"Eltern entscheiden sich mittlerweile ganz bewusst für uns, weil sie wissen, dass ihre Kinder hier gut gefördert werden und sie die Schule als Chance wahrnehmen", sagt Maren Gräfe, Leiterin der Stephanus-Schule in Bürvenich.

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Eine Schule mit den Förderschwerpunkten Lernen, soziale und emotionale Entwicklung und Sprache als Chance?

Vor ein paar Jahren drohte den Förderschulen doch noch das Aus, weil es plötzlich gesetzliche Mindestgrößen gab oder die UN-Behindertenrechtskonvention der Teilhabe kam und damit die Inklusion als neue Form des gemeinsamen Lernens an Regelschulen implementierte.

In einigen Förderschulen im Kreis Euskirchen wird der Platz knapp

Jetzt, im Jahr 2024, berichten die Leiter der Förderschulen im Kreis von stetig nach oben gehenden Schülerzahlen – Tendenz: weiter steigend. An der Stephanus-Schule werden an ihren beiden Standorten in Bürvenich und Füssenich (Primarstufe) in diesem Schuljahr gut 180 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Da wird der Platz schon knapp. So knapp, dass eine Trennung von Primarstufe und den älteren Schülern nicht mehr hundertprozentig gegeben ist.

Die Problematik mit dem immer knapper werdenden Raumangebot habe man bereits an den Schulträger, den Kreis Euskirchen, widergespiegelt. "Wir stehen da in einem engen, konstruktiven Austausch", berichtet Maren Gräfe.

Auch an der Nikolausschule in Kall, ebenfalls eine Förderschule des Kreises, ist der Platz knapp – was zu großen Teilen an den Nachwirkungen der Flut liegt. Die Sanierungsarbeiten laufen an der Förderschule in Kall auch drei Jahre nach der Hochwasserkatastrophe auf Hochtouren – so fern der Schulalltag dies zulässt.

Nikolausschule in Kall: Saniert wird, wenn die Kinder zu Hause sind

Weil laute Geräusche wie Bohren oder Hämmern für die 80 Schülerinnen und Schüler, die die Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung besuchen, extrem belasten können, wird darauf Rücksicht genommen und vornehmlich am Nachmittag gearbeitet. "Wir denken hier von Bauabschnitt zu Bauabschnitt", berichtet Schulleiterin Kathrin Kuhl.

Ein Bauabschnitt wird auch der Schulhof sein. Da kommen die Schüler im Alter von sechs bis zum Berufsschulalter aktuell ein wenig zu kurz. Wirkliche Möglichkeiten, die Pausen kreativ oder aktiv zu nutzen, gibt es nicht – auch eine Nachwirkung der Flut. Weil ständig Fahrzeuge über den Schulhof müssen, ist noch nicht viel passiert. Erst wenn die Sanierung der Räume abgeschlossen ist, kann die nächste Baustelle angegangen werden. Inklusive Austausch des Schulhofbodens. Der Grund: die Bleibelastung in Kall.

Dafür wird in einem größeren Bereich aktuell viel für die Schüler getan. "Es entsteht ein komplett neuer Matschraum", freut sich Schulleiterin Kuhl, die vor den Schülern und ihren Kollegen den imaginären Hut zieht. "Sie machen seit mehr als drei Jahren das Beste aus der Situation", sagt sie.

Auch die Hans-Verbeek-Schule in Euskirchen (HVS) ist aktuell zu klein, weil nach der Flut noch nicht alle Räume zur Verfügung stehen. So klein, dass im engen Austausch mit dem Kreis Euskirchen und der LVR-Max-Ernst-Schule eine kleine Nachbarschaftshilfe ins Leben gerufen worden ist. Die Förderschule mit dem Schwerpunkt Hören und Kommunikation hat eine Klasse der Hans-Verbeek-Schule aufgenommen, die dort von Lehrern der HVS unterrichtet wird.

Hans-Verbeek-Schule lässt Hörspiele durch Theater lebendig werden

"Jede Schule hat eine gewisse Knautschzone", sagt HVS-Chef Alexander Breuer: "Das sind nur 700 Meter, aber natürlich ist das für die Kollegen und Kinder anstrengend, aber es war die bestmögliche Entscheidung, auch wenn es für das Förderangebot nicht optimal ist."

