Am Wochenende ist die SPD in den Wahlkampf gestartet – mit Olaf Scholz. Zuvor ließ die Partei quälend lange die K-Frage unbeantwortet und beschädigte damit den eigenen Kanzler. Wie die Sozialdemokraten gegen das Stimmungstief ankämpfen wollen.
Gewohnt staatsmännisch, so kann man Bundeskanzler
Die SPD hat Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer aus ganz Deutschland in die Hauptstadt eingeladen. Sie sollen eingeschworen werden auf den Winterwahlkampf. Und auf Olaf Scholz.
"Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen jetzt raus ins Land. Es geht um verdammt viel", sagt der Kanzler in seiner Rede. Wenn Deutschland jetzt falsch abbiegt, habe das schwerwiegende Folgen.
Scholz zeigt sich kämpferisch, immer wieder brandet Applaus auf. Die SPD setze auf Sieg, sagt der Kanzler. Es soll nach Stärke klingen. Doch dieser Auftritt täuscht nicht darüber hinweg, dass es innerhalb der SPD zuletzt alles andere als rund lief.
SPD legt sich selbst Steine in den Weg
Nach dem Ampel-Aus hat die Partei tagelang über den geeigneten Kanzlerkandidaten diskutiert. Trotz Kanzlerschaft war Olaf Scholz offenbar nicht automatisch gesetzt. Doch dann stieg vergangene Woche weißer Rauch auf: Scholz macht’s. "Ein Stolperstart für Olaf Scholz und die SPD", beschreibt es Politikberater Frank Stauss im Gespräch mit unserer Redaktion. "Alles andere als optimal", sagt er. Stauss hat schon mehrere Wahlkämpfe für die Sozialdemokraten geplant.
Auch der SPD ist bewusst, dass sie ihrem Kanzlerkandidaten im Zweifel keinen Gefallen mit dem Zögern getan hat. Dagmar Schmidt, Sprecherin der Parlamentarischen Linken in der SPD, sagt unserer Redaktion: "Das lange Offenlassen der K-Frage war keine Meisterleistung." Sie betont allerdings, dass im Unterschied zum letzten Wahlkampf mit dem öffentlich ausgetragen Dauer-Schlagabtausch zwischen Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) in ihrer Partei der Kandidat nun stehe. Wettbewerb oder Streit gebe es nicht mehr. "Wir sind geeint in unserer Entscheidung."
Politikberater: "Es sieht nicht gut aus"
Hinter der SPD liegen nicht nur kräftezehrende drei Jahre in einer zerstrittenen Koalition. Die Zusammenarbeit hat bekanntlich auch mit einem Knall geendet. "Jetzt müssen die Menschen entscheiden, wer ein so wichtiges Amt wie das des Kanzlers in diesem Land innehaben soll. Der Blick richtet sich dann doch mehr auf das, was geleistet wurde und was man für eine Kanzlerschaft an Erfahrung und Inhalten mitbringt“, ist sich Dagmar Schmidt sicher.
Nun liegt es an Scholz. Kann er genug Menschen von sich und seiner Vision für das Land überzeugen? Oder wird die SPD im Februar an ihrem Vorhaben scheitern, Deutschland erneut (mit-) zu regieren?
Die Stimmung in der Bevölkerung scheint sich nicht verändert zu haben. Nach dem Ampel-Aus haben die Parteien der nun ehemaligen Regierung keine nennenswerten Verluste oder Zugewinne verzeichnen können. Die SPD liegt in den Umfragen mit rund 15 Prozent, je nach Umfrageinstitut, abgeschlagen hinter den Unionsparteien (rund 32 Prozent). Auch als Kanzler steht Olaf Scholz auf der Beliebtheitsskala ganz unten.
Kein Grund zur Panik jedoch, meint Politikberater Stauss. "Es sieht natürlich nicht gut aus. Aber: Es ist auch nicht so dramatisch, wie manchmal geschildert." Zwar führe CDU-Herausforderer
Zur Erinnerung: Auch 2021 lag die SPD in den Umfragen weit hinten. Wenige Wochen vor der Wahl stand sie damals ebenfalls bei gerade einmal 14 Prozent. Am Ende überholte sie die Union (24,1 Prozent) sogar noch mit 25,7 Prozent.
