Bei der SPD dauert die Suche nach einer neuen Spitze quälend lange, die CDU-Chefin und neue Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer verstolpert am Wochenende fast ein weiteres Thema. Bei den Landtagswahlen im Osten drohen Tiefschläge.

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Es steht mal wieder ein Herbst der Entscheidung an für die notorisch zerstrittene schwarz-rote Koalition. In zwei Wochen wählen die Menschen in Sachsen und Brandenburg neue Landtage. CDU und SPD drohen empfindliche Klatschen - die Rechtspopulisten stehen vor historischen Erfolgen. Unklar ist es, welche Auswirkungen das auf die Statik der im Wackelmodus regierenden Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben wird. Und auf die Stimmung an der Parteibasis. Zumal die SPD bis Dezember entscheiden will, ob sie überhaupt an der Regierung bleibt - oder die Koalition doch vorzeitig verlässt.

Politische Erfolge sind in einer solchen Lage dringend nötig. Wohl auch aus diesem Kalkül heraus präsentiert die Koalitionsrunde am Sonntagabend nach noch nicht mal einer Stunde die Einigung auf ein Wohn- und Mietenpaket. Damit sollen Mieter und Wohnungskäufer entlastet und der Bau von mehr Wohnraum angekurbelt werden. Das Signal soll wohl sein: Die oft zerstrittene GroKo ist nicht so schlecht wie ihr Ruf, sondern sie tut etwas für die Menschen.

GroKo fragiler denn je

Doch auch solche Kompromisse zwischen Union und SPD bei ersten Spitzentreffen nach der Sommerpause dürften nicht über die fragile Lage der Koalition hinwegtäuschen: Die Spitzen von CDU und SPD wirken derzeit teils wie durch den Wind, nervös und flatterig.

Beispiel CDU: Zu Beginn der Sommerpause hatte die neue Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach einbrechenden Beliebtheitswerten und anschwellender interner Kritik einen Befreiungsschlag versucht. Entgegen früherer Beteuerungen, sie werde sich auf die CDU-Führung konzentrieren, rückte sie auf den Schleudersitz an der Spitze des Verteidigungsministeriums.

AKK mit Kommunikationsproblem

Unmittelbar vor dem Koalitionsausschuss, mit dem Schwarz-Rot Aufbruchstimmung vermitteln will, muss AKK ein neuerliches Kommunikationsdesaster verkraften. Den ganzen Samstag sind sie und ihre Mitarbeiter damit beschäftigt, das Echo eines Interviews mit der Funke-Mediengruppe einzufangen.

Die Journalisten hatten die CDU-Vorsitzende angesichts des mit Querschüssen nervenden Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen gefragt, ob sie über ein Ausschlussverfahren nachdenke. Als die Meldungen zu ihrer Antwort mit dem Tenor "Kramp-Karrenbauer bringt Ausschluss von Maaßen ins Spiel" in den Nachrichten laufen, sind Aufregung und Empörung vor allem unter den Unionswahlkämpfern in den Ostländern Sachsen, Brandenburg und Thüringen groß.

Auch CDU-Vorstandsmitglieder aus dem Westen reagieren fassungslos. Ein solches Interview helfe gerade im Osten der CDU überhaupt nicht, heißt es. Zumal Maaßen in Sachsen CDU-Wahlkampf macht - und dort mit seinen migrationskritischen Thesen teils prima ankomme. Man könne sich zudem nicht an Maaßen-Sätze erinnern, die ein Ausschlussverfahren rechtfertigen würden, sagen Vorstandsmitglieder.

Die Empörungswellen schlagen hoch

Tatsächlich hatte AKK in dem Interview kein Ausschlussverfahren verlangt oder gar angekündigt. Doch in diesen Zeiten mit aufgeregten Reaktionen in den sozialen Medien reicht oft schon ein missverständliches Wort oder eine nicht ganz klare Äußerung, um Empörungswellen auszulösen. Wie in den ersten Monaten als Parteichefin, als sie mit ungeschickten Reaktionen auf die CDU-Kritik des Youtubers Rezo oder Äußerungen zur Meinungsfreiheit für Entrüstung gesorgt hatte, ist Kramp-Karrenbauer in der Defensive.

Und die SPD? Nach Wochen gefühlter Lethargie ist das Bewerberkarussell für eine künftige SPD-Doppelspitze in Schwung gekommen. Doch auch hier gilt: Bis zum Parteitag im Dezember, der die Entscheidung über die neue SPD-Führung und wohl auch den Verbleib in der Koalition bringen soll, stehen noch Wochen der Unsicherheit und des internen Wahlkampfes an. Für die Lösung von Sachproblemen und eine stabile Regierung dürfte ein solcher Zustand Gift sein.

Was Scholz in seinem Magen spürt

Immerhin gibt sich Finanzminister und SPD-Vize Olaf Scholz beim Tag der offenen Tür der Bundespressekonferenz am Sonntag gewohnt gelassen. Ungewöhnlich gefühlig wird der als eher nüchtern bekannte Norddeutsche, als er seine überraschende Kandidatur für den SPD-Vorsitz begründet. Er sei seit seinem 17. Lebensjahr Sozialdemokrat. "Ich spür' das tief in meinem Magen, was da gegenwärtig an Umfragewerten zu verzeichnen ist und möchte alles dazu beitragen, dass sich das ändert", sagt er.

Auch für den Fortbestand der großen Koalition dürfte die Kandidatur von Scholz von besonderer Bedeutung sein: Bei nahezu allen anderen Bewerber-Duos ist eher davon auszugehen, dass mit ihnen der Ausstieg näherrücken würde. Scholz dagegen will weiterregieren. Auf den Finanzminister dürfte es auch wesentlich ankommen, ob die Regierung bei zentralen Streitthemen wie der Grundrente oder dem Abbau des Solidaritätszuschlags noch weitreichende Kompromisse hinbekommt.

Die Angst vor einer Neuwahl

Auch für CSU-Chef Markus Söder hängt viel am Erfolg der GroKo, auch seine Partei sieht den Wahlen im Osten bang entgegen. Nur in Regierungsverantwortung im Bund kann die CSU ihren Sonderstatus in Bayern aufrecht erhalten. Dabei baut Söder vor, damit seine CSU nicht unvorbereitet in eine mögliche Neuwahl schlittert.

Seit Wochen biegt der CSU-Chef seine konservative Partei auf den grünen Pfad, gibt sich als Retter von Tierarten und Weltklima. So werde es für die CSU leichter, sich im Fall der Fälle einem Bündnis mit den seit Monaten starken Grünen zu öffnen - zumindest durch thematische Überschneidungen. Aus diesem Grund ist auch das sonntägliche Treffen der Parteichefs für Söder wichtig - es sollte ein Fahrplan für eine neue Klimaschutzgesetzgebung erstellt werden. Diese könnte auch für die große Koalition überlebenswichtig werden.

"Ungeduld riecht man"

Merkel präsentiert sich beim Tag der offenen Tür im Kanzleramt betont gelassen. Sie preist die Kunst der Geduld, die man immer wieder neu erlernen müsse, und gibt Einblicke in Verhandlungstaktik. Eine Regel kennen auch Familien im Umgang mit Kindern, wie Merkel sagt. "Wenn Eltern abends ausgehen wollen und wollen, dass die Kinder schnell ins Bett gehen, dann geht das meistens schief, weil die Kinder riechen das und brauchen besonders lange." Genauso sei es in der Politik. "Wenn derjenige, mit dem man verhandelt, spürt, dass ich ungeduldig bin, dann wird's garnüscht", sagt Merkel. "Ungeduld riecht man." (best/dpa)

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