Obwohl sie den Begriff überhaupt nicht mag, gilt Lilly Blaudszun als Nachwuchshoffnung der Sozialdemokratie, weil sie als Influencerin die Sprache der Jugend trifft. Mit uns spricht die 19-jährige Jurastudentin über ihren Status in der Partei, über Rezos Aktivismus, über nächtliche Trips zu McDonald's, über Ostdeutschland und Rechtsextremismus, über Philipp Amthor und Korruption in der CDU und nervige Kommentare von Ex-SPD-Größen wie Sigmar Gabriel oder Gerhard Schröder.

Ein Interview

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Frau Blaudszun, Sie haben bei Twitter und Instagram zusammengenommen über 35.000 Follower. Wie hat Ihre Social-Media-Karriere begonnen?

Lilly Blaudszun: Dieses "Social-Media-Game", wie ich es immer nenne, war so gar nicht geplant. Angefangen hat es vor drei Jahren. Damals habe ich ein Praktikum gemacht, mein damaliger Chef hat zu mir gesagt: "Lilly, geh mal auf Twitter und schau dir mal an, ob ich das brauche." Tja, und dann ist es ein bisschen eskaliert und jetzt verbringe ich damit sehr viel Zeit.

Die SPD-Größen wetteifern um das aktuellste Selfie mit Ihnen, Sie gelten als Nachwuchshoffnung der deutschen Sozialdemokratie. Kneifen Sie sich manchmal selbst und fragen sich: "Wie zum Teufel hab ich das gemacht?"

Ja, tatsächlich habe ich erst vor kurzem darüber nachgedacht. Ich habe in meiner Timeline ein Selfie vom SPD-Parteitag gesehen: Hubertus Heil, Manuela Schwesig, Katarina Barley, Saskia Esken und dazwischen ich. Im Alltag werden das schnell ganz normale Menschen. Aber da hab ich dann doch gedacht: 'Krass, Lilly, du bist 19, einfaches SPD-Mitglied und chillst da mit den politischen Spitzen unseres Landes.' Ich versuche, mir das immer wieder bewusst zu machen, zu reflektieren und auch dankbar dafür zu sein.

Und wie haben Sie es nun genau gemacht?

Schwer zu sagen. Durch meine Funktion als Vize-Landesvorsitzende der Jusos in Mecklenburg-Vorpommern war ich viel auf Bundesveranstaltungen und habe so auch Manuela Schwesig kennengelernt. Mich schreckt es nicht ab, wenn Leute ein hohes Amt innehaben, Minister oder Vizekanzler sind. Für mich sind das Menschen wie du und ich. Dadurch, dass ich unerschrocken an die Sache rangehe, relativ offen und meistens gut gelaunt bin, funktioniert das ganz gut.

Früher musste man sich langsam hochdienen, um in einer Partei etwas zu werden - an endlosen Kreisverbandssitzungen teilnehmen, Plakate kleben, Häuser-Wahlkampf et cetera. Würden Sie mir widersprechen, wenn ich sage, Sie haben politisch bislang sehr wenig geleistet, gemessen an Ihrem Einfluss auf die Parteispitzen?

In den vergangenen drei Jahren habe ich enorm viel Zeit mit Arbeit für die Partei verbracht. Ich saß auch im Ortsvereinsvorstand, war auf Kreisparteitagen – das ganze Programm, von dem Sie sprechen, das habe ich auch durchgemacht. Den Vorwurf, zu wenig geleistet zu haben, möchte ich mir also nicht gefallen lassen. Zur Wahrheit gehört aber natürlich auch: SPD-Strukturen sind nicht immer cool und jung und hip. Durch Social Media erreiche ich sehr einfach viele junge Menschen und habe so die Möglichkeit, Politik etwas menschlicher zu machen.

Lilly Blaudszun: "SPD würde nicht funktionieren, wenn Sie nur aus Leuten bestünde wie mir"

Gibt es Neid gegenüber Ihrer Person?

