Schon als kleiner Junge hatte Lucas Jonon Spaß, mit seinem Vater auf Dächer zu klettern. Jetzt, als 18-Jähriger, möchte er – genau wie sein Vater früher – den Beruf des Dachdeckers erlernen.

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Bei der Firma Sahm Bedachungen in Weilerswist ist er mittlerweile in seinem zweiten Ausbildungsjahr.

"Er macht sich sehr gut", lobte Anna-Sophia Sahm, die den Familienbetrieb ihrer Eltern weiterführt: "Wir freuen uns, Lucas ausbilden zu können. Für mich ist die Ausbildung das Fundament des Handwerks."

Nach dem Praktikum in Weilerswist war die Bewerbung die logische Folge

In Fällen wie bei Azubi Lucas ist die Entscheidung zur Ausbildung gut nachvollziehbar: Er hatte einen frühen Bezug zum Berufsfeld, der sich in einem Praktikum verfestigt hat. Nach dem Reinschnuppern bei Sahm Bedachungen sei die Bewerbung für Lucas der nächste logische Schritt gewesen.

Doch nicht immer liegt die Entscheidung zu einer Lehre so nah wie bei dem jungen Mann. "Lehrlinge zu finden ist im gesamten Handwerk problematisch", sagte jetzt Richard Graf, stellvertretender Leiter der Geschäftsbereiche Berufsbildung und Prüfungswesen bei der Handwerkskammer Aachen, in einem Pressegespräch zur Lage des Ausbildungsmarktes.

Dem konnte auch Anita Sahm, die Mutter von Anna-Sophia, beipflichten: "Früher hatten wir pro Jahr drei Auszubildende, zwei waren da eine Seltenheit. Jetzt gibt es jährlich nur noch einen."

Deutlich mehr Bewerbungen auf Azubistellen im Kreis Euskirchen

Richard Graf brachte die missliche Lage des Handwerks mit drei Beispielen auf den Punkt: "Beim Bäcker stören die frühen Arbeitszeiten, beim Dachdecker die Arbeit bei Wind und Wetter, und beim Metzger möchten viele keine Tiere schlachten."

Trotz solcher möglichen Vorbehalte ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungsstellen im Kreis Euskirchen 2023/24 deutlich gestiegen. Der Agentur für Arbeit Brühl zufolge gab es von Oktober 2023 bis September 2024 insgesamt 127 mehr Bewerbungen als im Vorjahreszeitraum – ein Zuwachs um 13,7 Prozent.

Gleichzeitig wurden mit 853 Ausbildungsstellen 28 mehr gemeldet als im Vorjahr. Damit steigen die gemeldeten Stellen leicht um 3,4 Prozent. Demnach gibt es im Kreis Euskirchen deutlich mehr Bewerberinnen- und Bewerber als verfügbare Ausbildungsplätze.

Ralf Holtkötter: Ausbildungsmarkt im Kreis Euskirchen ist stabil

Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Brühl, Ralf Holtkötter, erläuterte: "Der Ausbildungsmarkt im Kreis Euskirchen zeigt sich trotz wirtschaftlich herausfordernder Zeiten stabil. Dass die Unternehmen trotz der schwierigen Rahmenbedingungen das Niveau der Ausbildungsaktivitäten weitestgehend halten, ist bedeutender denn je, denn die demografische Entwicklung schmälert zunehmend das Fachkräftepotenzial." Ganz, ganz vorsichtig spricht er von einer möglichen Trendwende.

Auch bei dem Fachkräftemangel, der sich unter anderem aus einer sinkenden Zahl Schülerinnen und Schülern speise, gebe es Lichtblicke, so Ralf Holtkötter. Der Kreis profitiere von rund 120 Bewerbungen junger Menschen mit ausländischer Herkunft. Darunter seien 54 Menschen mit Fluchterfahrungen.

