Die Regierungsbildung in Thüringen gestaltet sich äußerst schwierig. Bei "Markus Lanz" verkündete Mario Voigt, dass er Sahra Wagenknecht bereits um ein Treffen gebeten hat. Eine Aussage, die den Journalisten Daniel Gerlach stutzig machte. Seine Reaktion kam nicht bei allen gut an.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

In Thüringen steht eine mögliche Zusammenarbeit von CDU, SPD und BSW im Raum. Bei "Markus Lanz" musste sich CDU-Politiker Mario Voigt dafür mehrere kritische Fragen gefallen lassen. Dabei geriet er nicht nur mit dem ZDF-Moderator verbal aneinander.

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Nach der Landtagswahl in Thüringen ist die Regierungsbildung noch längst nicht abgeschlossen. Weil die AfD mit 32 Prozent als stärkste Kraft aus der Wahl hervorging, muss die CDU nun als zweitstärkste Kraft passende Koalitionspartner finden. Dafür wurden jüngst Sondierungsgespräche mit der SPD und auch dem BSW angekündigt, die frühestens am Freitag beginnen sollen. Ein Schritt, der für jede Menge Kritik - auch innerhalb der CDU - sorgte. Markus Lanz nahm die Debatte zum Anlass, auf die verzwickte politische Lage nach den Wahlen im Osten zu blicken.

Das waren die Gäste

  • Mario Voigt, CDU-Politiker: "Es hat in Brandenburg eine wahnsinnige Polarisierung gegeben."
  • Sabine Rennefanz, Journalistin: "Man kann schon sagen, dass die ostdeutschen Wähler dieses alte, etablierte Parteiensystem gerade so richtig crashen."
  • Daniel Gerlach, Nahost-Experte: "Keine Regierung im westlichen Lager, keine demokratische Regierung auf der Welt, darf so eine Aktion eigentlich genehmigen."
  • Christoph Ehrhardt, Journalist: "Die Angriffe hier und deren Effekt auf das Land sind dramatisch."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

ZDF-Moderator Markus Lanz sprach am Dienstag die "neue politische Realität in Ostdeutschland" an, nachdem in Thüringen die AfD als stärkste Kraft hervorgegangen ist. "Die Frage von Krieg und Frieden bewegt gerade wieder viele und ist auch ein Thema im thüringischen Wahlkampf gewesen", so Lanz. CDU-Politiker Mario Voigt, der der neue Ministerpräsident Thüringens werden will, stimmte zu: "Ja, die Menschen spüren, dass es um die existenziellen Fragen geht." Voigt weiter: "Viele Menschen sind in Sorge, wenn vor der Haustür Bomben fallen und Kriege passieren." Dennoch machte der CDU-Mann deutlich: "Weltpolitik wird nicht im Thüringer Landtag entschieden."

Mit Blick auf das katastrophale Abschneiden der Ampelparteien in Thüringen, Sachsen und Brandenburg wollte Markus Lanz dennoch wissen: "Wie ist denn Ihr Fazit nach der dritten Ostwahl jetzt?" Voigt antwortete klar: "Das Parteiensystem, das wir kannten, ist ziemlich durcheinander gebracht, wenn nicht sogar ..." Lanz unterbrach ihn: "Gecrasht?" Voigt nickte: "Gecrasht finde ich einen guten Begriff, muss ich sagen." Auch Journalistin Sabine Rennefanz warnte: "Dieses alte, bundesrepublikanische System (...) ist jetzt endgültig vorbei - 35 Jahre nach dem Mauerfall. Gerade im Osten formiert sich etwas neu. Und wir wissen ja: Was im Osten passiert, zieht danach meist auch im Westen hinterher."

CDU-Politiker Voigt ergänzte mit ernster Miene, dass die Ergebnisse in Thüringen und Sachsen "ein Seismograf" für das sind, "was für ganz Deutschland kommen kann". "Das muss eigentlich eine Bundesregierung wachrütteln. Ich habe momentan nicht den Eindruck, dass das der Fall ist", so Voigt. Markus Lanz erinnerte den Politiker daraufhin an die schlechten Ergebnisse der CDU bei der aktuellen Wahl in Brandenburg. Voigt räumte zwar ein, dass es "in Brandenburg eine wahnsinnige Polarisierung gegeben" hat, fügte aber hinzu: "Wir sind die einzige Partei in der politischen Mitte geblieben, die tatsächlich in Sachsen und Thüringen diese Stabilität herstellt."

Sabine Rennefanz kritisierte dennoch, dass die CDU genau wie die Ampel den Warnschuss der Wähler nicht gehört habe. Laut der Journalistin fokussiere sich die CDU auf die ältere Wählerschaft, während sie die Sorgen und Ängste junger Menschen übergehe. Dies sorge laut Rennefanz für ein "Repräsentationsproblem", das der AfD enorm helfe. Mario Voigt konnte dem nur bedingt zustimmen und machte auf die Volatilität junger Wähler aufmerksam: "Die haben jetzt keine Bindung über lange Jahre angehäuft, sondern die gehen halt jetzt von dem Impuls aus." Voigt ergänzte: "Diese Angststarre, die durchdringt viele Altersgruppen." Er forderte daher energisch: "Ich glaube, Politik muss mutiger sein, auch ein Zukunftsbild zu entwerfen. Wir sind momentan so ein Problemland, was immer nur beschreibt, was alles nicht geht - statt mal zu formulieren: 'Wo wollen wir eigentlich hin?' Das müssen etablierte Parteien ernst nehmen."