Ich bin kein besseres oder schlechteres Mitglied als alle anderen, ich mache nur etwas anderes. Aber die Menschen, die in den Orts- und Kreisverbänden wirklich viel Zeit für die Sozialdemokratie investieren, die brauchen wir genauso. Mir ist ganz wichtig zu betonen: Es geht nicht um mich. Natürlich bin ich in der Öffentlichkeit sichtbarer als viele andere, aber deswegen ist meine Arbeit nicht mehr wert als die der Leute, die sich in endlosen Sitzungen auf gut deutsch den Arsch aufreißen. Am Ende würde unsere Partei nicht funktionieren, wenn Sie nur aus Leuten bestünde wie mir. Die vielen Menschen vor Ort überzeugst du nicht nur mit einer Instagram-Story, du musst auf den Platz gehen, mit ihnen sprechen und zuhören. Ich halte das Hochjazzen meiner Person oft für fragwürdig, deshalb nehme ich auch gerne Abstand von Begriffen wie "Nachwuchshoffnung".

Fühlen Sie sich mächtig mit Ihrer doch recht großen Followerschaft? Einen Shitstorm auszulösen für einen politischen Gegner wäre doch ein Leichtes für Sie.

Ich sitze jetzt nicht dauernd auf meinem Sofa, schau auf meine Follower und denke: "Wow, Lilly, du bist so mächtig!" Es geht darum, dass ich einen Beitrag leisten kann mit meiner Reichweite und dass ich das verantwortungsvoll nutze. Ich versuche, das Beste daraus zu machen und einen positiven Effekt für die SPD zu schaffen. Ab und zu überlasse ich zeitweise auch anderen Leuten meinen Account, wenn ich das Gefühl habe, sie können zu einem Thema etwas viel Wichtigeres beisteuern als ich. Das ist dann schon eine Art von Macht, indem ich steuern kann, wer mit welchem Thema Aufmerksamkeit bekommt.

Von Ihnen stammt der Satz: "Ich will mithelfen, dass die SPD wieder cool wird". Kennen Sie den Begriff "Sisyphus-Aufgabe"?

(lacht) Ja, ich hatte Latein in der Schule. Aber so würde ich es nicht bezeichnen. Wir stehen nicht ohne Grund da, wo wir heute als Partei sind. Es gibt Punkte, bei denen wir klarer werden oder unsere Position ändern müssen. Aber was ich aus den letzten Jahren intensiver Parteiarbeit mitgenommen habe, ist, dass die Partei nach außen viel schlechter dasteht, als sie eigentlich ist. Wir haben wunderbare Leute auf allen Ebenen, die wirklich gut sind und sich den Kopf zerbrechen, wie es weiter geht mit unserer SPD und dem Land. Natürlich gibt es auch Streitigkeiten, das gehört zu jeder Familie dazu, aber wir müssen sichtbarer machen, dass wir besser und auch jünger und cooler sind als wir dargestellt werden. Es gibt zum Beispiel über 80.000 Juso-Mitglieder, die sind überall aktiv und geben wirklich viel.

"Rezo? Direkten Einfluss bekommst du nicht mit YouTube-Videos"

Stellen Sie sich mal vor, Rezo hätte ein YouTube-Video über die Zerstörung der SPD gemacht. Was hätten Sie ihm entgegnet?

Das käme dann natürlich auf die konkreten Vorwürfe an. Prinzipiell finde ich gut, was Rezo macht, dass er für Politik sensibilisiert. Aber mir ist es oft zu einfach gedacht. Parteien funktionieren viel komplexer. Wenn man sich organisiert, kann man Mehrheiten schaffen, kann man Politik oder Parteitagsbeschlüsse oder Personal verändern. Die innerparteilichen demokratischen Prozesse sind ein hohes Gut. Sie dauern länger und sind oft schwierig, aber nur so können wir Politik verändern.

Also war Ihnen Rezos CDU-Zerstörung zu platt?

Aktivismus ist wahnsinnig wichtig, aber viel wirksamer und konkreter ist es, wenn du in Parteien gehst und dort etwas mitbestimmst. Diesen direkten Einfluss bekommst du nicht mit YouTube-Videos. Gegen Rezos inhaltliche Kritik kann man nicht viel sagen, das war gut recherchiert und nachvollziehbar. Aber seine insgesamt eher ablehnende Haltung vielen Parteien gegenüber lehne ich ab.

Wie zufrieden sind Sie mit dem neuen Parteivorsitzenden-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans?

