- Lilly Blaudszun und Nora Zabel sind beste Freundinnen, gehen zusammen feiern und sind politisch aktiv.
- Doch die eine macht Wahlkampf für die SPD und berät Manuela Schwesig sowie Olaf Scholz, die andere wirbt für die CDU und Armin Laschet – wie funktioniert das?
- Ein Doppelinterview übers Streiten, junge Menschen in der Politik und die ostdeutsche Provinz, wo Blaudszun und Zabel aufgewachsen sind.
Sie wollen beide nicht als "Politikerin" oder "Nachwuchshoffnung" bezeichnet werden. Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Nora Zabel: Auf meiner steht nur "Nora", ganz normal.
Blaudszun: Hast Du privat Visitenkarten?
Zabel: Nee.
Was ist mit "Politik-Influencerin"?
Zabel: Influencen hat immer was von verkaufen. Aber wir verkaufen ja nichts.
Blaudszun: Selbst die Influencer-Szene nimmt ja von dem Begriff Abstand.
Zabel: Ich würde sagen: Ganz normale, engagierte Mitglieder – die ein bisschen sichtbarer sind als andere.
Blaudszun: Ich wurde schon mal als "Politik-Bloggerin“ bezeichnet.
Zabel: LOL, okay.
Wenn man so durch Ihre Social-Media-Accounts scrollt, findet man da nicht nur ein Bild, dass Sie beide beim Feierabend-Drink zeigt. Darf es während der heißen Phase des Wahlkampfes so viel Harmonie über Parteigrenzen hinweg geben?
Blaudszun: Wir sehen uns derzeit gar nicht so oft. Generell muss man ganz klar zwischen persönlicher und politischer Ebene unterscheiden. Wenn wir uns streiten, gerne auch hart, dann geht es tatsächlich immer um Politik. Wenn man miteinander befreundet ist, dann kann man das aber gut trennen.
Zabel: Klar, die Harmonie ist da. Wir vertrauen uns, das ist wichtig. Aber wir streiten uns schon ziemlich oft. Gerade, was die Landespolitik angeht, liegen wir schon sehr weit auseinander. Du bist ganz schön links! (lacht)
Blaudszun: "Wir beide unterscheiden uns da vielleicht beim Weg, aber unser Ziel ist dasselbe"
Bei welchen Themen liegen Sie besonders über Kreuz?
Zabel: Der krasseste Streitpunkt war Nord Stream 2. Aus meiner Sicht ist dieses Projekt untragbar. Auch, was die Beziehungen zu Russland betrifft, gehen wir komplett auseinander. Ihr redet da mit einem Diktator, da sollte man etwas selbstbewusster auftreten ...
Blaudszun: Da grätsche ich gleich mal rein. Es ist wichtig, mit der russischen Zivilbevölkerung zu sprechen und sie zu stärken. Ich war selbst in Russland, auch in der Schule, und habe mit vielen Leuten aus verschiedenen Lebensbereichen gesprochen. Ja, es braucht klare Grenzen und ein starkes Selbstbewusstsein gegenüber der russischen Regierung. Hier muss aber zwischen Bevölkerung und Regime unterschieden werden. Mir ist wichtig, dass wir im Dialog bleiben. Russland ist eine Weltmacht, sie einfach zu ignorieren, kann trotz aller fundamentalen Unterschiede kein Weg sein.
Zabel: Auf der einen Seite der Herrscher und auf der anderen Seite das Volk. Das kann und sollte man ja auch gar nicht trennen.
Gibt es umgekehrt ein Thema, wo Sie sogar so weit gehen würden, in die jeweils andere Partei einzutreten?
Zabel: Das geht zu weit! Aber wir treten beide für ostdeutsche Interessen ein. Wir wollen, dass Ostdeutsche in Spitzen- und Führungspositionen sichtbarer werden.
Blaudszun: Das gleiche betrifft junge Frauen, insbesondere in der Politik. Wir beide unterscheiden uns da vielleicht bei dem Weg, aber unser Ziel ist dasselbe. Ich bin sehr stark für eine Frauenquote, ich weiß ja nicht, wie Du das siehst?
