Die Planungen für eine neue Kompostierungsanlage auf dem Gelände des Abfallwirtschaftszentrums in Strempt (AWZ) laufen seit Jahren und waren eigentlich schon abgeschlossen – dann kam die Energiemangellage und alles wurde neu gedacht.

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Die aktuellen Planungen des Kreises Euskirchen sehen nun nicht nur den Bau einer Kompostierungsanlage samt neuer Anliefer- und Aufbereitungshalle vor, sondern auch eine Vergärungsanlage. Kostenpunkt für beides zusammen: etwas mehr als 47 Millionen Euro.

Strempt: Kreis investiert 47 Millionen Euro in Abfallwirtschaftszentrum

Der Grund für die Großinvestition: Die Kompostierungsanlage des Kreises ist in die Jahre gekommen. Zuletzt wurde sie Mitte der 2000er Jahre um fünf Rottetunnel erweitert. Gleichzeitig sei die Infrastruktur der Anlage, beispielsweise der Anlieferungsbereich, nicht vergrößert worden, erklärt Achim Blindert, Allgemeiner Vertreter des Landrats, im Gespräch mit dieser Zeitung.

"Langsam wird es eng. Bei der Verarbeitungssicherheit wird es kritisch. Die Anlage pfeift aus den letzten Löchern", sagt Norbert Lenzen, der die Bioabfall-Entsorgung im Kreis Euskirchen seit 1990 von der Pike auf begleitet und von Blindert gerne als "Herz der Kompostieranlage" bezeichnet wird.

Verarbeitete Mengen werden immer größer

Aber nicht nur die Technik der Anlage ist an ihrem Zenit angelangt, auch die Mengen, die mit ihr verarbeitet werden, werden immer größer. Laut Lenzen sind in den bisherigen zehn Monaten des Jahres bereits 2300 Tonnen Bioabfall mehr in Strempt angeliefert worden, als im gesamten Jahr 2023 zusammen. Und auch beim "Strauch und Astwerk" seien es 2600 Tonnen mehr. "Das ist ein Volumen, das sprengt hier alle Dimensionen und Lagerkapazitäten", so Lenzen, der mit einem zehnköpfigen Team für die Kompostierung zuständig ist.

Wie Achim Blindert berichtet, gelangen 78 Prozent des Bioabfalls, der im AWZ kompostiert wird, über die Biotonnen nach Strempt. Doch die Qualität – und vor allem die Menge – variiert übers Jahr gesehen. Zwischen Frühling und Herbst seien die Biotonnen praktisch immer voll: Stichwort Rasenmähen, Stichwort Vegetationsspitzen. Spätestens, wenn das letzte Blatt vom Baum gefallen sei, nehme die Menge des Biomülls ab.

Dafür steige ein wenig der energetische Faktor, so Lenzen: "Speisereste bringen mehr Energie als Blätter und Rasen." Um bei Spitzenwerten nicht teilweise Biomüll in eine andere Anlage abfahren zu müssen und in den vegetationsschwachen Monaten dennoch genügend Biomasse zur Verfügung zu haben, hat sich Lenzen ein Konzept überlegt. Das sieht vor, Bioabfall zu silieren und eine Art Zwischenlager zu installieren. Mithilfe der Silage soll gewährleistet werden, dass übers Jahr verteilt die Kompostierungsanlage gleichmäßig ausgelastet ist.

Versuch, mit Silage zu arbeiten, ist gestartet

Ein erster Versuch, mit der Silage zu arbeiten, ist bereits gestartet worden. Das Ergebnis ist bisher positiv. "Das hat es so bisher noch nicht gegeben. Nicht nur im näheren Umfeld des Kreises ist es einmalig, Bioabfall zu silieren", erklärt Lenzen: "Es ist überhaupt kein Problem, eine vernünftige Silage hinzubekommen."

Ähnlich, wie in der Landwirtschaft, werde der Bioabfall zunächst verdichtet – im Fall des AWZ mit einem Radlader. Zudem werde die Masse mit einer luftdichten Folie und einem Schutznetz versehen, damit beispielsweise Stöckchen keine Löcher in die Abdeckung reißen und die Mikroorganismen nicht bei ihrer Arbeit gestört würden.

Silage kann benötigte Tunnelanzahl verringern

Laut Lenzen muss die Lagerfläche hierfür nicht zusätzlich erweitert werden. Was aber errichtet werden müsse, ist eine sogenannte Anfahrwand, damit mit dem Radlader der Bioabfall zu einem kleinen Berg zusammengefahren und anschließend verdichtet werden kann.

Die Silage habe aber nicht nur zur Folge, dass über den Zeitraum des gesamten Jahres eine gleichbleibende Menge von Bioabfall kompostiert werden könne, sondern wirke sich auch auf die Planung des neuen Werkes aus. Der Grund: Es müssen weniger Rottetunnel gebaut werden. Zunächst seien deutlich mehr Tunnel geplant gewesen, um die Spitzenlasten abarbeiten zu können. Werden diese aber teils siliert, könne bei der Anzahl der Tunnel gespart werden.