Wir sind durch sie inhaltlich schärfer geworden und schaffen es endlich, auch öffentlich die Union zu kritisieren. Ich bin zufrieden mit ihnen, aber ich habe schon vor ihrer Wahl gesagt, dass es nicht reichen wird, die Partei komplett zu erneuern, nur indem wir die Vorsitzenden ändern. Das kam in den letzten Jahren häufiger vor, dass der Vorsitz gewechselt hat, sich am Ende aber nichts verändert hat. Deshalb ist das eine Aufgabe der gesamten Partei, die SPD wieder nach vorne zu bringen.

"Sigmar Gabriel soll sich lieber in seinem Ortsverein einbringen"

Ehemalige Vorsitzende oder Kanzlerkandidaten mischen sich immer wieder "von außen" ein und formulieren gute Ratschläge. Was raten Sie Sigmar Gabriel, Gerhard Schröder oder Peer Steinbrück?

Diese Menschen sollten sich einfach mal überlegen, wie viel Zeit sie hatten, um das zu verbessern, was sie heute kritisieren. Sie waren selbst in der Machtposition, in der sie das hätten tun können. Deshalb habe ich sehr wenig Verständnis für die andauernden Kommentare von der Seitenlinie. Am Ende, das ist zumindest mein Anspruch, wollen wir alle zusammen die SPD und unser Land besser machen. Das müsste Gabriel und Schröder eigentlich klar sein, auch wenn sie das Vorsitzenden-Duo nicht unterstützt haben. Die Kommentare sind meist nicht konstruktiv, sondern sie nörgeln rum und tragen wenig zur Erneuerung und zur Neuausrichtung bei. Da würde ich mir lieber wünschen, dass Sigmar Gabriel mal wieder zur Sitzung seines Ortsvereins oder Kreisverbands geht und sich da einbringt.

Was sind Ihre wichtigsten politischen Themen?

Mir ist vor allem das Thema gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West aus Sicht junger Ostdeutscher wichtig. Was die Bildung angeht, sind wir mittlerweile ähnlich gestellt und haben jetzt die Möglichkeit, die Idee und das Bedürfnis unserer Eltern und Großeltern nach einer Einheit zu vollenden. Ich sehe mich so und dafür kämpfe ich, im politischen und im beruflichen Bereich. Es gibt immer noch eine wirtschaftliche Schieflage, die meisten Kanzlerposten an den Universitäten sind mit Westdeutschen besetzt und nur eine Handvoll Ostdeutsche sitzen in Dax-Vorständen – darüber müssen wir sprechen. Außerdem müssen wir es schaffen, dass junge Menschen, wenn sie das wollen, auch in ihren Heimatregionen bleiben können und nicht in die Großstädte ziehen müssen. Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen, für die Ansiedlung von Unternehmen, durch Ausbildungsplätze, durch den Ausbau von Bus und Bahn.

Im Zusammenhang mit Ostdeutschland ist immer wieder auch von Rechtsextremismus die Rede. Hat der Osten ein grundlegendes Problem oder ist das ein falscher Eindruck?

Mir ist es zu einfach, aus einer westdeutschen Arroganz heraus zu sagen, der ganze Osten habe ein Problem mit Rechtsextremismus. Damit verkennt man, wie viele Strukturen es wirklich gibt, die demokratisch, ehrenamtlich arbeiten und weitab sind von jeglichem Rechtsextremismus. Rechtsextreme gibt es auch in Westdeutschland. Aber es gehört auch zur Wahrheit dazu, dass wir im Osten tief vernetzte rechte Strukturen haben. In Mecklenburg-Vorpommern wurden ganze Dörfer von Nazis komplett eingenommen und bestehen aus Nazi-Netzwerken. Unternehmen, die sich nicht daran beteiligen, haben es dort schwer zu überleben. Anstatt einer pauschalen Vorverurteilung wäre es mir lieber, über diese konkreten Probleme zu sprechen, die wir dort haben.

Zurück zu Ihnen: Der Glaube spielt eine große Rolle in Ihrem Leben, Sie gehen in die Kirche – haben Sie vielleicht eine Schwäche für große Organisationen, die den Sprung ins 21. Jahrhundert noch nicht so richtig hinbekommen haben?