Vor Scholz liegt eine große Aufgabe
Im Wahlkampf dürfte ein Thema dominant sein: die konjunkturelle Lage. Wirtschaft zählt normalerweise nicht zu den Kernkompetenzen der Sozialdemokraten. Die angespannte Finanzlage der öffentlichen Haushalte wird auch die nächste Regierung beschäftigen. Das Rezept der SPD: eine aktive Industriepolitik, mehr staatliche Steuerung - und eine Reform der Schuldenbremse.
Die SPD-Linke Dagmar Schmidt sagt: "Wir müssen dieses Land wieder auf Vordermann bringen. Zu lange haben wir von der Substanz gelebt. Das geht aber nur mit Investitionen in zukunftsfähige Arbeitsplätze."
Die Genossen setzen also, ganz klassisch, darauf, die Themen Soziales und Wirtschaft zu verbinden. Das eine geht nicht ohne das andere, lautet die Kernbotschaft im Wahlkampfes. Eine Strategie, die aufgehen könnte, meint Experte Frank Stauss: "Soziale Themen können wahlentscheidend sein. Es kommt darauf an, einen emotionalen Wahlkampf zu führen."
Kann sich Olaf Scholz gegen Friedrich Merz durchsetzen?
Nur: Große Emotionen werden dem Kanzler bislang nicht nachgesagt. Ihm haftet das Image des "Scholzomat" an: etwas spröde, ein Nicht-Kommunikator. So wurde er immer wieder genannt. Andere würden sagen: typisch hanseatisch. Kann sich Scholz für den Wahlkampf neu erfinden und der SPD so den nötigen Aufschwung verpassen?
"Olaf Scholz ist Olaf Scholz. Da wird es keine großen Überraschungen geben", vermutet Stauss. Darin kann man auch eine Stärke sehen. Dagmar Schmidt ist überzeugt: "Dass Olaf Scholz in den letzten drei Jahren als Kanzler so besonnen agiert und dieses Ampeltrara nicht mitgemacht hat, hat uns erst ermöglicht, so viel auf die Beine zu stellen."
Die Sozialdemokraten setzen vor allem auf Scholz' Erfahrung. "Er war in seiner Karriere schon Arbeitsminister, Finanzminister, Vizekanzler, Erster Bürgermeister von Hamburg und Kanzler. Olaf Scholz weiß, wie Regieren geht", fasst es Frank Stauss zusammen. Friedrich Merz hingegen habe noch kein Amt ausgefüllt und auch keinen Wahlkampf gewonnen – außer vielleicht in seinem Wahlkreis.
SPD-Frau Schmidt sieht auch Scholz' Art Politik zu machen als klaren Vorteil gegenüber Merz an: "Es gibt Olaf Scholz auf der einen Seite, der zwar keinen Stepptanz auf der Theaterbühne veranstaltet, aber hart im Maschinenraum anpackt. Und Kandidaten auf der anderen Seite, die bisher noch nicht einmal Regierungsverantwortung hatten und den ein oder anderen sehr merkwürdigen Vorschlag in schwierigen Situationen machen."
Ob das am Ende reicht, um die SPD erneut an die Spitze zu führen, wird sich am 23. Februar zeigen. Olaf Scholz ist sich jetzt schon sicher: Wenn, dann geht das nur zusammen. Er setzt auf eine geeinte Partei und manifestiert in seiner ersten Wahlkampfrede am Samstag: "Wenn wir kämpfen, werden wir siegen. Freundschaft!"
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Frank Stauss
- Gespräch mit Dagmar Schmidt
- wahlrecht.de: "Wahlumfragen zur Bundestagswahl 2025"
- Rede Olaf Scholz zur Wahlsiegkonferenz am 30. November 2024
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.