Sind Enteignungen ein probates Mittel im Kampf gegen die Wohnungsnot? Die Initiatoren eines Volksbegehrens haben eine hitzige Diskussion entfacht.
Wegen mangelnden Wohnraums und rasant steigender Mietpreise in deutschen Großstädten ist in Berlin am Wochenende ein Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne gestartet.
Die Initiatoren haben eine heftige Debatte über den Sinn einer solchen Maßnahme losgetreten. Kaum hat die Sammlung von Unterschriften begonnen, fahren die Gegner verbal schwere Geschütze auf. Ein Überblick über die Stimmen aus den im Bundestag vertretenen Parteien:
Union
Bundeskanzlerin
Auch für CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sind Enteignungen keine Option. Umso erzürnter ist er, dass die Grünen dieses Mittel nicht völlig ausschließen. Er sei "fassungslos darüber, dass jetzt die Maske gefallen ist." Die Grünen seien "nicht die nette bürgerliche Partei", sondern "die alten Grünen" mit Konzepten aus der Mottenkiste.
Bundeswirtschaftsminister
SPD
Sie verstehe "die Wut auf Wohnungskonzerne, die jeden Cent aus den Mietern rauspressen wollen", sagte SPD-Chefin Andrea Nahles der "Bild am Sonntag". "Aber Enteignung dauert Jahre und schafft keine einzige Wohnung."
Hingegen schloss der SPD-Linke Ralf Stegner "Enteignungen als letztes Mittel" nicht aus. "Es gibt teilweise halbkriminelles Verhalten, bei dem die Not der Mieter ausgenutzt wird. In diesen Fällen muss der Staat Handlungsfähigkeit beweisen", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Gerade im linken Flügel der SPD hat die Idee Unterstützer, wie ein Tweet der Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis zeigt: "Wer will, dass die Immobilienhaie nicht immer fetter werden, muss auch an Enteignung denken!"
Grüne
Grünen-Chef Robert Habeck will "notfalls" Enteignungen folgen lassen, sofern es Kommunen nicht mit anderen Maßnahmen gelingt, neue Sozialwohnungen zu errichten. Das Grundgesetz sehe solche Enteignungen zum Allgemeinwohl grundsätzlich vor, sagte er der "Welt am Sonntag". "Es wäre doch absurd, wenn wir das nur anwenden, um neue Autobahnen zu bauen, aber nicht, um gegen die grassierende Wohnungsnot vorzugehen."
Sven Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, schlägt auf Twitter in die gleiche Kerbe: "Wenn es darum geht, neue überflüssige Autobahnen durchzudrücken, haben CDU, CSU und FDP überhaupt nichts dagegen, Privatleute und Bauern zu enteignen. Wenn es um die Enteignung großer Konzerne geht, die ihre Marktmacht missbrauchen, heulen sie laut auf."
Linke
Linken-Chefin
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Caren Lay sprang Kipping auf Twitter bei: "Wo blieb der Aufschrei bei der Enteignung von Hartz-IV-Betroffenen durch zu geringe Kdu [Kosten der Unterkunft; Anm. d. Red.], bei der Enteignung der städtischen Mittelschichten durch den Mietenwahnsinn?"
FPD
FDP-Chef Christian Lindner sagte der "Rheinischen Post", "gegen steigende Mieten helfen nur mehr Wohnungen und nicht DDR-Ideen". Enteignungen würden alle privaten Investitionen in Wohnungen verschrecken und die Eigentumsgarantie der Verfassung beschädigen.
Michael Theurer, Vize der Bundestagsfraktion, kritisierte Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU), der sich zur Frage möglicher Enteignungen "wegducke". Seehofer müsse "endlich seinen Job machen und die notwendigen Rahmenbedingungen zum Bau von mehr und kostengünstigen Wohnungen schaffen".
AfD
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel erklärte am Sonntag, offenbar seien die Grünen "gerade auf dem Weg von der Verbotspartei in den Betonkommunismus".
Leif-Erik Holm, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, warb auf Twitter für "vernünftige Lösungen". Der Staat müsse mehr Bauland ausweisen, höhere Häuser ermöglichen und für mehr Sozialwohnungen sorgen. (mcf/dpa/afp)
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