Bundeskanzler Olaf Scholz und Herausforderer Friedrich Merz haben ihr TV-Duell ausgetragen – und dabei die Rollen getauscht: Scholz greift an, Merz bleibt meistens staatsmännisch. Am Ende kann sich der Kanzler den Umfragen zufolge als knapper Sieger fühlen. Doch für eine Trendwende im Wahlkampf dürfte das nicht reichen.
Im Politik-Fernsehen werden Duelle bekanntlich mit Worten statt mit Waffen ausgetragen. Wer einen Treffer landen will, muss Sätze abfeuern, die hängen bleiben. Und ja, ein paar von diesen Sätzen lassen sich auch im TV-Duell finden, das Bundeskanzler
Von Tabubrüchen und Märchenschlössern
Schon zu Beginn tauschen die Kontrahenten sozusagen die Rollen. Amtsinhaber Scholz ist der Angreifer. Die Moderatorinnen
Am Ende wird es noch einmal hitzig. Merz kündigt an, den Haushalt vor allem mit mehr Wirtschaftswachstum sanieren zu wollen, statt mit größeren Schulden. "Was Sie hier vorgetragen haben, ist lächerlich", fährt Scholz ihn daraufhin an: Es gebe kein Wirtschaftswachstum, das 30 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr einbringe – zumindest nicht, wenn man nicht gleichzeitig bei der Modernisierung des Landes sparen wolle.
Streit um die Umsetzung, Einigkeit in vielen Zielen
Insgesamt kommen beide Kontrahenten aber weitgehend ohne persönliche Angriffe, ohne allzu große Polemik und Geschrei aus. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil spricht in der ARD-Sendung Carmen Miosga von einem "guten Duell in der demokratischen Mitte". Die manchmal scharfe Rhetorik überdeckt die inhaltlichen Schnittmengen von Scholz und Merz in vielen Punkten: Die beiden streiten zwar über die richtige Umsetzung der Politik. Woraus diese Politik bestehen muss, darin sind sie sich aber häufig einig.
Beide wollen die irreguläre Migration zurückdrängen. Beide wollen die Ukraine weiterhin militärisch unterstützen und auch deutlich mehr Geld für die Verteidigung Deutschlands ausgeben. Beide wollen der Wirtschaft auf die Sprünge helfen – und in Zukunft auf keinen Fall mit der AfD koalieren. Der Kommentator der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schreibt später, das Duell täusche einen Gegensatz vor, den es nicht gibt.
Eine politische Erkenntnis dieses Abends: Eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition im Bund dürfte nach der Bundestagswahl weiterhin die wahrscheinlichste Regierungskonstellation sein. Wer mehr Dissens auch über die großen Ziele der Politik sehen und diskutieren lassen will, kann sich schon auf das nächste TV-Format einrichten: Am Sonntag werden bei RTL nicht nur Scholz und Merz, sondern auch die Kanzlerkandidaten Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) aufeinandertreffen.
Beide Kontrahenten sind anders, als es die Vorurteile erwarten lassen
Viele Zuschauer bilden sich ihre Meinung über Gewinner und Verlierer vor allem auf Basis von Berichterstattung, Umfragen und Reaktionen nach dem eigentlichen Duell. Deswegen laufen die Parteimaschinerien an diesem Abend auf Hochtouren, deswegen schreiben sich Parteisoldatinnen und -soldaten in den sozialen Medien die Finger wund.
Von den eigenen Anhängern werden Scholz und Merz jeweils angefeuert, beklatscht und als Sieger ausgerufen. Die Parteien, die keinen Kombattanten ins Studio schicken durften, finden wiederum beide Duellanten enttäuschend und loben stattdessen ihr eigenes Personal. Eine Ausnahme macht Christian Lindner: 18 Kurznachrichten setzt der FDP-Vorsitzende während des Duells auf X ab. Meistens mit Häme für Scholz und Unterstützung für Merz.
Welche öffentliche Erzählung aber bleibt hängen von den 90 Minuten, die viele Zuschauer nicht in voller Aufmerksamkeit durchgestanden haben dürften? Was Stil und Auftreten angeht, lässt sich feststellen: Beide Kontrahenten haben Vorurteile nicht bestätigt.
Der sonst häufig trocken und leidenschaftslos wirkende Bundeskanzler zeigt sich an diesem Abend angriffslustig, schmunzelt häufig und wirkt erstaunlich gelöst angesichts der miesen Umfrageergebnisse. Merz dagegen gilt zwar als aufbrausend, hat sich an diesem Abend aber sichtlich im Griff, tritt reflektiert und präsidial auf. "Beide waren aus meiner Sicht in Bestform", sagt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte nach der Sendung im "Heute Journal".
Umfrage zum TV-Duell: Scholz knapp vorne
Dort präsentiert die "Forschungsgruppe Wahlen" auch erste repräsentative Umfrageergebnisse. Scholz hat demnach knapp die Nase vorn: 37 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich der amtierende Kanzler besser geschlagen hat – 34 Prozent fanden Merz überzeugender. Scholz punktet vor allem bei Frauen und jüngeren Wählern. In Sachen Glaubwürdigkeit und Sympathie liegt Scholz noch deutlicher vorne. Beim Sachverstand liegen beide Kandidaten gleichauf.
Auch diese Zahlen lassen sich unterschiedlich interpretieren. Angesichts seines Rückstands in den Umfragen kann Olaf Scholz mit diesen Zahlen zwar zufrieden sein. Doch das Rennen drehen lässt sich damit wohl nicht. Ohnehin verändern sich die Umfragewerte seit Wochen kaum. Um Bewegung in das Rennen zu bringen, hätte einer von beiden einen großen Patzer machen oder über sich hinauswachsen müssen. Beides ist am Sonntagabend nicht passiert.
Verwendete Quellen
- TV-Duell zur Bundestagswahl 2025
- zdf.de: Zuschauerbefragung: TV-Duell ohne klaren Sieger
- Faz.net: Das TV-Duell der Getriebenen
![JTI zertifiziert](https://s.uicdn.com/uimag/7.5711.0/assets/_sn_/module_assets/article/jti-z-light.png)
![JTI zertifiziert](https://s.uicdn.com/uimag/7.5711.0/assets/_sn_/module_assets/article/jti-z-dark.png)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.