#HotGirlsForBernie – heiße Mädchen für Bernie: Unter diesem Hashtag machen derzeit auch prominente Models auf dem Informationsdienst Twitter publik, dass sie den linken Senator Bernie Sanders gerne als Präsidentschaftskandidat der Demokraten sehen würden. Wahlkampf in den USA ist anders – ein Experte erklärt, warum er von Hollywood und "Infotainment" geprägt ist.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Eine Polit-Kampagne "Heiße Girls für Olaf Scholz" käme beim deutschen Wähler wohl ein bisschen peinlich rüber. Doch Deutschland ist in vielerlei Hinsicht nicht mit den USA zu vergleichen. Nach Meinung von Tobias Endler, Politikwissenschaftler und USA-Experte an der Universität Heidelberg, zeigt sich auch im Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur eine "andere politische Kultur" in den USA.

Zunächst macht die Kampagne deutlich, dass der linksorientierte Sanders nicht nur bei der schwarzen Wählerschaft punkten kann, sondern, "dass er bei Frauen genauso gut ankommt wie bei Männern", wie das Nachrichtenportal Vox schreibt. Außerdem zeige Sanders, dass er die wichtige Rolle der sozialen Medien erkannt habe: "Twitter, Instagram, TikTok, YouTube und besonders Facebook haben wachsenden Einfluss auf die Wahlen in Amerika".

Prominente wie das Modell Emily Ratajkowski sind "Zugpferde" bei solchen Aktionen – ihnen folgen auch bei #HotGirlsForBernie schnell "ganz normale" Frauen, die unter dem Banner "heißen Mädchen" ihre politische Sympathie für Sanders outen. "Das ist wichtig für Sanders", sagt Experte Endler. "Er weiß, dass er zurecht als alter, weißer Mann gilt. Er muss sich um Jung- und Erstwähler bemühen, sonst ist der Zug für ihn abgefahren."

Vom Wrestler zum Gouverneur, vom Schauspieler zum Präsidenten

Deutsche Wähler würden sich von Schlagerstar Florian Silbereisen wohl kaum in eine Wahlkampagne einspannen lassen. "Doch die Silbereisens der USA haben einen anderen Status", erklärt Experte Endler. Dort gelte, dass Erfolg und Reichtum "richtige Einstellung" zeigen, der man nacheifern sollte. "Das ist in Amerika viel mehr als nur ein Klischee: Erfolg gilt als übertragbar von einer Branche auf eine völlig andere."

Beispiele gibt es dafür genug in der amerikanischen Politik. Etwa Arnold Schwarzenegger: "Sein Leben", sagt Endler, "ist eine einzige Erfolgsgeschichte, was das berufliche angeht". Als Bodybuilder und Filmstar ("Terminator") kam er zu Berühmtheit und Reichtum, anschließend wurde er auch noch mächtig und einflussreich – von 2003 bis 2011 als Gouverneur von Kalifornien.

So liefert er, wie Wikipedia schreibt, ein "Paradebeispiel dafür, den 'amerikanischen Traum' zu leben." Oder Jesse Ventura, der es vom Profi-Wrestler zum Schauspieler und Moderator schaffte und schließlich, von 1999 bis 2003, zum Gouverneur von Minnesota.

Der Image- und Rollenwechsel vom Schauspieler zum Politiker werde in den USA leichter akzeptiert als bei uns, sagt Endler. Die "Ochsentour durch die Politik", die bei uns etwa vom Kreisverband einer Partei über die Landespolitik zu einem Platz im Bundestag und erst dann zu Regierungsämtern führt, sei in den USA nicht immer nötig. Auch Donald Trump sei "in erster Linie Präsident und Selfmade-Mann und dann erst Republikaner".

Information wurde zur Show

Dass solche Karrieren in den USA gelingen, hat nicht nur mit von Reichen und Prominenten zu tun. Auch die Rolle der Medien ist in den USA eine andere. Die meisten Rundfunkanstalten dort sind in privater Hand und deshalb extrem profitorientiert.

Sie sähen sich, erklärt Endler, "als Brücke zwischen Information und Unterhaltung". Für diese Verknüpfung entstand in den USA der Begriff "Infotainment".

Weil Prominente wie Models und Sportler das Publikum anziehen, werden sie von den Sendern als Sprecher und Moderatoren engagiert. Auch auf diese Weise kommen Showbusiness und Politik zusammen. Und in dieser Praxis, so Endler, "sehen vielen Amerikaner nicht unbedingt einen Qualitätsmangel."

Selbst für renommierte Zeitungen wie die New York Times (NYT) ist es üblich, dass sie sich offen für bestimmte Kandidaten aussprechen. "Die NYT", so Endler, "hat schon vor Monaten für die Demokratinnen Elizabeth Warren und Amy Klobuchar geworben. Sie sagte ganz offen: Das sind unsere Favoriten, wählt die! Und nun, da die beiden aus dem Wahlkampf ausgeschieden sind, wird sich die Zeitung auf einen anderen Kandidaten festlegen."

Das war nicht immer so. Früher galt in den USA die so genannte "Fairness-Doktrin", die Medien zu Ausgewogenheit verpflichtet. Abgeschafft wurde sie 1987 unter Präsident Ronald Reagan, der vor seinem Einstieg in die Politik als Schauspieler Karriere gemacht hatte. Nicht zuletzt das Ende der Fairness-Verpflichtung ermöglichte den rasanten Aufstieg des rechten Senders "Fox News" – dem bevorzugten Informationskanal von Donald Trump, Republikaner wie Reagan.

Ein großes Land braucht laute Botschaften

Nicht nur in den Rollen von Medien und Prominenten unterscheiden sich die USA von Deutschland. Eine wichtige Bedeutung habe, meint Tobias Endler, die Größe des Landes.

"Die USA haben die Ausmaße eines Kontinents", betont er, "allein der Bundesstaat Texas ist größer als Frankreich und die Beneluxstaaten zusammen." Um Aufmerksamkeit zu erreichen, müsse man in einem Land von solchen Dimen­si­o­nen andere Wege gehen: "Man braucht laute Botschaften und man muss Verstärker für diese Botschaften haben".

Als Verstärker dienen Prominente wie die Sängerin Ariana Grande (26), die sich schon seit dem vergangenen Jahr offiziell für Bernie Sanders einsetzt. Oder Modell Emily Ratajkowski von den #HotGirlsForBernie. Oder die Rapper von "Public Enemy".

Sie alle sorgen dafür, dass Sanders als "Favorit der Popstars" bekannt wurde, wie der Deutschlandfunk berichtete.

Allerdings könne diese Art von Unterstützung auch "nach hinten losgehen", meint USA-Experte Endler: Bei Bewohnern des ländlichen Texas etwa komme es beispielsweise nicht gut an, wenn Sanders-Anhänger ihnen Umweltschutz predigen. "Für diese Menschen sind Hollywood und New York eine andere, sehr privilegierte Welt".

Prominente Unterstützung führe oft zu noch vehementerer Ablehnung von Sanders‘ Ideen. Und dagegen helfen auch die hübschen "GirlsForBernie" nicht.

"Demokratischer Sozialist": Bernie Sanders im Portrait

Er könnte Donald Trump herausfordern: Bernie Sanders mausert sich zum ernstzunehmenden Bewerber der Demokraten bei der US-Präsidentschaftsvorwahl. © ProSiebenSat.1
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.