(lacht). Vielleicht. Die Grundidee, das gilt für die Kirche wie für die SPD, ist immer noch attraktiv. Aber die Umsetzung muss ins 21. Jahrhundert gebracht werden. Die Idee, dass jemand dich immer irgendwie begleitet und eine schützende Hand über dich hält, stößt ja nicht per se so auf Ablehnung, wie es die Kirche im Moment tut.

"Wer fährt nicht nach der Party nachts noch zu McDonald’s?"

Sie essen gerne Fleisch, vorzugsweise Wurstgulasch oder "Jägerschnitzel", gerne auch von McDonald’s oder Ravioli aus der Dose, Sie rauchen, Sie plädieren ausdrücklich für den Autoverkehr – also bei den Grünen würden Sie hochkant rausfliegen, oder?

Das mag sein, aber das ist auch nicht mein Anspruch. Im politischen Berlin oder auch in der Medienlandschaft wird gerne so getan, als wäre es ein Tabubruch, zu McDonald’s zu gehen. Aber am Ende ist es die Normalität von ganz vielen Leuten in Deutschland. Ganz ehrlich: Wer fährt nicht nach der Party nachts noch irgendwie zu McDonald’s? Ich fände es falsch, Abstand zu nehmen von der Person, die ich bin, um allen zu gefallen und alles richtig zu machen. Mir ist es wichtig, authentisch zu bleiben. Ich komme aus einer ländlichen Region, da war es früher das Highlight, uns zu treffen und zu McDonald’s zu fahren. Viele Menschen aus den Großstädten können das wahrscheinlich auch einfach nicht nachvollziehen. Man kann viel daran kritisieren, aber es gehört zu mir und ich habe keine Lust, das zu verleugnen.

Wenn Sie von den Zuständen in der Fleischindustrie wie aktuell bei Tönnies hören, verändert das Ihre Einstellung zum Fleischkonsum oder blenden Sie das aus?

Ausblenden wäre zu billig. Aber es ist nicht mein Ansatz, Individualkonsum zu kritisieren. Die ganze Problematik ist eine Aufgabe der Politik. Persönlich bin ich mir dieses Zwiespalts natürlich bewusst. Ich bin so aufgewachsen, dass ich schon immer wusste, wo mein Fleisch herkommt. Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich gesehen, wie geschlachtet wurde und dadurch sicher eine andere Beziehung zu Lebensmitteln insgesamt.

Für viele junge Leute steht das Thema Klimaschutz ganz oben auf der Agenda. Warum engagieren Sie sich in der SPD und nicht bei Fridays For Future?

Das ist kein Entweder oder. Viele Aktivisten und Aktivistinnen bei FFF sind auch in der SPD aktiv. Das Thema Klimaschutz finde ich wichtig und es ist gut, dass viele junge Leute sich politisch einbringen. Aber es gibt Forderungen, die ich persönlich nicht unterstütze, daher fände ich es falsch, wenn ich da mitlaufe.

Wie wichtig ist Ihnen Karriere?

Das ist eine schwierige Frage. Ich bin niemand, der sagt, in zehn Jahren muss ich das oder dieses Ziel erreicht haben. Ich mache das, worauf ich Lust habe, was mir Spaß macht. Und wenn das Karriere bedeutet, dass ich immer machen kann, was mich glücklich macht, was mich antreibt, wo ich was bewegen und verändern kann, dann ist mir Karriere wichtig, weil es natürlich auch ein Stück Freiheit gibt. Vor zwei, drei Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich überhaupt im Bundestag arbeiten würde, dass ich schon in einem Wahlkampf gearbeitet habe und so weiter. Ich will immer gut sein in dem, was ich mache, weil halbherzige Sachen nicht so meins sind.

Aber irgendwann für die SPD Regierungspolitik zu machen, zum Beispiel in einer Landesregierung in Schwerin, können Sie sich schon vorstellen, oder?

Ich kann mir das vorstellen, aber ich sage nicht, dass ich das unbedingt machen möchte. Ich bin gerade erst 19 Jahre alt geworden, habe mein Studium noch nicht mal im Ansatz beendet. Die Vergangenheit hat mir gezeigt, dass in fünf Jahren viel passieren kann. Ich halte mir alles offen, ich weiß es ehrlich gesagt noch nicht.

