Friedrich Merz hat sein Schicksal als CDU-Chef daran geknüpft: Mit der AfD wird seine Partei nicht zusammenarbeiten. Jetzt will sie aber Anträge durch den Bundestag bringen, für die wohl die AfD stimmen wird. Mitten im Wahlkampf kocht einmal mehr die Debatte über die Brandmauer der CDU hoch.
Unionskanzlerkandidat und CDU-Parteichef
Die AfD wiederum hat ihr Werben für eine Zusammenarbeit mit der Union nun noch einmal verstärkt und jubelt schon über das Ende der "Brandmauer." Mit einer möglichen Tolerierung einer AfD-Zustimmung für seine Pläne in der Migrationspolitik sorgt Merz nun für Kritik.
Auch weil er erst vor kurzem in den ARD-"Tagesthemen" bekräftigte: "Wir arbeiten nicht mit einer Partei zusammen, die ausländerfeindlich ist, die antisemitisch ist, die Rechtsradikale in ihren Reihen, die Kriminelle in ihren Reihen hält, eine Partei, die mit Russland liebäugelt und aus der Nato und der Europäischen Union austreten will." Er stehe mit seinem Wort dafür, halte das und knüpfe sein Schicksal als Parteivorsitzender an diese Antwort.
Vermutlich auch unter den eigenen Anhängern dürfte es nicht unbedingt gut ankommen, dass Merz jetzt bereit ist, Anträge mit Stimmen der AfD durch den Bundestag zu bringen. Knapp zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) im aktuellen ZDF-"Politbarometer" finden es richtig, dass die CDU eine politische Zusammenarbeit mit der AfD grundsätzlich ablehnt, 32 Prozent finden es nicht richtig. Die CDU/CSU-Anhänger unterstützen mit großer Mehrheit von 73 Prozent den strikten Abgrenzungskurs.
Allerdings kooperierten die Christdemokraten auf Landes- oder Lokalebene bereits mit der in Teilen rechtsextremen Partei. Ein Überblick zur Beschlusslage in der CDU und dem Umgang mit der AfD.
Unvereinbarkeitsbeschluss
Der CDU-Bundesparteitag fasste 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit Blick auf die AfD. Die CDU lehne "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" ab, hieß es damals.
Nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) durch einen Rechtsextremen im Juni 2019 bekräftigte der Bundesvorstand die Unvereinbarkeit: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet", hieß es damals. "Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab."
Wahl Kemmerichs
Für Turbulenzen sorgte dann im Februar 2020 die Wahl des FDP-Politikers
"Obwohl es die CDU strikt ablehnt, mit der AfD und der Linken zusammenzuarbeiten, kommt es auf kommunaler Ebene vereinzelt zu solchen Formen der Zusammenarbeit", hieß es dann in einer im Februar 2000 veröffentlichten Zusammenfassung der CDU-Position. "Wo es möglich ist, geht die CDU dagegen vor."
Parteiausschluss von Max Otte
Der damalige CDU-Chef Armin Laschet lehnte zuerst ein Parteiausschlussverfahren gegen den AfD-nahen neuen Chef der konservativen Werteunion, Max Otte, ab. Der Werteunion gehörten damals mehrere tausend Unions-Mitglieder an.
Merz zeigte sich vor seiner Wahl zum CDU-Vorsitzenden kategorisch: "Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben", sagte er im Dezember 2021. Für Landesverbände "vor allem im Osten" gebe es eine "glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an."
Kurz vor Merz' Amtsübernahme schloss die CDU im Januar 2022 Otte mit sofortiger Wirkung vorläufig aus der Partei aus und leitete ein Ausschlussverfahren ein. Im Februar 2023 wurde auch der Ausschluss des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen eingeleitet. Im Januar 2024 trat Maaßen dann selbst aus der CDU aus - um im Anschluss die Werteunion als Partei mitzugründen.
Kooperationen auf Landes- und regionaler Ebene
Für Aufmerksamkeit sorgte Merz im Juli 2023 mit Äußerungen, wonach Kontakte von CDU und AfD auf lokaler Ebene möglich seien. Es müsse "in den Kommunalparlamenten nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, den Landkreis gestaltet", sagte Merz. Nach scharfer Kritik sah sich der CDU-Chef aber gezwungen, seine Äußerungen klarzustellen: "Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben."
Abseits der Bundespolitik kam es trotzdem immer wieder zu Kooperationen der beiden Parteien. So stimmte die CDU im September 2023 im Thüringer Landtag mit der FDP und der AfD für eine Senkung der Gewerbesteuer. In Dresden schlossen sich CDU-Politiker im März einem AfD-Antrag zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete an.
Auf kommunaler Ebene gibt es zahlreiche weitere Beispiele. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung zählt in den ostdeutschen Landkreisen und kreisfreien Städten seit 2019 fast 500 Kooperationen von AfD und anderen Parteien – auch mit der CDU.
Wahl von AfD-Politiker in Geheimdienstgremium in Sachsen
Mitte Januar wählten im sächsischen Landtag CDU-Abgeordnete den AfD-Politiker Carsten Hütter in die Parlamentarische Kontrollkommission. Das Gremium kontrolliert unter anderem den Verfassungsschutz des Landes, welcher den AfD-Landesverband als gesichert rechtsextrem einstufte. (afp/dpa/bearbeitet von thp)
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