Bevor die Sperrklausel 2024 kommt, kämpfen die Kleinparteien bei der Europawahl noch einmal um jede Stimme. Schon 0,6 Prozent der Wählerstimmen könnte Kleinparteien wie ödp, Tierschutz- oder Familienpartei einen Platz im Europaparlament sichern. Wir stellen die sieben Kleinparteien vor, die aussichtsreiche Chancen haben. Wer ist Spitzenkandidat und was sind die Forderungen?

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41 Parteien gehen bei der Europawahl an den Start. Wenn die Meinungsforschungsinstitute die Ergebnisse ihrer Sonntagsfrage veröffentlichen, schnellen aber meist nur sieben Balken in die Höhe.

Alles, was sich in puncto Wählergunst hinter Union, Grünen, SPD, AfD, Linken und FDP sammelt, wird als "Sonstige" zusammengefasst. Dahinter stecken Kleinparteien, die nur Stimmen im einstelligen Prozentbereich sammeln - wenn überhaupt!

Geringer Einfluss, der zu vernachlässigen ist? Oder gilt "Kleinvieh macht auch Mist"?

Bei der Europawahl 2019 fällt die Antwort ein letztes Mal zugunsten der Kleinparteien aus: 0,6 Prozent reichen, um ein Mandat zu holen - bei der Europawahl 2019 gibt es keine Sperrklausel, zumindest in Deutschland.

Letzte Chance vor Mindesthürde

Auch hier kommt aber 2024 die Mindesthürde zwischen zwei und fünf Prozent - die EU-Staaten haben die verpflichtende Einführung beschlossen. Sie gilt für Staaten, die mehr als 35 Abgeordnete entsenden. In vielen Ländern gibt es bereits Sperrklauseln, Deutschland und Spanien müssen ihr Wahlrecht ändern.

Der europäische Verhaltenskodex erlaubt das so kurzfristig nicht, daher greift die Sperrklausel erst 2024 und gibt vielen Kleinparteien eine letzte Chance auf den Einzug ins Europaparlament.

Ein Blick auf die Kleinparteien mit den aussichtsreichsten Chancen lohnt also umso mehr. Die folgenden Kleinparteien haben es 2014 schon einmal geschafft.

1. Freie Wähler

Die Freien Wähler bezeichnen sich selbst als wert-konservativ und bürgerlich-liberal. In Bayern koalieren sie mit der CSU, im Europaparlament gehören sie zur Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa.

Spitzenkandidatin ist Milchbäuerin und Ex-Landtagsabgeordnete Ulrike Müller (56). Bei der letzten Europawahl holten die Freien Wähler 1,5 Prozent, besonders stark sind sie in Bayern. "Insa" weist für die Freien Wähler aktuell 2,5 Prozent aus (Stand 10.05), im "Wahltrend" liegen sie bei 2.3 Prozent.

  • Kernziel: Die EU zum "Projekt der Bürger" machen, regionale Strukturen stärken, Bürokratie abbauen. Die innere Sicherheit soll durch verbesserte Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz gestärkt werden.
  • Außerdem: Ein Bekenntnis zur EU als Wertegemeinschaft mit christlich-abendländischer Kultur und jüdisch-humanistischen Wurzeln, EU-Erweiterungsstopp und Einführung von Asylzentren in Afrika.

2. Piratenpartei

Entstanden rund um Netzpolitik und Partizipation positionieren sich die Piraten mittlerweile auch zu Fragen der Nachhaltigkeit und Sozialpolitik. Fokus bleibt die Mitgestaltung der "Digitalen Revolution".

Sie bezeichnen sich als sozialliberale Bürgerrechtspartei, im Europaparlament gehört der (ausgetretene) Abgeordnete zur Fraktion der Grünen/Europäischen Freien Allianz.

Spitzenkandidat ist Jurist Patrick Breyer (42). 2014 erreichten die Piraten 1,4 Prozent der Stimmen, aktuell sieht "Insa" sie bei 1 Prozent, der Wahltrend bei 0,9 Prozent.

  • Kernziel: Mehr Bürgernähe, Transparenz und Datenschutz. Die Piraten wollen direkte Demokratie auf EU-Ebene, etwa durch elektronische Partizipationsmöglichkeiten. Sie fordern die Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten, ein verpflichtendes Lobbyregister sowie Whistleblower-Schutz.
  • Außerdem: Nachhaltigkeit durch einen Einsatz von Technologie und digitalen Lösungen

3. Tierschutzpartei

Die linksliberale Tierschutzpartei kämpft seit 1993 für konsequenten Umwelt- und Tierschutz. Dazu gehört eine Umstellung auf vegane Ernährung und tierlosen Landbau. Im Europaparlament gehört sie zur Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke.

