München - Es geht um Rache, Ghostwriter und Rufmord: Vor dem Amtsgericht München hat ein skurriler Prozess um falsche Plagiatsvorwürfe begonnen.
Der Angeklagte soll die höchst aufwendige Fälschung eines kompletten wissenschaftlichen Buches beauftragt haben. Das Ziel: Plagiate in der Doktorarbeit eines renommierten Rechtsmediziners "nachzuweisen", um diesen zu diskreditieren.
Dem 70-Jährigen wird deshalb unter anderem Urkundenfälschung und Verleumdung vorgeworfen. Doch obwohl der Fall so spannend klingt, begann der Prozess ausgesprochen zäh mit zahlreichen Unterbrechungen und juristischen Scharmützeln. Die Verteidigung des Angeklagten stellte unter anderem einen Befangenheitsantrag gegen das Schöffengericht, dessen Zuständigkeit sie zudem in Abrede stellte, und forderte die Ablösung der Staatsanwältin wegen vermeintlich mangelnder Objektivität.
Wissenschaftlichen Sammelband gefälscht
Laut Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagte bei Ghostwritern die Herstellung eines vermeintlich wissenschaftlichen Sammelbands aus dem Jahr 1982 zu einem rumänischen Medizinerkongress beauftragt und darin gezielt Passagen aus der Doktorarbeit des Rechtsmediziners eingebaut. So habe der Eindruck entstehen sollen, der heutige Leiter des rechtsmedizinischen Instituts der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, Matthias Graw, habe für seine Dissertation abgeschrieben.
Eigens gedruckte Exemplare des Bandes ließ der Angeklagte - selbst Träger zweier Doktortitel - den Ermittlungen zufolge dann auf einer Auktionsplattform im Internet versteigern. Zudem beauftragte er Plagiatsjäger, die er explizit auf das Buch hinwies. Diese gingen am Ende mit ihren Ergebnissen eines vermeintlichen Plagiatsskandals an die Öffentlichkeit und informierten die Universität Hamburg, die ein Prüfverfahren einleitete.
Prozessbeginn am Geburtstag
Dass man bei seinem Job als Gutachter häufig unbeliebt sei, das sei klar, sagte Graw der Deutschen Presse-Agentur nach dem ersten Prozesstag, an dem er zudem seinen 65. Geburtstag feierte. Aber ein solcher Aufwand? "Das hätte ich mir vorher nicht vorstellen können."
Dennoch sei er sich sehr schnell sicher gewesen, dass die massiven Vorwürfe haltlos seien. Und in der Tat stellte die Uni Hamburg das Prüfverfahren rasch ein - mit einer überraschenden Wendung: Sie bewertete den Sammelband als Fälschung.
Motiv Rache für eine angeordnete Obduktion?
Als Motiv des Angeklagten, der sich vor Gericht zunächst nicht zu den Vorwürfen äußerte, vermutet die Staatsanwaltschaft Rache. Er habe sich am Rechtsmedizinischen Institut dafür rächen wollen, dass seine Mutter nach ihrem Tod im Jahr 2020 gegen seinen Willen obduziert worden war.
Die Staatsanwaltschaft hatte damals Ermittlungen aufgenommen, um zu klären, woran die Frau gestorben war. Diese Ermittlungen wurden nach Angaben einer Sprecherin der Behörde allerdings schon 2021 eingestellt.
Ob die Annahmen der Anklage zutreffen, blieb am ersten Prozesstag offen. Einer angebotenen Verständigung, bei der dem Angeklagten eine Bewährungsstrafe im Gegenzug für ein Geständnis in Aussicht gestellt wurde, stimmten die Verteidiger nicht zu. Auch gegen die Vernehmung des ermittelnden Polizisten legten sie Widerspruch ein.
Dieser sagte dennoch aus und berichtete unter anderem, dass er auf dem Computer des Angeklagten entsprechende Dokumente gesichert habe. Für den Mann gilt bis zu einer Verurteilung die Unschuldsvermutung. Das Urteil könnte nach fünf Verhandlungstagen am 6. Februar fallen. © Deutsche Presse-Agentur
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