Es ist bereits das dritte Gerichtsverfahren um einen brutalen Vorfall, der sich vor fast genau drei Jahren - am 23. November 2021 - am Busbahnhof in Troisdorf ereignet hat: Ein Busfahrer der Stadtwerke wird von zwei jungen Männern, damals 18 und 21 Jahre alt, laut Anklage so brutal in die Mangel genommen, dass er um sein Leben fürchten musste.
Der Familienvater hat sich von dem Angriff nie erholt; bis heute ist er nicht in der Lage, seinen Beruf wieder auszuüben. Der 44-Jährige ist ein Invalide, so formuliert es Nebenklage-Anwalt Thomas Ohm: Abgesehen von dem Trauma ist sein rechtes Auge irreparabel geschädigt.
Zweimal bereits mussten sich die beiden Jugendlichen vor dem Amtsgericht Siegburg wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten: In dem zweiten Prozess jedoch entschied sich die Jugendschöffenrichterin, das Verfahren ans Landgericht Bonn zu verweisen: Nach dem Gutachten eines medizinischen Sachverständigen über die massiven Verletzungen des Busfahrers wäre bei der Straftat ein versuchtes Tötungsdelikt nicht ausgeschlossen. Das muss jetzt das Bonner Jugendschwurgericht unter dem Vorsitz von Anja Johansson prüfen.
Streit um Corona-Masken soll einer der Auslöser gewesen sein
Hintergrund des Vorfalls: Wiederholt hatte sich der 18-Jährige über den Busfahrer geärgert. Einmal ging es darum, dass er und seine Kumpels im Bus Corona-Masken anziehen sollten, was die Jugendlichen verhöhnten. In einer weiteren Begegnung wenige Tage vor dem "großen Showdown", hatte der Busfahrer von dem 18-Jährigen das Busticket sehen wollen: Der Ton soll ihn so geärgert haben, dass er den 44-Jährigen beleidigt, den Stinkefinger gezeigt und den Bus verlassen hat. Am Tatabend schließlich, gegen 21.30 Uhr, trafen sie zufällig aufeinander: Der Busfahrer hatte gerade eine Dienstpause und kehrte von der Toilette zurück, als es zu dem Handgemenge kam, bei dem der Busfahrer am Ende das Bewusstsein verlor und schwer verletzt liegen blieb. Bis Kollegen ihn ins Krankenhaus brachten.
Was in den wenigen Minuten genau passiert ist, das schilderten gestern die Angeklagten und der Busfahrer sehr verschieden. Auch, wer den Streit angefangen hat. Nach den Geständnissen der beiden Freunde - heute 21 und 23 Jahre alt - soll der Busfahrer auf den Jüngeren zugegangen sein, ihn mit der Drohung "Sag noch einmal Stinkefinger!" provoziert und diesem einen Faustschlag versetzt haben, woraufhin sie sich mit zahlreichen Schlägen, aber keinesfalls mit Tritten gewehrt hätten.
Als der Mann schließlich blutend am Boden lag, seien sie so geschockt gewesen, dass sie mit der Bahn abgehauen seien. Sie hätten versucht, sich zu beruhigen, und sich gegenseitig zu versichern, sie hätten "ja nichts Falsches" gemacht. Dennoch outeten sie sich bei der Polizei, der Jüngere noch am Tattag, der Ältere einen Tag später, nachdem die Medien den Vorfall gemeldet hatten. Beide hätten sie Sorge gehabt, durch die Videoaufzeichnungen am Busbahnhof identifiziert zu werden.
Busfahrer musste mehrfach im Gesicht operiert werden
Der Busfahrer erzählte gestern eine ganz andere Geschichte: Als er von den Toiletten gekommen sei, habe er den 18-Jährigen mit dem Stinkefinger erkannt, sei auf diesen zugegangen, um ihn zur Rede zu stellen. Dazu jedoch sei es gar nicht mehr gekommen, weil der andere ihm von hinten einen Schlag auf den linken Brustkorb versetzt hat, der ihm "den Atem genommen" habe. Als er sich umdrehte, habe er von dem 18-Jährigen ohne weiteres einen Faustschlag aufs rechte Auge bekommen - mit den Worten: "Jetzt bringe ich Dich um."
Es folgten weitere Faustschläge ins Gesicht, bis er ohnmächtig wurde. Wach geworden sei er, als einen Fußtritt ins rechtes Auge gespürt habe. Plötzlich, so der Zeuge, "wurde das Auge ganz rot, dann schwarz." Als er versucht habe, aufzustehen, habe er einen weiteren Tritt aufs Nasenbein bekommen. Dann habe er noch gesehen, wie die beiden Schläger wegrannten.
Die ohnmächtigen Bilder verfolgen den Busfahrer, der wiederholt im Gesicht operiert werden musste, bis in die schlaflosen Nächte: "Es ist immer wieder der Kampf um meinen Körper, um mein Leben". Der Vorfall habe den Vater von drei kleinen Kindern völlig aus der Bahn geworfen, sagte Anwalt Ohm. Er sei depressiv, voller Angst und Zorn. Die Versuche der Stadtwerke, ihn wieder als Busfahrer zu integrieren und wieder fahrtüchtig zu machen, seien gescheitert. "Jetzt will man ihn nur noch loswerden." Das sei sehr bitter.
Die Entschuldigungen der beiden Angeklagten wollte der 44-Jährige auch gestern nicht hören: "Was soll das, mit dem Fuß ins Gesicht treten?", sagte er kopfschüttelnd. Er begreift den furchtbaren Anschlag auf sein Leben immer noch nicht. Sein Anwalt hatte vor zwei Jahren bereits einen Antrag auf 10.000 Euro Schmerzensgeld gestellt. Ohm: "Aber wenn man sich ansieht, wie ein Mensch völlig zerstört wurde, ist das noch viel zu wenig."
Der Prozess wird fortgesetzt. © Kölner Stadt-Anzeiger
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.