Bau einer Vergärungsanlage könnte verpflichtend werden

Dadurch könne auf dem Areal völlig neu gedacht werden. Und da kommt dann auch die Vergärungsanlage ins Spiel. Durch einen veränderten Aufbau der neuen Kompostierungsanlage kann eine Vergärungsanlage vorgeschaltet werden. Das könne sich als Vorteil mit Blick auf die Zukunft herausstellen. Der Bau einer Vergärungsanlage ist nach Angaben des Kreises gesetzlich nämlich keine Pflicht – noch nicht. Das könnte sich laut Blindert aber ändern, weil es ein laufender Prozess sei.

In Rheinland-Pfalz sei eine solche Vergärungsanlage bereits Pflicht. Entsprechend könnte diese gesetzliche Vorgabe mittelfristig auch in NRW kommen. Um für diesen Fall gerüstet, im Idealfall sogar einen Schritt voraus zu sein, plane man derzeit den Bau der Vergärungsanlage parallel, sagt Guido Schmitz, Abteilungsleiter beim Kreis Euskirchen. Dabei belaufen sich die derzeitigen Investitionskosten für den Anteil der Kompostierung auf 29 Millionen Euro, die für die Vergärungsanlage auf elf Millionen – jeweils netto.

Ein weiterer Vorteil: Weil sich das AWZ auf Bergschadensgebiet befindet, kann nur an bestimmten Stellen problemlos gebaut werden. Die aktuellen Planungen sehen aber vor, dass beide Werke auf dem vorhandenen Platz errichtet werden könnten.

Vergärungsanlage würde CO₂ einsparen, aber Kosten verursachen

Mithilfe der Vergärungsanlage könnten nach Angaben des Kreises im Kompostierwerk pro Jahr rund 1200 Tonnen CO₂ eingespart werden – was etwa 520 Hin- und Rückflügen zwischen Frankfurt und New York entspricht.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Vergärungsanlage nicht kostenneutral zu betreiben ist. Und dass es bei den Baumaßnahmen teils zum Stillstand der aktuellen Anlage kommen wird. "Wir rechnen mit Gesamtstrom-Erlösen in Höhe von ca. 475.000 Euro", erläutert Blindert: "Wir haben eher konservativ gerechnet, was die Gasausbeute angeht. Wir sind in einen Mittelbereich gegangen. Wenn man dann die Kosten der Technik gegenrechnet, ist es nicht möglich, so viel Gas zu gewinnen, dass diese Ausgaben refinanziert werden können." Darum werde man versuchen, Fördermittel zu erhalten.

Laut Kreis befinden sich etwa ein Drittel organische Abfälle im Restmüll

Der Kreis rechnet damit, dass durch den Prozess in den kommenden 20 Jahren rund drei Millionen kWh Strom vermarktet werden können. Guido Schmitz fügt hinzu: "Zumindest nicht über den Abschreibungszeitraum von 30 Jahren von der baulichen Anlage. Die Abschreibung der Technik beläuft sich auf 15 Jahre. Wir haben aber die Hoffnung, dass die Anlage länger läuft und wir dann weitere Stromerlöse haben, die wir nicht mit einkalkuliert haben."

Nach wie vor befinden sich laut Kreis etwa ein Drittel organische Abfälle im Restmüll, der verbrannt werden muss. Die Kreisverwaltung ist daher bestrebt, diesen Anteil weiter zu verringern. Zum einen soll der wertvolle Bioabfall genutzt werden, zum anderen könnten dadurch Kosten reduziert werden, da die Verbrennung des Restmülls durch die CO₂-Besteuerung in Zukunft deutlich teurer wird. Aktuell zahle man 21,52 Euro pro Tonne Restmüll, ab 2025 seien es 26,30 Euro. "Es ist davon auszugehen, dass sich der CO₂-Preis ab 2027 mehr als verdoppelt", so Blindert.

Laut Kreis ist – sollte der Kreistag in wenigen Wochen zustimmen – die Inbetriebnahme der Gesamtanlage ist fürs Jahr 2028 geplant.

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Gütesiegel

Im Kompostwerk im Abfallwirtschaftszentrum in Strempt wird aus gesammelten biologischen Abfällen mit Hilfe eines computergesteuerten Rotteverfahrens hochwertiger Eifelkompost hergestellt. Der Kompost wird regelmäßig auf seine Inhaltsstoffe untersucht. Seit mehr als 20 Jahren trägt er nach Angaben des Kreises Euskirchen das Gütezeichen der Bundesgütegemeinschaft Kompost.   © Kölner Stadt-Anzeiger

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