Heimatmuseum im Taunus: Wer dachte, sich so gar nicht für Schützen und Gewehre zu interessieren, lernt im Heimatmuseum Seulberg im Taunus zurzeit trotzdem viel.
Etwa über den Wert von Vereinen., Wer dachte, sich so gar nicht für Schützen und Gewehre zu interessieren, lernt im Heimatmuseum Seulberg im Taunus zurzeit trotzdem viel. Etwa über den Wert von Vereinen.
Früher hat das Haus mit den Klappläden in Himmelblau die Schule und das Rathaus beherbergt, heute ist darin das größte Heimatmuseum im Taunus. Und am ersten Adventssonntag wird das Gebäude wieder der Ort sein, an dem sich ganz Seulberg zum Nikolausmarkt trifft.
Das Dorf gehört seit 1972 zur Stadt Friedrichsdorf, aber es hat sein Eigenleben behalten, das nach den Worten von Erika Dittrich ganz stark ein Vereinsleben ist. Die Stadtarchivarin kann das beurteilen. Sie hat gerade intensiv zu einem der Seulberger Traditionsvereine geforscht. Das Ergebnis ist noch bis Ende März im Erdgeschoss des Heimatmuseums zu sehen: die Jubiläumsausstellung "500 Jahre Zielen, Treffen, Feiern" über die Schützengesellschaft im Dorf.
Einem anderen Verein steht Dittrich selbst seit mehr als zwei Jahrzehnten vor, nämlich dem Verein für Geschichte und Heimatkunde mit etwa 300 Mitgliedern. Er hat das Museum just in jenem Jahr 1972 in dem Gebäude eingerichtet – als Seulberger Rathaus wurde es nach der Eingemeindung nach Friedrichsdorf schließlich nicht mehr gebraucht. Vor ein paar Jahren ist das Museum an die Stadt übertragen worden. Das sichere die Grundfinanzierung, sagt Dittrich, die seitdem auch als Stadtarchivarin dafür zuständig ist, nicht mehr nur ehrenamtlich als Vereinsvorsitzende. Ohne die Vereinsmitglieder aber liefe in dem Museum nichts. Und ohne den Nikolausmarkt zumindest deutlich weniger als mit seiner Hilfe, kommt der Erlös der 40 Aussteller doch auch dem Museum zugute.
An einem Morgen im November befestigen zwei Männer ein Banner in Tannengrün an der Fassade mit den Klappläden. Es wirbt für den Markt, der am 1. Dezember auf der Straße vor dem Museum und in den Ausstellungsräumen stattfindet, von zehn bis 18 Uhr. Drinnen trägt eine ältere Dame eine Pappschachtel mit Weihnachtsschmuck die Kellertreppe hinauf. Dittrich kommt aus ihrem kleinen Büro heraus. An diesem Vormittag muss sie weder im Stadtarchiv im Stadtteil Burgholzhausen sein noch im Philipp-Reis-Haus und Hugenottenmuseum, also im zentralen Friedrichsdorfer Museum in der Innenstadt. Alle Ehrenamtlichen plaudern kurz mit ihr, verabschieden sich bis zum Abend. Da ist Vereinssitzung.
Schützen waren lange Ordnungshüter
Die promovierte Kunsthistorikerin führt durch die Schützenausstellung. Ein Grün wie auf dem Nikolaus-Plakat prägt auch die Schau, als Grundfarbe der Infotafeln, auf dem Fotodruck eines Waldes an der Wand und mit der Kunsttanne und dem Tannengrün am Schießstand, den Dittrich hat aufbauen lassen. An den Wänden rechts und links davon hängen Schießscheiben mit zeittypischen Motiven. Eine vergackeiert die "ENT-ENTE" – gemeint ist die Entente cordiale von 1904. Die Bündnispartner Frankreich und Großbritannien sind als Enten dargestellt.
Sogar ein kleines Festzelt gibt es. Dittrich schaltet Discolicht und Blasmusik an. Für Stimmung sorgen aber vor allem die Vergrößerungen zweier Schwarz-Weiß-Fotos vom Schützenfest im Jahr 1953. Das eine zeigt das riesige Festzelt von damals mit einer Menschenmenge davor. In den Korbkinderwagen im Vordergrund schlummert vermutlich der Schützennachwuchs – gut möglich, dass es sich dabei um heutige Mitglieder der Schützengesellschaft handelt. In den ersten Tagen der Ausstellung hat die Stadtarchivarin beobachtet, wie sich Leute aus dem Dorf in die Bilder vertiefen – und jede Menge Bekannte entdecken. Dafür eignet sich auch das andere Schwarz-Weiß-Bild. Darauf ist eine Biergarnitur zu sehen, auf der vor allem Männer und Jungen Platz genommen haben. So ein Original aus Tisch und Bänken steht auch unter dem Zeltdach im Museum.
Die Ausstellung setzt das Seulberger Schützentum in den Zusammenhang der jeweiligen Zeit. Das beginnt mit der Urkunde in kaum zu entziffernder Schreibschrift aus einer Homburger Stadtrechnung von 1524. Darin werden die Seulberger Schützen zum ersten Mal erwähnt. In einem Jahr, in dem es im Ort 86 Haushalte gab – und drei Jahre nachdem Martin Luther auf seinem Weg zum Wormser Reichstag vielleicht durch Seulberg gekommen ist.
Lange waren die Schützen Ordnungshüter. Sie schleppten Luntenflinten, liefen Streife, steckten echte Verbrecher ins Gefängnis und unschuldige Frauen, die als Hexen galten. Die Fahne, die der Landgraf den Schützen 1731 übergab, ist zerschlissen, aber noch gut erkennbar. Im Jahr 1903 organisierte sich die Schützengesellschaft neu: als Verein. Der hat heute 130 Mitglieder – und auch einige Stücke zur Ausstellung beigetragen. Was wiederum den Geschichts- und Heimatverein freuen dürfte. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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