Donald Trump hat der Ukraine einen schnellen Frieden versprochen. Aber zu welchem Preis? Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagt im Interview mit unserer Redaktion: Verhandlungen dürften nicht über die Köpfe der Europäer hinweg geführt werden.

Ein Interview

Am Freitag beginnt die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz. Die Spannung vor dem alljährlichen Spitzentreffen der internationalen Politik ist groß. Nicht nur, weil sich Vertreter der neuen US-Regierung angekündigt haben. Es wird geraunt, diese könnten in München auch erstmals konkret erklären, wie sich Präsident Donald Trump und sein Team einen Weg zum Frieden für die Ukraine vorstellen.

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Der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat am Mittwoch bereits erste Hinweise gegeben: Einen Nato-Beitritt der Ukraine und eine Wiederherstellung der früheren ukrainischen Grenzen hält er für unrealistisch. Und die Sicherung eines möglichen Friedens mit Russland sei in erster Linie Aufgabe der Europäer. Kurz danach kündigte Trump "sofortige Friedensgespräche" mit Russland an.

Was bedeutet das für Deutschland und Europa? Fragen an Nils Schmid, den außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Herr Schmid, kann die Münchner Sicherheitskonferenz eine Wende für den Ukraine-Krieg bringen?

Nils Schmid: Ich warne da vor überzogenen Erwartungen. Die Münchner Sicherheitskonferenz ist ein Ort des Austausches. Sie ist aber nicht geeignet, eine Wende in einem Konflikt oder einen konkreten Plan hervorzubringen. Auch die neue US-Regierung wird in München kein Maßnahmenpaket für die Ukraine vorlegen, sondern zunächst den Austausch suchen.

US-Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio kommen nach München. Was erwarten Sie von ihren Auftritten?

Wir hoffen auf konkrete Aussagen, auf eine Außenpolitik aus einem Guss. Die ersten Wochen der Trump-Regierung waren irritierend. Es ist zu hoffen, dass sie Europa nicht nur Strafzölle androht, sondern sich auch zur transatlantischen Partnerschaft bekennt.

Haben die republikanischen Abgeordneten in den USA nach Ihrer Erfahrung überhaupt Interesse an einem Austausch mit Europa?

Auf alle Fälle. Zum Umgang mit China besteht ein überparteilicher Konsens im US-Kongress. China wird als wichtigste außenpolitische Herausforderung gesehen. Das erklärt auch Trumps umstrittene Vorstöße zu Grönland und Panama, wo die USA einen größeren chinesischen Einfluss fürchten. Wir müssen uns mit China technologisch, wirtschaftlich und politisch auseinandersetzen. Das gilt für Europa wie für die USA und übrigens auch für Japan und Südkorea. Das sollte uns auch unter Trump verbinden. Es ist besser, diese Herausforderung zusammen zu meistern.

"Putin wird den Krieg fortsetzen, solange Russland eine Chance hat, die Ukraine militärisch zu unterwerfen."

Nils Schmid

Gilt das nicht auch für die Ukraine? Zumindest hat Trump Bewegung in das Thema gebracht.

Trump sieht sich selbst als größter Verhandler aller Zeiten. Aber auch er hat es nicht geschafft, im Handumdrehen Frieden zu stiften. Jede Verhandlung braucht eine intensive Vorbereitung. Es geht nicht nur darum, einen Waffenstillstand zu organisieren. Verhandlungen müssen auch die Sicherheit einer freien und unabhängigen Ukraine gewährleisten. Da sind die Vorstellungen in Washington nach wie vor sehr unklar. Auch Trump kann das brutale machtpolitische Kalkül von Wladimir Putin nicht aus der Welt schaffen: Putin wird den Krieg fortsetzen, solange Russland eine Chance hat, die Ukraine militärisch zu unterwerfen.

Seit bald drei Jahren hat man es nicht geschafft, Putin an den Verhandlungstisch zu bekommen. Ist die bisherige Strategie des Westens gescheitert?

Europäer und Amerikaner haben in den vergangenen drei Jahren eine Doppelstrategie verfolgt: Waffenlieferungen an die Ukraine sollen den militärischen Gegendruck auf Russland erhöhen, bis Putin mit seinem rein militärischen Kalkül nicht mehr durchkommt und zu Verhandlungen gezwungen ist. Diese Strategie bleibt richtig. Die Frage ist nur: Gibt es neue Ideen, um Verhandlungen vorzubereiten?

Kann Trump diese Ideen liefern?

Bis jetzt sehe ich eher die Gefahr, dass er Optionen vom Tisch nimmt. In Washington gibt es jetzt Stimmen, die vom Ziel einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine abrücken wollen. Damit würde sich der Westen aber eigene Handlungsoptionen nehmen und eine Unterstützung der Ukraine einschränken.

Falls es wirklich zu Verhandlungen kommt: Was wäre aus europäischer Sicht wichtig?

Es darf keine Entscheidung über die Köpfe der Ukrainer und der anderen Europäer hinweg geben. Es darf auch nicht zu einer Entkopplung der europäischen Sicherheit von den USA kommen. Wenn die Nato geschwächt wird oder die Amerikaner ihr Engagement zurückfahren, schadet das unserer Freiheit und Sicherheit. Es geht nicht nur darum, die Waffen zum Schweigen zu bringen. Entscheidend ist, wie die Ukraine und Europa Russland von einem erneuten Angriff abschrecken können.

In der neuen US-Regierung gibt es offenbar Überlegungen, dass nach einem Waffenstillstand vor allem die Europäer für den Schutz der Ukraine sorgen sollen – in Form von Sicherheitsgarantien. Kann Europa das leisten?

Die stärkste Sicherheitsgarantie für die Ukraine ist eine Nato-Mitgliedschaft. Auf jeden Fall braucht die Ukraine eine äußerst schlagkräftige Armee und Rüstungsindustrie, gestärkt durch westliche Waffenexporte. Eine Sicherheitsgarantie ohne Beteiligung der USA wäre schwer vorstellbar, zumal die USA unter Joe Biden genau wie viele europäische Staaten schon erste Vereinbarungen geschlossen haben.

In Europa bekräftigen Politiker immer wieder: Wir müssen mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen. Das bleiben doch Lippenbekenntnisse, wenn Europa sich immer noch an die USA klammert.

Wir müssen den europäischen Pfeiler der Nato stärken – und da gab es in den letzten Jahren durchaus Fortschritte. Immer mehr europäische Länder erreichen das Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Auch Deutschland. Beim Schutz der Nato-Ostflanke engagieren sich in erster Linie die europäischen Staaten.

Glauben Sie, dass Trump das wahrnimmt?

Wir sollten gerade der Trump-Regierung deutlich machen, dass Deutschland und die anderen europäischen Partner das Zwei-Prozent-Ziel dauerhaft erfüllen und wenn nötig auch noch mehr in die Verteidigung investieren. Wir müssen damit rechnen, dass die neoimperialistische, aggressive Außenpolitik Russlands auch nach einem möglichen Kriegsende in der Ukraine Bestand hat. Wir sind in unserer Sicherheit auf Jahre hinweg bedroht.

Über den Gesprächspartner

  • Der SPD-Politiker Nils Schmid wurde 1973 geboren und ist in Filderstadt und Nürtingen aufgewachsen. Der Rechtsanwalt machte zunächst Karriere in der Landespolitik und war von 2011 bis 2016 stellvertretender Ministerpräsident in Baden-Württemberg. 2017 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt, seit 2018 ist er außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.