine Umverteilung sieht er jedoch problematisch: "Die Menschen werden dahin gehen, wo ihre Nachbarn, Freunde und Bekannten sind."
"Wenn das Asylrecht gilt, können wir es nicht durch Zahlen relativieren"
Das Aufkommen rechtspopulistischer Bewegungen gebe es schon seit zehn Jahren – auch ohne Flüchtlingskrise, bemerkt Friedman mit Blick auf Frankreich und Skandinavien. "Die Medizin kann nicht sein, dass demokratische Parteien dem hinterherlaufen."
Stattdessen solle man sich dem Asylproblem stellen. "All diese Länder sind auch mitverantwortlich dafür, warum diese Menschen fliehen", führt er an und hebt die europäischen Werte und das europäische Recht hervor: "Wenn das Asylrecht gilt, können wir es nicht durch Zahlen relativieren."
ARD-Journalist Krause beruft sich dagegen auf das Recht von Staaten, seine Grenzen zu schützen und beklagt die "Schwarz-Weiß-Sicht" bei diesem Thema: "Man ist so schnell in irgendwelchen Ecken." Vor allem müssten die Fluchtgründe stärker bekämpft werden. "Vom Irakkrieg führt ein direkter Weg zum Krieg in Syrien", meint er.
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