Doppelspitze, Abkehr von Hartz IV - die SPD hat auf ihrem Parteitag einschneidende Änderungen beschlossen. Nun will sie Gespräche mit der Union über Verbesserungen am bisherigen Koalitionskurs führen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hätte sich vom Parteitag etwas anderes gewünscht.
Nach der Wahl der SPD-Spitze und dem Beschluss zur Abkehr von Hartz IV wollen die Sozialdemokraten zum Abschluss ihres Parteitags am Sonntag über Bildungs- und Friedenspolitik debattieren. Der Vorstand schlägt unter anderem vor, dass alle mit hohen Einkommen, Erbschaften oder Vermögen zusätzlich für die Modernisierung von Schulen und Kitas zahlen.
In der Außen- und Friedenspolitik geht es unter anderem darum, ob sich Deutschland sicherheitspolitisch stärker engagieren muss als bisher, "um sich nicht zunehmend dem wechselnden Verhältnis der Großmächte auszuliefern". Begleitet werden dürfte das Ende des dreitägigen Treffens aber auch von der Debatte um die von der SPD anvisierten Nachbesserungen am Kurs der großen Koalition.
AKK-Kritik an SPD-Wünschen zum Klimapaket - Laschet gesprächsbereit
CDU-Chefin
In dem auf ihrem Parteitag beschlossenen Leitantrag fordert die SPD einen höheren Preis für den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) und einen besseren sozialen Ausgleich im Klimapaket. Sie dringt auch auf Verbesserungen in der Sozialpolitik.
Der CDU-Vizevorsitzende
Esken rechnet mit raschen Gesprächen mit der Union
Esken rechnet mit raschen Gesprächen mit der Union. "Wir haben Gesprächsbereitschaft signalisiert bekommen", sagte sie am Rande des Konvents. Ganz sicher werde dies vor Weihnachten geschehen. Aus Sicht des neuen SPD-Vizes und Juso-Bundeschefs Kevin Kühnert müssen die Gespräche "in einem kompakten Zeitraum stattfinden". Es sei "nicht vermittelbar, wenn die Nachverhandlungen zur Halbzeit länger sind als die Koalitionsverhandlungen", sagte er RTL/n-tv. Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD Anfang 2018 hatten nicht einmal zwei Wochen gedauert.
Esken erklärte, die SPD sage klar, was ihre Bedingungen für eine Koalition seien und wie sie in der Koalition agieren wolle. Dabei machte sie deutlich, dass es auch darum geht, ob die Partei in der Wahrnehmung der Wähler "weiterhin Juniorpartner der Union" sei. "Oder machen wir wieder wesentlich deutlicher klar, was würde Sozialdemokratie, wenn sie stärker wäre, für die Menschen bedeuten", sagte Esken. Die Sozialdemokraten wollen Nachbesserungen am bisherigen Koalitionskurs zur Voraussetzung für einen Verbleib in der Koalition machen - so ihr Beschluss vom Freitag.
Überschreiten die Sozialdemokraten rote Linien?
Kramp-Karrenbauer sagte auf die "BamS"-Frage nach "roten Linien" der Union in den Beratungen, davon halte sie nichts. "Aber Bedingungen nach dem Motto 'Wenn das nicht kommt, dann gehen wir' akzeptiere ich nicht." Sie fügte an: "Während dieser Regierung hat die CDU ihre Vorsitzende gewechselt, die CSU hat ihren Vorsitzenden gewechselt, und kein einziges Mal haben wir gesagt: Wir müssen jetzt den Koalitionsvertrag neu verhandeln."
Die CDU-Chefin unterstrich: "Ich hätte mir ein wirklich klares Signal des SPD-Parteitags zur Fortsetzung der großen Koalition gewünscht. Wir sind bereit zu regieren – und zwar auf der Grundlage des Koalitionsvertrags. Die CDU ist vertragstreu, und das erwarte ich von der neuen SPD-Führung auch." Es sei schlecht für Deutschland, wenn jede wichtige Entscheidung davon abhänge, wie sich die SPD gerade fühle. "Diese Koalition ist eine für das Land, nicht für die Traumatherapie von Regierungsparteien."
Die Junge Union warnte vor Zugeständnissen an die SPD über den Koalitionsvertrag hinaus. Diese "kämen einer Verfälschung des Wählerwillens gleich", erklärte sie nach einem Treffen in Landshut.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte vor "Linksträumereien" und sagte der "Bild am Sonntag": "Ich rate der SPD, daraus keine gewollten Belastungen für die Koalition zu stricken."
Die Chancen für einen Fortbestand der Koalition sieht Laschet gleichwohl gestiegen: "Nach dem Parteitag der SPD bin ich zuversichtlicher als zuvor, dass die Koalition hält", sagte er.
Das hatte die SPD beschlossen
Die SPD hatte am Samstag auf ihrem Parteitag beschlossen, mit einer Abkehr von Hartz IV die Agenda 2010 ihres früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder in zentralen Punkten zu überwinden. Hartz IV soll es nicht mehr geben - sondern ein Bürgergeld mit weniger Sanktionsmöglichkeiten. Die SPD fordert zudem eine Kindergrundsicherung von mindestens 250 Euro für jedes Kind pro Monat und eine Bürgerversicherung in der Pflege.
Kramp-Karrenbauer sagte zur Kindergrundsicherung: "Der Vorschlag der SPD birgt die Gefahr, dass Eltern aus der Mittelschicht doppelt bestraft werden: Einerseits müssen sie die Grundsicherung mit ihren Steuergeldern finanzieren, andererseits profitieren ihre Kinder kaum davon." (mgb/dpa)
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