29 Personen mit Migrationsgeschichte beginnen eine Ausbildung

Er, Holtkötter, freue sich besonders darüber, dass 29 Personen mit Migrationsgeschichte eine Ausbildung beginnen. "Fast jeder zehnte Bewerber hat eine ausländische Herkunft", teilte Ralf Holtkötter mit. Trotz der positiven Tendenz der Bewerbungen blieben 53 Ausbildungsstellen im Kreis unbesetzt. Dies sind aber 16 weniger als im vergangenen Jahr. Im Kontrast blieben 83 Bewerberinnen und Bewerber bis Ende September unversorgt. Für eine Alternative zur Ausbildung haben sich 93 Bewerberinnen und Bewerber entschieden, 74 Jugendliche hiervon wollten direkt anfangen zu arbeiten.

Während das höhere Interesse bei Ausbildungen im Kreisgebiet laut Waltraud Gräfen von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen positiv zu bewerten sei, gab sie zu bedenken, dass auch mehr Ausbildungen abgebrochen werden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum habe sich die Anzahl an Abbrüchen während der Probezeiten ungefähr verdoppelt.

Angucken, anfassen, erleben – das ist die Devise.

Ralf Holtkötter, Bundesagentur für Arbeit

Die Zunahme erklärte sich Waltraud Gräfen mit vielen freien Ausbildungsstellen und einer höheren Wechselbereitschaft der Azubis, falls etwas nicht passt. Das gehe an den Betrieben aber nicht spurlos vorüber, sie investierten viel Arbeit, um den Auszubildenden entgegenzukommen, berichtete Waltraud Gräfen.

Dieser Aufwand zeige gerade auch bei der Vorstellung von Betrieben an Schulen Erfolge. Dem stimmte Ralf Holtkötter entschieden zu: "Angucken, anfassen, erleben – das ist die Devise", sagte er. "Gerade Praktika bieten für junge Menschen sehr gute Gelegenheiten, sich auszuprobieren." Waltraud Gräfen zufolge ist es etwas schade, dass viele Betriebe über die Plattform Facebook Ausbildungen bewerben, jugendliche Zielgruppen sich aber aktuell häufiger über Instagram oder Tiktok informierten.

Anja Daub, Geschäftsführerin operativ der Arbeitsagentur, brachte als weitere Art, sich über Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren, das Berufsorientierungspraktikum (BOP) der Agentur für Arbeit ein. Hierbei können sich Interessierte nach ihrer Schulausbildung über weitere Ausbildungsmöglichkeiten informieren.

Bei Sahm Bedachungen werden neben Lucas Jonon derzeit sieben weitere Personen ausgebildet. Für einen zusätzlichen Azubi wäre noch Platz. Der Traditionsbetrieb freut sich über zeitnahe Bewerbungen (Tel. 02254/2346), denn noch kann man in den laufenden Ausbildungsjahrgang einsteigen.

Top-Berufswünsche und -Ausbildungsstellen

Folgende Berufe sind laut Angaben der Agentur für Arbeit in Brühl derzeit am gefragtesten bei Bewerberinnen und Bewerbern im Kreis Euskirchen: Oben auf der Liste rangiert der Beruf Kaufmann/-frau – Büromanagement, gefolgt von Kfz-Mechatroniker – Pkw-Technik, Verkäufer/in; Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Medizinische/r Fachangestellte/r, Fachinformatiker/in, Elektroniker/in, Tischler/in und Elektroniker/in für Betriebstechnik. Auf Platz zehn landete der/die Verwaltungsfachangestellte/r.

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Gemäß Waltraud Gräfen von der IHK Aachen habe sich besonders das Interesse an einer Ausbildung zum Elektroniker oder zur Fachinformatikerin gesteigert. Am häufigsten angeboten wurden im Berufsberatungsjahr 2023/24 Lehrstellen als Verkäufer/in, gefolgt von Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Handelsfachwirt/in, Kaufmann/-frau, Fachkraft – Lagerlogistik, Fachlagerist/in, Zahnmedizinische(r) Fachangestellte/r, Industriekaufmann/-frau, Elektroniker/in und Industriemechaniker/in.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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