Das war das Rede-Duell des Abends

Hitziger wurde die Debatte, als Markus Lanz mehrfach nachhakte, wie eine Regierung in Thüringen überhaupt zustande kommen kann. Laut Lanz müsse Voigt mit der SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) reden. "Und dann reicht es immer noch nicht", so der ZDF-Moderator. "Wie soll das gehen?", fragte Lanz in Bezug auf Mario Voigts Plan, neuer Ministerpräsident in Thüringen zu werden. Der konterte: "Sie wissen ja, dass wir die letzten fünf Jahre eine Minderheitsregierung hatten." Laut Voigt sei vielen Bürgern in Thüringen vor allem "eine stabile Regierung" wichtig - ohne die AfD und Björn Höcke. "Meine Aussage war klipp und klar: keine Koalition und auch keine Zusammenarbeit mit der AfD." Dieses Versprechen müsse laut Voigt auch nach der Wahl gelten.

Lanz hakte nach, warum eine Zusammenarbeit mit dem BSW überhaupt denkbar ist, obwohl es einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken gibt. Voigt reagierte genervt und wies darauf hin, dass das BSW auch aus ehemaligen Mitgliedern der CDU, SPD und Grünen besteht und nicht nur aus Sahra Wagenknecht. Gleichzeitig gab er jedoch zu, Wagenknecht in Berlin "um einen Termin gebeten" zu haben. "Warum?", hakte Lanz nach. Voigt antwortete: "Weil ich meine Gesprächspartner ernst nehme." Lanz ließ daraufhin nicht locker und fragte erneut: "Was hat Sahra Wagenknecht mit Thüringen zu tun?" Voigt reagierte schwammig, dass sie sich "sehr sachkundig" gezeigt hat, was die Belange in Thüringen angeht. "Ich fand das ein sehr aufgeräumtes Gespräch", so der CDU-Mann.

Eine Aussage, die Journalist Daniel Gerlach schmunzeln ließ: "Ich habe manchmal das Gefühl, das sind schon nahöstliche Politverhältnisse, mit denen wir es hier zu tun haben!" Gerlach verglich Sahra Wagenknecht mit spirituellen Parteiführern, die mit ihrem Gesicht und Namen für eine Partei stünden und "da drunter haben sich dann irgendwie andere entlang von Clanstrukturen (...) organisiert". Lanz reagierte überrascht: "Haben Sie gerade Clanstrukturen gesagt?!" Mario Voigt wies den Vorwurf zurück und machte deutlich, dass es eine Erwartung an die Politik gibt, "dass sie etwas auf die Reihe kriegt". Man könne "jetzt nicht eine Teestunde in Beirut vergleichen" mit Gesprächen unter Politikern, "die da jetzt ins Parlament gewählt worden sind und die ich in den Gesprächen tatsächlich auch schätzen gelernt habe".

Der CDU-Politiker wetterte weiter: "Mir geht's nicht um die Stilnote, die mir danach erteilt wird. Mir geht's darum, dass ich danach ein funktionsfähiges Parlament und vor allen Dingen auch eine stabile Regierung hinkriege. Und das muss der Maßstab sein!" Auch Sabine Rennefanz reagierte fassungslos auf den Nahost-Vergleich von Daniel Gerlach: "Ich finde wirklich, wir müssen ein bisschen aufpassen hier mit der Exotisierung. Das mag ja alles witzig sein, so ein ostdeutsches Bundesland mit einer Diktatur in einem Kriegsland zu vergleichen, aber das ist eben irgendwie irritierend und wirklich nicht hilfreich!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz fühlte dem CDU-Politiker Mario Voigt mehrmals auf den Zahn und stellte teils berechtigt kritische Fragen. In Bezug auf die kommenden Sondierungsgespräche sagte er: "Wir werden das beobachten. Da brauchen Sie starke Nerven, definitiv." Darauf konterte Voigt humorvoll: "Die trainiere ich mir bei Ihnen an!"

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Mario Voigt versuchte mehrmals zu erklären, warum er eine Zusammenarbeit mit dem BSW nicht ausschließen würde. Er stellte klar, dass man sich auf "die inhaltlich möglichen Schnittmengen" fokussieren muss, denn: "Politik muss wieder ein Stück unaufgeregter werden." Einig war sich die Runde jedoch darin, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage kommt - trotz der erreichten 32 Prozent in Thüringen. "Kann man das wirklich machen, die größte Fraktion so rauszuhalten?", fragte Sabine Rennefanz dennoch nachdenklich. Mario Voigt konterte darauf ernst, dass man die AfD zwar "nicht an die Schalthebel der Macht lassen" darf, aber dennoch am Ende "eine Form der Verständigung finden" muss. Sein Vorschlag: ein AfD-Politiker könnte in Thüringen Vizepräsident werden.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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Teaserbild: © ZDF / Cornelia Lehmann