Es bringe nichts, sich jeden Tag die Haare zu raufen. Das mache die Situation nicht besser. Entsprechend geht Breuer voran und besinnt sich auf die Stärken der Förderschule mit ihren etwa 150 Schülern, die in Wahrnehmung, sozialer und emotionaler Entwicklung, Kommunikation, Motorik, Lern- und Arbeitsverhalten gefördert werden.

Wir haben das Konzept vor gut 20 Jahren entwickelt und dann stetig fortgeschrieben, und es wird nun wöchentlich für Schwerstbehinderte angeboten.

Alexander Breuer, Leiter der Hans-Verbeek-Schule

Eine Stärke der HVS: Das Erlebnistheater lässt regelmäßig Märchen lebendig werden. Die Lehrer verwandeln dabei einen Raum in eine Art erlebbares Hörspiel. Dann schlüpft mal eben ein Lehrer in ein Aladin-Kostüm, die Licht- und Farbgestaltung erinnert an 1000 und eine Nacht, und die Schüler tauchen ein in eine Welt, die so viel anders, so viel schöner als normaler Unterricht ist.

"Wir haben das Konzept vor gut 20 Jahren entwickelt und dann stetig fortgeschrieben, und es wird nun wöchentlich für Schwerstbehinderte angeboten", so Breuer. Das Konzept sei sogar zum Exportschlager geworden. So werde das Projekt der HVS am Seminar für Sonderschulpädagogik in Köln durch einen Euskirchener Lehrer implementiert und mehrfach im Jahr kämen angehende Lehrer in die Kreisstadt, um das Erlebnistheater im Schulalltag erleben zu können.

Nur einen Raum weiter probt regelmäßig die HVS-Band. "Unsere Band ist ein musikalisch-kreatives Umfeld, in dem sich die Schülerinnen und Schüler ausdrücken können. Deshalb schreibt die HVS-Band ihre Musik und ihre Songtexte selber", erklärt Breuer: "Die Themen der Songs kommen aus dem Schulleben, und die Musik entsteht meist beim Jammen und Bearbeiten von musikalischen Ideen der Schülerinnen und Schüler. Rock ‚n‘ Roll ist laut, leise, traurig, fröhlich, wütend und lustig, wie das Leben eben ist."

Apropos Musik: Seit einigen Wochen steht im Foyer der Matthias-Hagen-Schule ein Klavier. Es ist nicht irgendeines. Nach Angaben von Schulleiter Jan Schütz ist das Instrument mehrere Jahrzehnte alt, jüngst wiederentdeckt worden und muss dringend gestimmt werden. Das hat der Kreis Euskirchen als Schulträger schon in die Wege geleitet. Doch der eine oder andere leicht schiefe Ton stört weder Lehrer noch Schüler. Vielmehr geht es darum, die Pausen mit Musik zu gestalten und die Momente gemeinsam zu genießen. Auf die Idee ist Lehrer Lurtz gekommen, der aber auch schon mal den Platz räumt, um Schülern die Möglichkeit zum Musizieren zu geben.

Zahlreiche Projekte gehen auf Initiativen der Schulen zurück

"MHS musiziert" ist nicht das einzige Projekt, das auf Lehrer oder Schulinitiativen zurückgeht. Einige Schüler der Förderschule mit ihrem Standort in Kuchenheim werden künftig an einem ganz besonderen Ort unterrichtet: auf einem Bauernhof.

Es sei ein mehrjähriger Prozess gewesen, in den auch das Jugendamt, die Schulaufsicht sowie das Schulverwaltungsamt und das MHS-Team involviert waren, erklärt der Schulleiter. "Wir haben drei Schülergruppen identifiziert, die es wert sind, noch eine zusätzliche Anstrengung zu unternehmen", sagt Schütz weiter: "Das sind die, die von aktiver und passiver Schulverweigerung bedroht sind, und die Kinder, die sich in lang anhaltenden psychosozialen Krisen befinden, sowie diejenigen, die eine Schulfähigkeit noch nicht erreicht haben oder diese bereits eingebüßt haben."

Da aber Förderschulen längst "Chancengeber" geworden seien, werde auch diesen Jugendlichen mithilfe eines multiprofessionellen Teams aus Sonder- und Sozialpädagogen eine besondere Form der tiergestützten Pädagogik angeboten – außerhalb der ehemaligen Hauptschulflure in Kuchenheim.

