Angeblich hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier damit gedroht, die Bundestagswahl zu annullieren, wenn die "falsche" Partei gewinnt. Das behaupten einige Nutzerinnen und Nutzer im Netz. Doch Steinmeier hat das so nicht gesagt – er warnte vor Einflussnahme von außen.

"Steinmeier droht: Wahl könnte annulliert werden, wenn die falsche Partei gewinnt", heißt es Ende Dezember 2024 in einem Facebook-Beitrag. Auf TikTok kursiert eine ähnliche angebliche Aussage von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dort ist von "rechten Parteien" die Rede.

Auch auf Instagram, X und Telegram macht diese Behauptung die Runde, meist mit einem Bild von Steinmeier, zu dem es heißt: "Neuwahl kann annulliert werden". Allein auf Facebook und X wurden derartige Beiträge bis Mitte Januar mehr als 2.500 Mal geteilt. "Wo soll der das gesagt haben?", fragt ein Nutzer unter einem Beitrag auf TikTok.

Es stimmt nicht, dass Steinmeier "gedroht" hat, die Bundestagswahl zu annullieren, wenn die falsche Partei gewinnt. © Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck

Steinmeier sagte: Einflussnahme von außen sei "eine Gefahr für die Demokratie" – nicht, dass er die Wahl annullieren würde

Eine Suche nach dem Bild, das in einigen Beiträgen gezeigt wird, führt zu einem YouTube-Video, das am 27. Dezember 2024 veröffentlicht wurde. Das Video wurde am Nachmittag nach Steinmeiers Rede im Schloss Bellevue in Berlin veröffentlicht, um diese Rede geht es auch im Video.

Auf der Webseite des Bundespräsidenten findet sich das Transkript dieser Rede, in der der Bundespräsident verkündet hat, Neuwahlen für den 23. Februar 2025 anzusetzen. Darin steht nichts davon, dass die Bundestagswahl annulliert werden könnte oder sollte.

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Steinmeier sagte, er erwarte, dass der Wahlkampf mit fairen und transparenten Mitteln geführt werde. In diesem Zusammenhang sei Einflussnahme von außen "eine Gefahr für die Demokratie – sei sie verdeckt, wie kürzlich offenbar bei den Wahlen in Rumänien, oder offen und unverhohlen, wie es derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird". Er wende sich entschieden gegen alle äußeren Einflussversuche, die Wahlentscheidung würden allein die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland treffen.

YouTuber interpretieren die Rede von Steinmeier – das führt zu verkürzten und falschen Behauptungen

Auf YouTube wird diese Rede interpretiert. Ein Nutzer sagt etwa über Steinmeier: "Er hat angekündigt, dass wir auch die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 annullieren können wie in Rumänien, vor allem wegen ausländischer Einflussnahme. Und die ausländische Einflussnahme hat er benannt, die würde aktuell schon stattfinden." Auch mehrere reichweitenstarke, rechtskonservative Kanäle, zum Beispiel auf TikTok oder in Blogs, griffen die Rede auf.

Doch nirgendwo wird ein Beleg dafür vorgelegt, dass Steinmeier tatsächlich mit einer Annullierung der Wahl drohte, sollten rechte oder "falsche" Parteien gewinnen. Die Interpretationen der Steinmeier-Rede wurden also immer weiter verkürzt, bis schließlich eine Falschbehauptung daraus wurde.

Das Zitat fiel auch sonst nirgendwo von Steinmeier: Eine Suche auf Google und in der Zitatedatenbank Genios liefert keine Treffer. Eine Sprecherin des Bundespräsidenten schrieb CORRECTIV.Faktencheck, dass das angebliche Steinmeier-Zitat frei erfunden sei.

Unabhängig davon gilt in Deutschland: Ob es eine Wahlanfechtung gibt, entscheidet nicht der Bundespräsident. Jeder Wahlberechtigte kann Einspruch gegen die Bundestagswahl einlegen – der landet beim Wahlprüfungsausschuss und anschließend im Bundestag. Nach Artikel 41 Grundgesetz kann auch das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Weitere Regelungen stehen im Wahlprüfungsgesetz und im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht.

Warum der Oberste Gerichtshof in Rumänien die Präsidentschaftswahlen 2024 annulliert hat

Steinmeier nennt als Beispiel für Einflussnahme von außen den Fall Rumänen. Am 6. Dezember 2024 hatte das Verfassungsgericht in Rumänien den ersten Wahlgang einstimmig annulliert, laut eigener Angabe, um die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens zu gewährleisten. Die Wahl muss wiederholt werden.

Im Mittelpunkt der Entscheidung standen laut Medienberichten Dokumente, die auf eine Einflussnahme aus Russland auf den Wahlkampf in Rumänien hindeuten. Demnach sei Rumänien am Tag und in der Nacht der Präsidentschaftswahlen vom 24. November Online-Angriffen aus mehr als 30 Ländern ausgesetzt gewesen und "aggressive russische Hybrid-Aktionen" hätten sich auch gegen das Zentrale Wahlbüro und die Ständige Wahlbehörde gerichtet.

Obwohl der prorussische Politiker und Nationalist Călin Georgescu laut Berichten keine Wahlkampfausgaben erklärt habe, erreichte er sehr schnell eine große Präsenz auf TikTok und gewann den ersten Wahlgang – dabei soll er aus Russland unterstützt worden sein.

Der Fall löste international Reaktionen aus. Die US-Botschaft in Rumänien schrieb in einer Pressemitteilung, man sei besorgt über den Bericht, wonach Russland an bösartigen Cyberaktivitäten beteiligt sei, die darauf abzielten, die Integrität des rumänischen Wahlprozesses zu beeinflussen.

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Verwendete Quellen

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