Nächstes Jahr wird in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt. Zuletzt lag die CDU in Umfragen vor der SPD. Dann kam die "Affäre Amthor". Was haben Sie gedacht, als Sie zum ersten Mal davon gehört haben?

Ich kann nicht sagen, dass ich enttäuscht war, denn dafür hätte ich ja vorher irgendetwas erwarten müssen. Aber ich finde es fahrlässig, wie jemand wie Philipp Amthor, der als Bundestagsabgeordneter eine Machtposition innehat, der viele junge Menschen erreicht und den viele Menschen kennen, was er für ein Vertrauen in die Politik verspielt und wie er auch unser Bundesland repräsentiert. Tagelang gab es nur negative Presse, auch für Mecklenburg-Vorpommern. Das muss man ihm vorwerfen. Und das muss man auch der CDU vorwerfen, sie hätte früher handeln müssen.

"Amthor wollte seine ganze Partei nach Strich und Faden verarschen"

Was meinen Sie?

Es war menschlich höchst fragwürdig, wie er sich bei der Landespressekonferenz breit grinsend hingestellt hat, als seine Gegenkandidatin um den CDU-Landesvorsitz, Katy Hoffmeister, ihren Rückzug verkündet hat. Denn er wurde bereits einen Tag vorher vom Spiegel mit den Vorwürfen gegen ihn konfrontiert, wusste also Bescheid. Frau Hoffmeister hat er nach Strich und Faden verarscht. Gleiches hatte er mit seiner ganzen Partei vor. Erschreckend, dass Teile der CDU-Führung bereit waren, ihn mit Täuschung, Salami-Taktik und halbgaren Entschuldigungen durchkommen zu lassen. Man sollte in der Politik ehrlich sein, den Menschen und sich selbst gegenüber, und seiner Partei sowieso. Dass bei der CDU Mecklenburg-Vorpommern ganz viel im Argen liegt, ist spätestens seit dem Rücktritt der Vize-Vorsitzenden Martina Liedtke kein Geheimnis mehr.

Frau Liedtke legte ihr Amt nieder, weil sie "noch in den Spiegel schauen können" möchte, wie sie selbst sagt. Was ist da bei CDU los?

Ich möchte ehrlich gesagt gar nicht wissen, was in dieser Partei alles los sein muss, wenn so etwas passiert. Ich bin keine Christdemokratin und kenne keine Einzelheiten. Ich war auch bei den betreffenden Vorstandssitzungen nicht dabei. Ich kann also nur vermuten, aber anscheinend gibt es noch genug alte Männer in der Partei, die nicht damit klar kommen, dass Frauen in Positionen kommen. Bei Katy Hoffmeister war das genau dasselbe. Das Karrierenetzwerk dort wird von Vätern und Söhnen geführt, und es geben immer noch dieselben Menschen den Ton an wie vor 25 Jahren. Dass diese Partei nicht Zukunft machen kann und auch nicht machen darf, dafür werden wir auch im nächsten Jahr kämpfen. Wir wollen an der Regierung bleiben, damit so ein Scherbenhaufen einer Partei nicht direkt den Ministerpräsidenten stellt.

Amthor wurde von Parteifreunden in Schutz genommen, er sei ja noch jung, lautete ein Argument. Nachvollziehbar?

Wer das auf das Alter schiebt, verkennt die Problematik. Amthor ist Jurist, er kennt sich natürlich auch mit den Spielregeln aus, die politisch, gesellschaftlich und auch juristisch gelten. Da braucht man sich nichts vormachen. Das ist nur eine riesige Ausrede, um ihn für die Zukunft zu schützen und sagen zu können, er werde daraus lernen. Daraus müssen auch Konsequenzen folgen! Er ist Bundestagsabgeordneter, das ist seine höchste Verpflichtung, und nicht, fragwürdigen Unternehmen aus Amerika irgendwelche Vorteile in der deutschen Politik zu verschaffen. Sollten sich die Vorwürfe nach einer juristischen Prüfung bewahrheiten, erwarte ich persönliche Schritte von ihm. Dann kann er auch nicht länger Abgeordneter bleiben. Wobei das Thema Korruption nun auch nichts ist, das in der CDU Mecklenburg-Vorpommern zum ersten Mal passiert. Die Wählerinnen und Wähler können sich im nächsten Jahr offen dafür oder dagegen entscheiden.

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