Wozu Mitfahrbänke gut sind: An manchen Ortsdurchfahrten stehen Mitfahrbänke – so auch an der Ortsdurchfahrt in Ober-Hörgern. Diese dienen im Zweifel nicht nur der Mobilität, denn sie können auch zur Frustration führen.

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Sie steht dort bei Wind und Wetter. Tags und nachts und zu jeder Jahreszeit. So wie das Männlein im Walde, nur strahlt sie in Gelb und nicht in Purpur. Sofern sie nicht schon etwas mitgenommen aussieht wie jenes Musterbeispiel in Ober-Hörgern.

In diesem Stadtteil von Münzenberg steht eine Mitfahrbank an der nördlichen Seite der Ortsdurchfahrt. Wer von Lich oder der Autobahn 45 aus in das Dorf hineinfährt, sieht sie etwas mehr als hundert Meter vor dem Ortsausgang rechter Hand.

Aufmerksame Fahrer mit einem halben Auge für das Umfeld sehen auch das Schild über der Bank. Ebenfalls in Gelb gehalten, ragt es gut über Kopfhöhe in den Gehweg hinein. Darunter kann zum Beispiel sitzen, wer gerade den Bus verpasst hat. Oder jemand, der per Anhalter fahren möchte, aber ohne Daumen im Wind. So hieß eine frühe Schallplatte von Udo Lindenberg, aber das nur nebenbei.

Ein Schild zur Fahrtrichtung

Auf dem Schild steht oben "Mitfahrbank" und darunter "Gambach/Butzbach". Das könnte bei Ortsunkundigen zu leichter Verwirrung führen, wenn sie zuvor das Schild an der Einfahrt ins Dorf gelesen haben. Ist da nicht von Ober-Hörgern die Rede? Doch. Denn "Gambach/Butzbach" steht keineswegs für eine Ortsangabe. Vielmehr gibt es die Fahrtrichtung an und die Ziele, die ein möglicher Mitfahrer im Sinn hat. Das liegt im Wortsinn nahe. Schließlich folgt auf Ober-Hörgern in westlicher Richtung eben Gambach und danach Butzbach. Dessen auf dem Weg liegender Stadtteil Griedel inklusive.

Ein Musterbeispiel ist die Mitfahrbank in diesem Ort deshalb, weil sie lange Zeit die einzige ihrer Art in einem weiteren Umkreis war. So hieß es jedenfalls vor fünf Jahren in Florstadt. Die dortige Verwaltung kannte nur sie, als gleich sechs Mitfahrbänke für die Kommune auf den Weg gebracht wurden. Übrigens nach einer hitzigen Debatte in der Stadtverordnetenversammlung, wie Chronisten vermerkt haben. Die Stadt schaffte die Bänke dennoch an, und der damalige Bürgermeister Herbert Unger (SPD) nahm persönlich auf einer davon Platz, sozusagen zur offiziellen Inbetriebnahme.

Unger gab Interessierten gleich mit auf den Weg, die Neuerung sei eine gute Ergänzung zum öffentlichen Personennahverkehr, der in den einzelnen Stadtteilen unterschiedlich ausgeprägt sei. Zudem böten die Bänke Menschen ohne Führerschein und Auto ebenso wie autolosen Senioren mehr Freiheit und Flexibilität, ihren Alltag zu gestalten und aus ihrem Dorf zum Nachbarort zu kommen. Nette Zufallsbekanntschaften aufgrund der gelegentlichen Beifahrerrolle, wäre noch anzumerken. So weit die Theorie.

Einen möglichen Beifahrer als solchen zu erkennen setzt dessen Sichtbarkeit voraus. Diese aber ist etwa in Ober-Hörgern oft nicht gegeben. Denn Autofahrer stellen gerne Fahrzeuge vor und hinter der Bank ab und ziemlich nah dran überdies. Da kann es zu einer argen Geduldsprobe werden, sitzend auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Im Zweifel dauert sie so lange, bis der nächste Bus kommt, sofern der oder die Wartende nicht genervt ein Taxi gerufen oder einen Spaziergang entlang der Straße nach Butzbach gewählt hat.

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Aber wie sagte der damalige Florstädter Bürgermeister: "Die Bänke kann man natürlich auch einfach nur als Ruhebank in Anspruch nehmen, auch wenn das nicht der eigentliche Sinn und Zweck dieser innovativen Anschaffung ist."  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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