Löhnberg: Löhnberg will keinen Aufpasser der Kommunalaufsicht im Rathaus. Die überschuldete Gemeinde muss aber mit ihm rechnen. Derweil wird klar, weshalb sie ihre Etatmisere jahrelang verbergen konnte.

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Setzt das Regierungspräsidium in Gießen der Gemeinde Löhnberg einen Aufpasser ins Rathaus? Noch steht der Beschluss über diesen seltenen tiefen Einschnitt in die kommunale Selbstverwaltung aus. Das überschuldete Löhnberg lehnt einen staatsbeauftragten Bürgermeister ab, wie eine Sprecherin der F.A.Z. zu Monatsbeginn sagte. Dennoch muss die Gemeinde mit mehr als 4000 Einwohnern aus dem Landkreis Limburg-Weilburg mit ihm rechnen. Die Aufsichtsbehörde hat diesen Schritt schon angekündigt.

Bis 13. September konnte sich der Gemeindevorstand zu diesem Vorhaben äußern und hat dies auch getan, wie ein Sprecher des Regierungspräsidiums mitteilte. Nun prüfe die Kommunalaufsicht das Schreiben. In dieser Woche seit mit einer Stellungnahme aus Gießen aber nicht zu rechnen.

Neue Buchführung überforderte Gemeinde

Dessen ungeachtet stellt sich die Frage, weshalb die über Jahre entstandene Finanznot so lange verborgen blieb und erst in den vergangenen Monaten offenbar geworden ist. Schließlich hatte Löhnberg seit 2016 keinen Jahresabschluss mehr vorgelegt. Die Misere gründet in der Umstellung der kommunalen Haushalte von der über Jahrzehnte gewohnten kameralistischen Buchführung auf die Doppik mit Beginn des Jahres 2009, wie der Sprecher der Aufsichtsbehörde sagte.

Der Unterschied zwischen den beiden Methoden ist vereinfacht gesagt: Früher führten die Städte und Gemeinden in ihrem Haushaltsplan die Einnahmen und Ausgaben auf, nicht aber Schulden, Abschreibungen, Rückstellungen und Sachvermögen. Seit der Umstellung müssen aber auch die kleinen Gemeinden mit wenigen Mitarbeitern die kommunalen Vermögensgegenstände in ihrem Etat erfassen und bewerten. Das schließt eine früher unbekannte jährliche Inventur ein. Ein wesentlicher Vorteil davon sei, nicht nur die Zahlungsfähigkeit zu beurteilen, sondern auch die Wirtschaftlichkeit. Anders gesagt: Hat die Kommune nicht nur genug Geld für ihre Aufgaben, sondern setzt sie auch effizient ein?

Der Haken: Besonders die kleineren Gemeinden fühlten sich anfangs schlicht überfordert, wie der Sprecher sagte. Die Kommunalaufsichten bei den Kreisen hätten sich deswegen geduldig gezeigt mit Blick auf Jahresabschlüsse. Mittlerweile liefen vermehrt Jahresabschlüsse bei den Kommunalaufsichten ein und damit auch beim Landkreis Limburg-Weilburg. Nun aber kämen diese Aufsichtsbehörden mit dem Prüfen kaum nach – schließlich könnten sie ihr Fachpersonal nicht beliebig vermehren. Das sei ein Grund gewesen, weshalb die Etatnot über Jahre unentdeckt geblieben sei.

Für Etat kein Jahresabschluss nötig

Erschwerend kam nach den Worten des Sprechers ein anderer Punkt hinzu: Um einen neuen Haushalt aufzustellen, brauche eine Gemeinde keinen Jahresabschluss. Darüber hinaus sei aus den von den Löhnberger Gemeindevertretern beschlossenen und von der Kommunalaufsicht geprüften Haushalten die mittlerweile offenkundige Überschuldung der Gemeinde nicht ersichtlich gewesen. Erst Unregelmäßigkeiten im Tagesgeschäft zu Lasten Dritter ließen demnach die Fachleute beim Kreis hellhörig werden.

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Wegen ihrer akuten Geldnot bat die Gemeinde dann den Landkreis im vergangenen November um Amtshilfe. Seit Mai ist ihr Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) krank. Der Erste Beigeordnete Wolfgang Grün führt nun die Geschäfte. Löhnberg brauche keinen Staatsbeauftragten, sondern vielmehr Hilfe in der Finanzverwaltung. Derweil bekommt die Bevölkerung die Geldnot zu spüren: Das Kita-Essen kostet die Eltern fortan fast doppelt so viel wie zu Jahresbeginn. Auch müssen sie damit rechnen, dass sie künftig für die bisher unentgeltlichen Kita-Plätze zahlen müssen. Viele Familien sind aber wegen der günstigen Kinderbetreuung nach Löhnberg gezogen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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