Die Berliner Runde nach der Bundestagswahl dreht sich vor allem um zwei Themen: den Einzug der rechtspopulistischen AfD ins Parlament und die möglichen Regierungskoalitionen. Doch welche Politiker können dabei am meisten überzeugen? Körpersprache-Experte Stefan Verra verrät, wen er für die Gewinner der Runde hält und was die Politik dringend lernen muss.
Nach den ersten Hochrechnungen am Wahlabend tagt in der ARD und im ZDF traditionell die Berliner Runde. Sie bringt Vertreter der künftigen im Parlament vertretenen Parteien an einen Tisch.
Aufgrund der dort zusammenkommenden politischen "Schwergewichte" wird sie auch Elefantenrunde genannt. Die Berliner Runde setzt sich mit dem Wahlergebnis auseinander und gibt einen Vorgeschmack auf die kommende Legislaturperiode.
Wer am Sonntagabend überzeugend und wer leblos wirkte, hat Körpersprache-Experte Stefan Verra für dieses Portal analysiert.
Ist Angela Merkel zu abgeklärt?
Trotz des schlechtesten Wahlergebnisses für die Union seit 1949 präsentiert sich
Ein weiteres typisches Merkmal bei der Kanzlerin: "Sie nickt immer bestätigend, wenn sie spricht. Der Inhalt wirkt dadurch stärker."
Aber, fragt sich Verra: "Wie wirkt sie auf die, die geschrien haben: ‚Merkel muss weg!‘?" Auf diese könne Merkels ruhige Haltung als Ignoranz ankommen, das Lächeln bei
Anders als Merkel zeigte sich Martin Schulz (SPD) von seinem Wahldebakel deutlich angefressen. Von einer weiteren Großen Koalition wolle er nichts wissen. "Diese Regierung ist abgewählt!"
Er kündigte eine "scharfe Opposition" an. Für den Einzug der AfD in den Bundestag gab er Merkel die Schuld.
Schulz teilte recht heftig aus. Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sah sich deshalb veranlasst, nachzufragen, warum er im Wahlkampf nicht auch so auftrat.
Verra stimmt der Grünen zu: "Im Wahlkampf war Schulz‘ Körpersprache viel zu zurückhaltend."
Martin Schulz "lümmelte sich fast auf seinem Stuhl"
Trotzdem stellt der Körpersprache-Experte dem SPD-Kanzlerkandidaten insgesamt kein gutes Zeugnis aus. Schulz habe schwer geatmet und die Stirn stark in Falten gelegt.
"Das wirkte nicht wie jemand, der eine Vision hat, sondern sah nach Anstrengung aus", sagt Verra. Dazu zeigte er sich zeitweise despektierlich und "lümmelte sich fast auf seinem Stuhl".
Die Kanzlerin und ihr Herausforderer wurden von den Wählern deutlich abgestraft.
Wie hat sich die AfD geschlagen?
Feiern kann dagegen die AfD, die erstmals in den deutschen Bundestag einzog. Wie schnitt sie bei der ersten Berliner Runde ab?
Verra hält es für einen geschickten Schachzug der AfD,
"So schafft es eine Partei, die durch Krawall und Populismus aufgefallen ist, dass sie plötzlich wahnsinnig vernünftig klingt", meint Verra.
Auch die FDP hat Grund zu jubeln. Denn ihr gelingt der Wiedereinzug ins Parlament.
Zwar sei Lindner nach seiner Meinung "gedämpfter als im Wahlkampf" aufgetreten. Der Experte vermutet jedoch, dass der FDP-Spitzenkandidat schon in seine mögliche nächste Rolle als Regierungsmitglied geschlüpft ist. Damit zeige Lindner, dass er sowohl den Wahlkämpfer als auch den Souverän verkörpern kann.
Christian Lindner wird auch im Bundestag auffallen
Lindner gab den Rechtsextremen geschickt Kontra, indem er auf ihre fehlenden Inhalte verwies. "Ich habe die AfD im Landesparlament erlebt. Da waren sie schon am Buffet, wenn über Sachthemen diskutiert wurde", teilte Lindner aus.
Verra hält Christian Lindner für einen der Talentiertesten in der Runde im Umgang mit der AfD. Dabei profitierte der FDP-Vorsitzende davon, sowohl eloquent als auch attraktiv in Gestik und Mimik zu sein. Ein Typ, der allen Parteien gut zu Gesicht stünde, so der Körpersprache-Experte.
Eine mögliche Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grüne zeichnete sich durch den Auftritt von Katrin Göring-Eckhardt ab. Die Grünen-Politikerin argumentierte sehr sachlich, sprach von Verantwortung und zeigte sich offen für Regierungsgespräche. Auch gegen die AfD gab sie sich kampfeslustig: "Ich bin nicht bereit, mir jede Debatte von der AfD auferlegen zu lassen."
Joachim Herrmann (CSU) oder Katja Kipping (Die Linke) fielen dagegen kaum auf. Bei Herrmann bemängelt Verra eine leblose Gestik wie die eines Beamten.
Bei der optisch auffälligen Kipping habe die Angewohnheit, die Hände dauernd auf Gesichtshöhe zu heben, monoton gewirkt.
Appell an die Politik: "Die Körpersprache des Volkes sprechen"
Insgesamt sieht Stefan Verra Nachholbedarf bei den deutschen Politikern in Sachen Körpersprache. Immer noch werde zu sehr darauf geachtet, was sie sagen und nicht, wie sie es sagen.
Dabei zeigten Studien, dass sich Zuhörer kaum an den Inhalt einer Rede erinnern, wenn die Körpersprache ihn nicht unterstreicht. Auch deswegen sei der Wahlkampf zwischen Merkel und Schulz so einschläfernd gewesen.
Politiker sollen die Gefühle ihrer Wähler mit dem Körper transportieren. Die AfD habe zum Beispiel die Wut vieler Bürger sehr gut vermitteln können. Darum lautet Verras Rat an die deutsche Politik: "Sucht euch Leute, die die Körpersprache des Volkes sprechen."
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