Die Kiste sirrt und summt, es rumpelt. Hinter der Klappe fährt gerade eine eiskalte Pizza aus dem Tiefkühlfach hinüber in den Ofen: Robotertechnik öffnet den Pappkarton, klappt den Deckel auf, hebt die Pizza aus dem Karton und aufs Blech, schiebt sie in die Hitze.

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Vier Minuten später ist der Karton wieder zugeklappt und der Automat spuckt die heiße Ware aus. "Hähnchen-Kebab", sagt Christian Kahl. "Ist neu."

Sechs Sorten Pizza kann der Automat, den der Gastronom und Unternehmer aus Wiehl-Bielstein am Busbahnhof von Waldbröl aufgestellt hat, fünf stehen stets auf der Speisekarte – und "Tonno" hat gerade Pause. Gewählt wird per Fingerkuppe. "Wir wechseln ab, fünf aber ist die ideale Auswahl", schildert Kahl. Es ist der erste Pizza-Automat in Oberberg.

Als Corona um sich schlägt, Kahl sein Haus Kranenberg in Bielstein dichtmachen muss, wird ihm angst und bange. Er kommt ins Grübeln. "Und plötzlich war sie da – die Idee, Automaten aufzustellen, die Waren rund um die Uhr anbieten und auch dann, wenn alles andere geschlossen hat." Vor zwei Jahren gründet der Gastronom das Unternehmen Snack-Kiosk – und wird dafür ausgelacht. Heute stehen 35 vollautomatische Kioske zwischen Gummersbach und Siegen, zwei festangestellte Mitarbeiter halten sie in Schuss, füllen Ware nach, machen sauber, führen kleinere Reparaturen aus.

Nach einem Jahr war klar: Die neue Geschäftsidee funktioniert nicht nur in Waldbröl

"Für ein halbes Jahr habe ich das selber gemacht, aber das war schon bald nicht mehr zu stemmen – sechs Uhr ausrücken, Automaten machen, danach zehn bis zwölf Stunden Gastronomie, das ging einfach nicht", schildert Christian Kahl. Aber über die Idee mit den Automaten lache längst niemand mehr. Diese bieten Getränke, Knabberzeug, Süßigkeiten, Vapes (elektrische Zigaretten) und den "Stoff" dafür. Vom Alkohol aber lässt Kahl die Finger.

Wer am Gerät einkaufen will, braucht eine EC- oder Kreditkarte und auch den Ausweis, soll es was zum Dampfen sein. "Denn Vapes gibt es erst ab 18", betont der Bielsteiner. In der kommenden Session möchte er Automaten zudem in Karnevalszelten parken – "mit Vapes, Zigaretten und Kondomen – eben mit dem, was man im Karneval so braucht".

Inzwischen stellt Kahl solche Verkaufsautomaten nicht nur auf, er handelt auch mit den Geräten. Dass diese in Deutschland gebaut werden, ist ihm wichtig: "Ersatzteile sind sofort zur Hand, gibt es einen größeren Schaden, ist ein Techniker in wenigen Stunden zur Stelle." Ein Jahr lang will Kahl warten und dann schauen, ob sich das Pizza-Geschäft lohnt. Bisher laufe das sehr gut, sagt er und denkt an Bus- und Taxifahrer, an Schülerinnen und Schüler sowie an jeden anderen Hungrigen, der sich an der Waldbröler Brölbahnstraße mit Pizza versorgt.

Als Konkurrenz für die örtlichen Kolleginnen und Kollegen oder jede Pizzeria will der Geschäftsmann den Automaten auf keinen Fall verstanden wissen: "Das wäre auch niemals möglich", sagt er offen. Denn jedes Backwerk ist tiefgefroren. "Es schmeckt wie eine – hochwertige! – Pizza aus dem Supermarkt", schildert der Bielsteiner. Aber: "Jede Pizza ist handgemacht und sorgsam von Hand belegt, ich beziehe meine Ware von einem Familienunternehmen in Frankfurt, das produziert 5000 Stück am Tag." Jeweils 60 füllen das Vorratsfach von Kahls Automaten am Busbahnhof.

Untergebracht hat er dort insgesamt fünf Automaten in einem Gebäude, das immer schon Gastronomie und zuletzt eine Sisha-Bar beherbergt hat. "Die Front wird noch schön gemacht", verspricht der Unternehmer. Denn noch steht da eine Bretterbude: Um keine dunklen Ecken und mögliche Verstecke zu schaffen, hat er eine zusätzliche, ebene Fassade aus Holz vor der alten errichtet, dahinter verbringt sich das Haus. Kahl hat es gepachtet, es dient ihm als Lager für seine Kiosk-Ware. "Das zentrale Lager ist in Bomig."

Auch in Oberberg werden Imbissstuben und Kantinen bei Unternehmen immer seltener

Weil auch Imbissbuden in Oberberg immer seltener werden und der Fachkräftemangel anhält, nimmt der Geschäftsmann bereits Unternehmen im Blick, die ihre Kantine aufgegeben, aber Platz für solche Automaten haben – "Pommes und Baguettes können ebenfalls damit verkauft werden". Auch im Bergneustädter Seniorenheim Evergreen ist schon ein automatischer Kiosk zu finden: "Daran bedienen sich nicht nur Bewohner, sondern auch ihre Besucher", weiß Kahl.

Und für Reisende, denen an Handy und Laptop unterwegs der Saft ausgegangenen ist, möchte er etwa am Bahnhof von Dieringhausen einen Automaten aufstellen, an denen man gegen eine geringe Gebühr Powerbanks (mobile Akkus) stundenweise mieten kann. "Und wer die Powerbank nicht zurückgibt, der kauft sie über eine Art Kaution in Höhe von wahrscheinlich 55 Euro."

So schmeckt die Pizza aus dem Waldbröler Automaten

Der Geschmackstest: Die neue Kebab-Pizza ist auf der Tomatensoße reichlich belegt mit zarten, pikant gewürzten Hähnchenstücken, zwei Käsesorten (Mozzarella und Pizzakäse) sowie roten Zwiebeln, die auch nach dem Auftauen knackig frisch schmecken. Die Pizza ist hochwertig und schmeckt so gut wie eines der besten Tiefkühlprodukte aus der Truhe im Supermarkt.

Die Zubereitung: Ein wachsender, roter Balken auf dem Display am Automaten informiert nach der Wahl der Pizza über den Fortschritt in der Zubereitung. Ab 53 Prozent riecht es vor der Maschine wunderbar nach frischer Pizza. Das Backen dauert etwas mehr als fünf Minuten. Leider ist die Kebab-Pizza diesmal an mancher Stelle kalt und nicht ganz durchgebacken.

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Die Speisekarte: Zur Auswahl stehen in Waldbröl neben der Pizza mit Hähnchen-Kebab die Klassiker "Margherita" und "Salami" sowie "Speciale" (Mozzarella, Salami, Schinken, Paprika und frische Champignons), "Bufallo" (vegetarisch mit Mozzarella, Kirschtomaten und Pesto) und "Tonno". Gebacken kostet die Automaten-Pizza 9,50 Euro, gefroren für den heimischen Ofen 8,50 Euro.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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