Förderschüler werden auf dem Birkenhof in Kuchenheim unterrichtet

Mit einem weiteren Partner, dem Birkenhof der Familie Lanzerath in Kuchenheim, ist im Stall ein Klassenraum entstanden. "Die Kälbchen lecken an der Klassenraumscheibe. Das ist kein Scherz", so Schütz.

Mit acht Kindern beginnt das Projekt: von kleinen Primarzwergen, wie Schütz die jüngsten Kinder liebevoll bezeichnet, über die Mittel- bis zur Oberstufe. "Sie sind angebunden an ihre Klassen, samt Konzept, Zeugnis und allem, was dazu gehört", so Schütz: "Das Projekt ist der Beleg dafür, dass wir wirksamer werden müssen in diesen drei Teilgruppen. Rückblickend waren wir da bisher nicht optimal. Das müssen wir ehrlich zugeben."

Schnippel-AG an der Stephanus-Schule in Bürvenich

In dem jetzigen Projekt stecke viel Arbeit, viel Liebe und auch viel Bürokratie. Das alles sei es aber wert gewesen, weil es um die Kinder und Jugendlichen gehe, denen man eine Chance ermöglichen wolle, sagt der MHS-Chef.

Auch die Stephanus-Schule hat vor Jahren mit der Schnippel-AG ein ganz besonderes Projekt ins Leben gerufen. Mehrfach pro Woche bereiten in Bürvenich einige Schüler ihren Mitschülern das Mensa-Essen zu. Das kommt teilweise aus dem eigenen Schulgarten. Wenn es kein warmes Mittagessen gibt, dann gibt es kleine gesunde Snacks in Form von Möhren, Gurken oder Paprika.

Sowohl in Kall als auch in Kuchenheim, Bürvenich, der Astrid-Lindgren-Schule in Schleiden und Euskirchen berichten die Schulleiterinnen und Schulleiter davon, dass ihre Schüler eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt seien – immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten. "Wir haben viel praxisbezogenen Unterricht. Wer einmal pro Woche vier Stunden in einem rollierenden System im Garten, in der Holzwerkstatt oder Küche mitgearbeitet und gelernt hat, dem muss vor der Arbeitswelt nicht bange sein", sagt Stephanus-Schulleiterin Maren Gräfe.

Fest zum Weltkindertag in Euskirchen auf dem Klosterplatz

Am 20. September findet der 70. Internationale Weltkindertag unter dem Motto "Mit Kinderrechten in die Zukunft" statt. Der Weltkindertag soll darauf aufmerksam machen, dass Kinder in ihrer Entwicklung ein besonderes Recht auf Förderung, Schutz und Mitbestimmung haben.

Für Freitag sind deshalb alle Kinder und Familien aus dem Kreis Euskirchen von 14.30 bis 17.30 Uhr eingeladen, auf dem Klosterplatz und am Haus der Familie in Euskirchen miteinander den Weltkindertag zu feiern. Nach Angaben des Kreises Euskirchen wird es viele Aktionen geben wie Edelstein-Sieben, Football-Wurfspiel, Stapelspiel, Kinderschminken, Malen, Perlenarmbänder-Knüpfen, Sandküche und vieles mehr. Auch Sänger Uwe Reetz hat nach Angaben der Kreisverwaltung sein Kommen zugesagt.

Wie im vergangenen Jahr wird das Programm von Radio Euskirchen am Weltkindertag nicht nur von Profis gemacht, sondern auch vom möglichen Nachwuchs. Schüler der Gesamtschule Mechernich werden im Studio in Euenheim zu Gast sein. Sie werden als Co-Moderatoren Berichte ansagen, als Nachrichtensprecher fungieren , die Kindermeldungen des Tages präsentieren und (hoffentlich) gutes Wetter ankündigen.

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Zudem werden sie als Gesprächspartner aus ihrem Alltag berichten – und das alles live. Die erste achtköpfige Gruppe wird gegen 8 Uhr eintreffen und bis 12 Uhr die Sendung mitgestalten. Eine zweite kleinere Gruppe wird von 14 bis 16 Uhr live mitmachen. Radio Euskirchen gestaltet zum zweiten Mal den Weltkindertag in dieser Form. Bei der Premiere im vergangenen Jahr war die Gesamtschule Euskirchen die Partnerschule.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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