Zabel: Ja, ich bin auch für eine Frauenquote. Damit bekomme ich aber Probleme in meiner Partei. Es ist schön, dass die CDU die erste
Zabel: "Mich hat Angela Merkel motiviert"
Werden Sie Angela Merkel vermissen?
Zabel: Ja, voll. Vor allem ihr politischer Stil: Dieses Bescheidene, dass es ihr um die Sache ging, das alles trifft man nicht so oft in der Politik. Das war so schön.
Blaudszun: Nein, ich werde sie nicht vermissen, denn unser Land muss vorankommen. Unter der Merkel-Regierung ist viel verschlafen worden. Jetzt freue ich mich auf eine hoffentlich progressive Zukunft mit den notwendigen Investitionen. Ich bin der Kanzlerin aber für die 16 Jahre dankbar, in der sie unser Land verlässlich in der Welt vertreten hat.
Zabel: Und sie ist natürlich eine Frau – für kleine Mädchen war das super.
Blaudszun: Sie hat daraus aber in ihrer Regierungszeit zu wenig gemacht.
Zabel: Wenn man, wie in der Politik, zum Großteil mit Männern umgeben ist, dann ist das schon eine Ausnahme, als Frau so weit zu kommen. Das hat mich motiviert.
Ostdeutschland, ländlicher Raum und weiblich – wie sind Sie beide eigentlich in die Politik gekommen?
Zabel: Ich war schon immer interessiert daran, wie Menschen zusammenleben können. Mein Opa ist damals aus Ostpreußen geflohen, er hat mir und meiner Schwester immer von den Schrecken des Krieges erzählt. Mich hat das geprägt. Es war Zufall, dass ein Freund von mir in der Jungen Union war und mich mal zu einem Drachenbootrennen mitgenommen hat. Ich war immer in der Mitte, auch die SPD stand zur Auswahl. Dass ich nun bei der CDU bin, war dann aber kein Zufall mehr.
Blaudszun: Ich komme aus einer Kleinstadt in der mecklenburgischen Provinz. Bei uns war nie viel los. Es gab aber einen Jugendrat, der unter anderem Partys organisiert hat. In dieses Jugendparlament habe ich mich reinwählen lassen, weil ich eben diese Partys organisieren wollte. Hier wurde ich an die Kommunalpolitik herangeführt, wir haben beispielsweise Skateplätze renoviert oder Podiumsdiskussionen veranstaltet. Im Jugendrat wurde ich politisiert, habe die lokalen Parteien kennengelernt – und am Ende hat mich Frank-Walter Steinmeier bequatscht, in die SPD einzutreten.
Wie hoch ist die Hürde für junge Leute sich nicht nur politisch, sondern tatsächlich auch in einer Partei zu engagieren?
Zabel: Gerade dieser Gang durch die Institutionen ist anstrengender als auf eine Demo zu gehen, mit Musik und Freunden. Man muss zum einen Themen in den Vordergrund stellen, die die jungen Leute ansprechen, wie Bildung oder Klima. Zum anderen muss man ihnen Verantwortung geben. Es muss ihnen ebenso erklärt werden, wie Parteien eigentlich funktionieren.
Blaudszun: Die Hürde ist tatsächlich noch ziemlich hoch. Die Attraktivität von Parteien, was Durchlässigkeit und Möglichkeiten angeht, muss zunehmen. Ich kam damals in den Ortsverein und dachte: "Hammer, ich bin jetzt in die SPD eingetreten und möchte die Welt verändern." Ich mag meinen Ortsverein wirklich, aber wenn du dort reinkommst und dann sitzen da mehrere eher ältere Personen, die über ein für dich in diesem Moment abstraktes Thema diskutieren, dann demotiviert das. Welt verändern also erst in 1,5 Jahren...
Zabel: … oder in zehn.
Zweites TV-Triell: Scholz in Kanzlerfrage weiter vorne
Blaudszun: "Bitte keine GroKo mehr!"
Sie haben offensichtlich eine Abkürzung gefunden. In den sozialen Medien sind Sie beide sehr präsent, es gibt vermutlich kaum einen Spitzenpolitiker ihrer jeweiligen Partei, mit dem sie noch kein Selfie gemacht haben.
