Tram-EM in Frankfurt: Bei der Tram-EM sind Fingerspitzengefühl, Schnelligkeit und Geduld gefragt. Die Veranstaltung lockt Menschen aus ganz Europa nach Frankfurt.

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Mit einer sanften Bewegung am Sollwertgeber stellt Jennifer Gebel die Bremsstärke ein. Wenige Sekunden später stoppt die Straßenbahn vor der Schranke auf dem Willy-Brandt-Platz, allerdings ein paar Meter zu früh. Das bedeutet null Punkte von 500 für das Team der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF) bei der Tram-EM. Nach sechs Disziplinen auf dem rund 170 Meter langen Parcours stehen nur 700 von 3000 Punkten auf der Anzeigetafel. Der Zeitbonus bringt weitere 200 Zähler ein.

Zwar ist an diesem Samstagvormittag gegen 11 Uhr nur der erste von zwei Läufen absolviert, doch um Gold werden Gebel und Benedikt Pfaff mit 900 Punkten nicht mehr fahren. Das scheint bereits zu diesem Zeitpunkt klar zu sein. Der Titel geht dann auch am Abend an das Team aus Budapest. Für das Duo des Gastgebers VGF reicht es nur zu Rang 16.

Dabei fing der erste Durchgang mit 400 Punkten nach der ersten Aufgabe vielversprechend an. Für die elfte Auflage der Tram-EM, die 2012 in Dresden Premiere feierte, hat der Veranstalter eine neue Disziplin entwickelt. Beim "Stop and Go" ist an der Straßenbahn ein mit Wasser befüllter Behälter angebracht. Dreimal müssen die Fahrer die Tram in Bewegung setzen und wieder zum Stehen bringen. Je weniger Flüssigkeit bei diesem Balanceakt verschüttet wird, desto mehr Punkte gibt es. Überhaupt wird an diesem Tag mehr gebremst als gefahren. Für die vierte Aufgabe, den "Perfect Stop", ist Fingerspitzengefühl gefragt. Ziel der Disziplin ist, das Fahrzeug so zum Stehen zu bringen, dass die hintere Tür in einem markierten Bereich liegt. Einige Teams stoppen zu früh. Die Bremsen der deutschen Straßenbahn seien härter als zu Hause, sagt EM-Teilnehmerin Caroline Holmgren aus Göteborg. Die 26 Duos – jedes ist mit einer Frau und einem Mann besetzt – aus 21 Nationen sind mit kleinen Delegationen angereist.

Erste Straßenbahn-Weltmeisterschaft 2025 in Wien

Den lautesten Fanblock haben die Finnen. Susanna Viherlento ist aus Helsinki gekommen, um das Team aus Tampere zu unterstützen. Einen kürzeren Weg hatte Davide Miani. Der Doktorand der Molekularbiologie kommt aus Triest. Mit seinen Händen schwenkt er eine Fahne in den Nationalfarben Italiens. In der Mitte prangt ein goldener Adler, das Symbol seiner Heimatregion Friaul-Julisch Venetien. Darunter eine blau-weiße Tram. Sie sei die einzige Straßenbahn in Triest, sagt Miani. Für den Italiener ist es die zweite Europameisterschaft, die er besucht.

Auch Sophia hat ihre Liebe zur Straßenbahn erst vor zwei Jahren entdeckt, als sie nach Köln gezogen ist. Aufgewachsen ist die 29 Jahre alte Bekleidungstechnikerin in einem Dorf in Oberfranken. Ihre Kleider näht Sophia selbst, angelehnt an die Mode aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Eine Zeit, in der die elektrische Straßenbahn entwickelt und populär wurde. Mehr als 100 Jahre später sind die mechanischen Geräusche aus der Anfangszeit verschwunden.

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Die Straßenbahnen gleiten an diesem Samstag über die Schienen. Nur unterbrochen von der Enttäuschung der Zuschauer, wenn eine Tram mal wieder knapp nicht innerhalb der Markierung zum Stehen kommt. Davide Miani ist mit dem siebten Platz von Team Mailand trotzdem zufrieden. Er habe ohnehin keine Erwartungen gehabt, sagt er und lacht. Nächstes Jahr möchte Miani nach Wien reisen. Dort wird 2025 die erste Straßenbahn-Weltmeisterschaft ausgetragen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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