- Nach ihrem Spiegel-Interview prasselt auf Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) auch bei Maischberger Kritik ein.
- Schlecht kommt ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) weg, dem ein Journalist vorwirft, im Ukraine-Krieg nur zu reagieren.
- Virologe Hendrick Streeck teilte derweil gegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aus.
Das ist das Thema
Altkanzlerin
Über Merkels Sicht auf ihre Russland-Politik und wie ihr Nachfolger
Das sind die Gäste
Hendrik Streeck : Für den Virologen ist es "schwer zu sagen", ob wir uns schon in einer Sommerwelle befinden, da die wirkliche Höhe der Inzidenzen aufgrund der geringen durchgeführten Tests unklar sei. Unabhängig von der Entwicklung der Fallzahlen sagte Streeck: "Ich würde keinen Lockdown empfehlen." Der Grund: Die Schäden durch den Lockdown sind in seinen Augen größer als die durch die Pandemie. Außerdem gebe es in Deutschland nun "weit über 95 Prozent Immunität", so Streeck, der vorsichtig Kritik an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach übte. "Vielleicht verstehe ich als Virologe unter Killer-Variante was anderes", sagte er über Warnungen Lauterbachs vor gefährlichen Mutationen des Virus.- Anita Schedel: Die Corona-Hinterbliebene erzählte vom Tod ihres Mannes im Jahr 2020 und ihrer eigenen Long-COVID-Erkrankung. "Mir hat es den Boden unter den Füßen weggezogen", sagte Schedel, die beim Tod ihres Mannes im Krankenhaus nicht dabei sein durfte. Sie selbst konnte nach überstandener Infektion "keine 15 Stufen mehr steigen" und ist heute immer noch weit weg von ihrer alten Kondition. Schedel leidet am Fatigue Syndrom, wird schnell müde, kann sich nicht mehr konzentrieren, manchmal von jetzt auf gleich. Es gebe gute und weniger gute Tage. "Der Virus hat schon seine Spuren hinterlassen."
- Udo Lielischkies: Der ehemalige ARD-Korrespondent in Moskau erzählte von seinen Erfahrungen mit Wladimir Putin. Ihm sei sofort klar gewesen, dass Putin kein lupenreiner Demokrat sei. "Natürlich nicht. Das war ein KGB-Mann". Kritik übte der Journalist an der Russland-Politik Angela Merkels. Für ihn war die Reaktion Deutschlands auf die Besetzung der Krim und den Krieg im Donbass seit 2014 unverständlich. "Der kriegt ne Belohnung für das, was er kurz vorher gemacht hat." Damit meinte er die inzwischen gestoppte Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Putin mache zudem "Politik mit Angst", die auch noch funktioniert. "Der Westen ist ja ängstlich." Die angebliche Bedrohung Russlands durch die Nato ist für Lielischkies ein aufgebauschtes Bedrohungsszenario, um Putins Macht im Inneren zu sichern.
- Urban Priol: Bei dem Kabarettisten hält sich der Phantomschmerz über das Ausscheiden Merkels aus dem Amt "doch sehr in Grenzen". Das frühere Mitglied der Friedensbewegung wehrte sich dagegen, dass man als Befürworter des Friedens gleich als Putin-Versteher oder 5. Kolonne Moskaus gelte. Priol sieht sich in einer Zwickmühle. Einerseits ist er für die Lieferung defensiver Waffen an die Ukraine, andererseits will er weiter "so friedensbewegt wie möglich sein". Ihm ist in der aktuellen Krise das Zaudern bzw. Abwägen von Kanzler Olaf Scholz lieber als ein "Haudrauf"-Politiker wie Roderich Kiesewetter von der CDU.
- Julie Kurz: Die ARD-Journalistin kritisierte Merkels Sicht auf ihre eigene Russland-Politik. Als es darum ging, was sie falsch gemacht hat, "da hat sie sich durchgemerkelt", sagte Kurz über das Spiegel-Interview. Sie fragt sich unter anderem, warum Merkel Deutschland in diese Energieabhängigkeit von Russland geführt hat, obwohl gewusst haben will, dass Putin die EU zerstören wolle. Ihr Fazit: "Es sind Fehler gemacht worden" und Merkel habe sich damit keinen Gefallen getan, gar nichts zuzugeben. Bei Merkel-Nachfolger Olaf Scholz beschleicht Kurz das "dumpfe Gefühl: Der will gar nicht führen in dieser Krise."
- Gregor Peter Schmitz: Der "Stern"-Chefredakteur ging ein wenig gnädiger mit Merkels Russland-Vermächtnis um. Viele hätten sich bei Putin vertan, von daher sei der Vorwurf an sie nicht berechtigt. Auch Schmitz bemängelte jedoch das lange Festhalten an Nord Stream 2 – trotz Putins Wandel in den Jahren 2014 und 2015. "Gefährlich" nannte Schmitz die Debatte, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen solle und Russland gedemütigt werden müsse. Deutschland solle die Ukraine befähigen, dass es zu "Verhandlungen aus Stärke" kommen kann. Nicht mehr, nicht weniger. Über den aktuellen Kanzler sagte der Stern-Journalist den wenig schmeichelhaften Satz: "Olaf Scholz ist kein Akteur in dieser Krise, er reagiert."
Das war der Moment des Abends
Udo Lielischkies fand den Fakt, dass Olaf Scholz in der derzeit heißen militärischen Phase immer noch keine schweren Waffen an die Ukraine geliefert hat, "unfassbar dramatisch, falsch und schlecht". Denn das sei der einzige Weg. "Nur dann wird Putin irgendwann verhandeln." Der russische Präsident werde das Gespräch nicht suchen, "wenn er nicht militärisch gedemütigt wird", sagte er voraus.
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
Maischberger bewies an diesem Abend viel Empathie. Als sie sich nach dem Schicksal von Corona-Opfer Anita Schedel erkundigte und als sie nach der russischen Familie des Ex-Korrespondenten Lielischkies fragte. "Reden Sie mit denen über Putin?", wollte die Gastgeberin wissen.
"Nein. Das wollen die nicht mehr, und ich kann das gut verstehen. Das Thema ist so aufgeheizt, dass die Menschen einfach gnadenlose Angst haben."
Das ist das Fazit
Beim Ukraine-Krieg schieden sich mal wieder die Geister. Die Kernfrage: Wird der Krieg durch schwere Waffen aus dem Westen nur unnötig verlängert, wie es auch Putin kürzlich kritisierte, oder ist die Lieferung schwerer Waffen der einzige Weg, um Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen? Während Schmitz vor der Demütigung Russlands warnte und Priol nur Defensivwaffen geliefert sehen möchte, sprach sich Lielischkies eindringlich für mehr Waffenlieferungen aus Deutschland und dem Westen aus. Ob die dann tatsächlich den Weg zum Frieden verkürzen?
Auch in Sachen Corona gibt es derzeit noch viele Unwägbarkeiten. Streeck forderte mehr Forschung über Long COVID. Priol machte sich über die mangelnde Vorbereitung Deutschlands auf die kommende Corona-Welle lustig. Er befürchtet, dass es den schon besonders hart getroffenen Branchen Einzelhandel, Gastronomie und Kultur wieder schlecht gehen könnte, weil zu wenig getan wurde, um die nächste Welle zu verhindern.
Stern-Chef Schmitz erwartet einen Showdown zwischen Gesundheitsminister
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