Blaudszun: Letztlich machen wir auch Parteiarbeit. Als Personen sind wir aber sichtbarer. Wenn ich ein Bier trinken gehe, dann poste ich das oft auch. Gleichzeitig verbinde ich das mit den Themen, die mich bewegen und schreibe darüber. Die Personalisierung wird wichtiger in der deutschen Politik, das können wir auch in den aktuellen Wahlkämpfen beobachten.
Zabel: Genau, nur so gucken sich die Leute die Inhalte überhaupt an. Wir tragen unseren Teil dazu bei, dass Politik interessant wird. Und wir zeigen: Politiker sind ganz normale Menschen und keine Plastikfiguren. Sie haben auch Gefühle und wollen gerne mal feiern.
Frau Blaudzun, sie haben neulich ein Foto von sich beiden getwittert, dazu der Slogan: "GroKo nur als WG". Frau Zabel, Sie haben den Beitrag geteilt – wie soll ich das verstehen?
Blaudszun: Bitte keine GroKo mehr!
Zabel: Weder im Bund noch in Mecklenburg-Vorpommern.
Blaudszun: Ja, es darf auch im Land aus meiner Sicht keine GroKo mehr geben. Ich habe manchmal das Gefühl, dass manche in der CDU bei uns wie ein Kreisverband einer Kleinstpartei agieren. Es ist in Teilen so unprofessionell – Mecklenburg-Vorpommern verdient mehr als diese Chaostruppe.
Zabel: Wir haben uns ausregiert. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.
Blaudszun: Auch die Mehrheit der Bevölkerung möchte Euer Personal nicht.
Zabel: Ich sage nur Saskia Esken und Kevin Kühnert!
Blaudszun:
Zabel: Das war ein Satz, der die ganze Zeit auseinandergepflückt wurde. Armin Laschet hat ihn in einem anderen Kontext verwendet…
Blaudszun: Das war eine Sprachregelung, die Eure gesamte Parteiführung verwendet hat. Die CDU muss sich fragen, ob sie bei Merz oder Merkel steht.
Zabel: 2015 sind sehr viele Flüchtlinge gekommen. Das Hauptproblem war aber die absurd-kranke Debatte darüber, das hat Armin Laschet gemeint. Natürlich wollen wir Flüchtlinge aufnehmen. Gerade auf Twitter wird gerade eine Karikatur von unserem Kanzlerkandidaten gezeichnet, Themen werden gesucht, und er ist immer der passende und einzige Schuldige. Für mich ist das super toxisch. Diese Geschwindigkeit von sozialen Medien ist gefährlich für unsere Demokratie.
Blaudszun: Aber gleichzeitig ist Social Media eine Chance.
Zabel: Chance, ja. Aber findest Du, dass das im aktuellen Wahlkampf eine Rolle spielt? Dass Social Media einen positiven Teil dazu beiträgt?
Blaudszun: Es ist immer die Frage, wie man damit umgeht. Klar gibt es völlig überzogene Kritik und Shitstorms, aber oft sind sie auch völlig legitim.
Zabel: "Mich machen die Umfragen auch nervös"
Haben Sie Angst, dass Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr mitregieren wird? Also dass sich die CDU für Jamaika und die SPD für die Ampel entscheidet?
Zabel: Nö. Ich bin da völlig zuversichtlich, dass die CDU mehrheitsfähig ist. Aber klar, mich machen die Umfragen auch nervös. Wenn sie das nicht tun würden, dann würde ich es nicht ernst genug nehmen.
Blaudszun: Bei der Qualität Eures Wahlkampfes mache ich mir eigentlich nicht so große Sorgen...
Zabel: ...HDF… kann man das rausschneiden? (lacht)
Blaudszun: Wir als SPD können selbstbewusst sein. Wir haben ein starkes Programm, eine Partei, die zusammenhält und mit
Wie sieht Ihr Abend am 26. September aus?
Blaudszun: Ich bin am Wahlabend in Mecklenburg-Vorpommern und werde sicher auch in Kontakt mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Bundeskampagne stehen.
Zabel: Ich hoffe, dass ich dann im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin feiern werde. Dass ich mit meinen Kollegen in den Armen liege und sage: "Es hat sich alles gelohnt, was wir hier gemacht haben." Und ich werde Lilly anrufen und sagen: "Haha!"
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