Mittelstandsfachwirt Martin Buschmann (49), Politikwissenschaftler Robert Gabel (39) und Pädagogin Patricia Kopietz (36) gehen als Trio am 26.5 an den Start. 2014 erhielt die Partei 1,2 Prozent der Wählerstimmen, aktuell sieht Insa sie bei 1 Prozent, der Wahltrend bei 0,9 Prozent.

  • Kernziel: Tierrechte stärken durch die Anerkennung im Vertrag von Lissabon, mehr Geld für Tierschutz aus dem EU-Haushalt und eine europäische Tierschutzbehörde.
  • Außerdem: Kohleausstieg, bessere Bezahlung von sozialen Berufen, Reduzierung von Plastik und für ein Verbot von Waffenexporten.

4. NPD

Die rechtsextreme und deutschnationale NPD wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie vertritt Positionen, die Menschenwürde und freiheitliche Demokratie missachten und will den "Fortbestand des eigenen Volkes" sichern.

Spitzenkandidat ist Udo Voigt (67), seit 2014 Europaabgeordneter und zuletzt Bundeswehr-Hauptmann. Er wurde aufgrund seiner NPD-Mitgliedschaft nicht als Berufssoldat übernommen.

2014 landete die NPD bei 1 Prozent, aktuell weist "Insa" keine gesonderten Zahlen für die NPD aus, womit sie unter einem Prozent liegen dürfte.

  • Kernziel: Deutschland soll aus der EU austreten, D-Mark wieder einführen, Freizügigkeit und EU-Menschenrechtskonvention aufkündigen.
  • Außerdem: Nationale Grenzkontrollen und ein Zuwanderungs-Stopp

5. Familienpartei

Die Familienpartei sieht Familienpolitik als Grundlage aller Politikbereiche und verortet sich als Partei der Mitte mit christlichen Grundwerten. Im Europaparlament gehört sie zur Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer.

Spitzenkandidat ist Helmut Geuking (55), Amtsinspektor im Justizvollzugsdienst.

2014 erhielt die Familienpartei 0,7 Prozent der Stimmen. Aufgrund des geringen Stimmanteils weisen die Institute aktuell keine gesonderten Zahlen für die Familienpartei aus.

  • Kernziel: Die EU soll durch ein europäisches Kindergeld, sozialversicherungspflichtiges Erziehungsgehalt und stellvertretendes Wahlrecht der Eltern für ihre Kinder familienfreundlicher werden
  • Außerdem: Ein europäischer Rentenfonds, mehr Geburten in Europa und begrenzte Zuwanderung

6. Ödp

Historisch wurzelt die ökologisch-demokratische Partei in der Ökologiebewegung der 80er, programmatische Wurzeln zieht sie aus christlich-humanistischen Werten und einer Ethik der Verantwortung. Im Europaparlament gehört sie zur Fraktion der Grünen/Freien Europäischen Allianz.

Physiker Klaus Buchner (78) kandidiert als Spitzenkandidat - 2014 erhielt die ödp 0,6 Prozent der Stimmen. Diesmal könnte sie überraschen - laut "BR" liegt die Kleinpartei in Bayern bei 4 Prozent. Dort bescherte das Volksbegehren "Rettet die Bienen" der Partei viel Aufmerksamkeit.

  • Kernziel: Eine regionalere, nachhaltigere und bürgernähere EU. Forderung: Kennzeichnung des ökologischen Fußabdrucks auf allen Waren und sofortiger Ausstieg aus Kernkraft und Kohleverstromung.
  • Außerdem: EU-weite Volksabstimmungen, europaweite Mindestbesteuerung für Unternehmen und Honorierung elterlicher Erziehungsleistung.

7. Die Partei

Die Partei ist eine Satirepartei und wurde 2004 von Redakteuren des Magazins Titanic gegründet. Das Spaß-Projekt gibt sich populistisch und antifaschistisch, 2009 wurde es wegen Zweifeln an der Seriosität nicht zur Bundestagswahl zugelassen.

Spitzenkandidat ist Journalist Martin Sonneborn (53). "Insa" und "Wahltrend" sehen Die Partei bei 1,5 und 1,4 Prozent. 2014 erhielt sie 0,6 Prozent der Stimmen.

  • Kernziel: Auf der Partei-Website findet sich ein "Wahlprogramm-Generator", mit dem man sich sein eigenes Programm zusammenstellen kann – um so bürgernah wie möglich zu sein.
  • Außerdem: Um der AfD Wähler abjagen hat die Partei Kandidaten mit Nachnamen bekannter Nazis wie Göbbels und Heß aufgestellt.

Verwendete Quellen:

  • www.wahlrecht.de: "Sonntagsfrage - Europawahl"
  • www.dawum.de: "Neueste Wahlumfragen im Wahltrend zur Europawahl"
  • www.br.de: "Minus für CSU und Co. - Plus für die ÖDP im BayernTrend"
  • www.wahlrecht.de: "Wahlsysteme in den EU-Mitgliedstaaten"
  • Webseiten der Parteien
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