Trotz kollektiven Schocks über das Erstarken der AfD lassen die drei Landtagswahlen auch Rückenwind für die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel erkennen. Gewonnen haben diejenigen Ministerpräsidenten, die sich eindeutig für die Kanzlerin ausgesprochen haben. Wer sich dagegen nach rechts absetzte, unklar blieb und lavierte - hat verloren. Was dieser Wahlausgang nun bedeutet.

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Rückblende auf den Wahlkampf in Rheinland-Pfalz und ein interessantes TV-Duell. Das Urteil über die Kanzlerin fiel eindeutig aus.

"Angela Merkel hat absolut recht, wir brauchen eine europäische Lösung in der Flüchtlingskrise", sagte Malu Dreyer - und mit Blick auf ihre rheinland-pfälzische CDU-Konkurrentin Julia Klöckner, "ich fürchte, dass sie da nicht so ganz klar ist".

Julia Klöckner wird abgestraft

Klöckner hatte sich mitten im Wahlkampf von Merkels Flüchtlingspolitik abgesetzt. Mit der absurden Formulierung eines "Plan A2", der eigentlich ein "Plan B" war, griff sie die Kanzlerin frontal an - und wurde dafür vom Wähler abgestraft.

Noch vor einem Jahr durfte sich Klöckner realistische Chancen auf eine Machtübernahme in Rheinland-Pfalz machen, am Ende lag die SPD mit 36,2 Prozent überraschend deutlich vor der CDU mit 31,8 Prozent.

Das klare Bekenntnis zu offenen Grenzen und einer europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage hat offensichtlich dem Wahlerfolg nicht geschadet.

Auch ein Anderer, der im Wahlkampf ganz klar hinter der Kanzlerin stand, darf sich freuen. Winfried Kretschmann hatte öffentlich erklärt dass er dafür bete, "dass Merkel gesund bleibt". Nur dann könne sie ihre Politik in der Flüchtlingsfrage weiter fortsetzen.

Sein CDU-Herausforderer Guido Wolf übte sich dagegen in einer vorsichtigen Absetzung von seiner Parteivorsitzenden. Gemeinsam mit Julia Klöckner forderte er in einem Brief Tageskontingente für Schutz suchende Menschen und einen möglichen nationalen Alleingang. Und wie Julia Klöckner wurde er von den Wählern abgestraft.

Mit Rückendeckung für Merkel die CDU besiegt

Mit 27 Prozent lag die jahrzehntelange Regierungspartei deutlich hinter den Grünen, die mit 30,3 Prozent und einem "Ja" zu Merkels Flüchtlingspolitik stärkste Kraft im Land geworden sind.


Und Sachsen-Anhalt? Wie schwer es in diesem Bundesland sein muss, gegen die AfD zu argumentieren, wurde deutlich, als Ministerpräsident Reiner Haseloff am Wahlabend von ARD-Moderatorin Caren Miosga in den "Tagesthemen" interviewt wurde.

Kaum verholen kritisierte der CDU-Mann dort die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Nach den Ereignissen von Köln seien die Wähler "massenhaft" zur AfD übergelaufen. Die Ostdeutschen hätten sich gesagt, "so etwas wollen wir hier nicht". Darauf müsse man jetzt reagieren.

Eine Distanzierung von der queren These einer Islamisierung ausgerechnet in Regionen, in denen man eher Neo-Nazi antrifft als Mitbürger mit Migrationshintergrund, war von Haselhoff nicht zu bekommen. Ein fatales Signal in einem Land, in dem laut ARD-Deutschlandtrend 67 Prozent aller Wähler Angst haben, "dass der Islam zu stark wird".

Die Realität sieht schließlich anders aus: In keinem anderen Bundesland leben so wenig ausländische Mitbürger wie in Sachsen-Anhalt. Auch in die AfD-Medienschelte stimmte Haseloff mit ein. Die Medien seien "nicht unschuldig" an der Gesamtsituation, "wenn ich an die Ereignisse an der Jahreswende denke".

Die etablierten Parteien seien jetzt aufgerufen, das Problem zu lösen. Mit Problem meint er die Flüchtlingssituation, für die er sich einen anderen, einen "sachsen-anhaltinischen Weg" wünscht.

Mit seinen Forderungen hat Haselhof nicht nur Verluste von 2,7 Prozent für die CDU hinnehmen müssen, die nur noch auf 29,8 Prozent der Stimmen kommt. Es spricht auch vieles dafür, dass er mit Aussagen im Vorfeld der Wahl ("Wir haben hier momentan einen Kontrollverlust, der nicht länger hinnehmbar ist.") mit dazu beigetragen hat, die AfD in Sachsen-Anhalt hoffähig zu machen.

AfD hat in Sachsen-Anhalt 24,2 Prozent der Stimmen

Die zog zwar in alle drei Landesparlamente ein, aber erreichte mit 24,2 Prozent nirgendwo sonst so viele Stimmen, wie in dem Land, in dem sich der Amtsinhaber klar von der Politik der Bundeskanzlerin distanzierte.

Ein Wettlauf mit den Rechtspopulisten ist nicht zu gewinnen, das zeigt das Beispiel Sachsen-Anhalt exemplarisch. Wer sich der AfD argumentativ annähert, verliert - vor allem, wenn das erkennbar aus taktischen Gründen passiert. Die AfD dagegen speist ihren Wähler-Zufluss zu einem großen Teil aus Enttäuschten.

Mehr als jeder dritte Wähler in Sachsen-Anhalt war zuvor ein Nichtwähler, der Rest kommt von den etablierten Parteien. Von denen verliert die Haselhof-CDU mit 38.000 Stimmen mit Abstand am meisten an die AfD.

So zeigen diese drei Wahlen vor allem eines, "wer laviert, verliert", wie es der ARD-Zahlen-Mann Jörg Schönenborn gestern Abend formulierte.

Die Wähler haben in der großen Mehrheit demonstrative Kritik an Angela Merkel nicht honoriert - und diejenigen Ministerpräsidenten gestärkt, die sich demonstrativ hinter die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin stellten.

Dass das ausgerechnet diejenigen waren, die nicht in ihrer Partei sind, muss der Kanzlerin Sorgen machen, ist aber eher ein Problem innerhalb der CDU, die nach wie vor als gespaltene Kraft in der Flüchtlingsfrage agiert.

Denn es gibt in Deutschland längst eine große Koalition für Merkels Politik, wie es die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Abend in der Talk-Sendung "Anne Will" betonte.

"Sechzig bis neunzig Prozent der in die Landtage gewählten Parteien sind für eine europäische Lösung", sagte die Verteidigungsministerin.

Da fallen die Abweichler in der eigenen Partei nicht wirklich ins Gewicht, meinte man zu hören - aber das sagte die Verteidigungsministerin nicht.


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