Die Spuren der Flut sind noch deutlich sichtbar. Der Wiederaufbau in der Astrid-Lindgren-Schule, die in Schleiden direkt an der Olef liegt, ist auch dreieinhalb Jahre nach dem Hochwasser noch nicht abgeschlossen.

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Doch während vor allem im Keller und an der benachbarten Grundschule noch fleißig gearbeitet wird, ist der Alltag im Inneren der Förderschule längst zurückgekehrt – und Alltag kann in diesem Fall so schön sein, so guttun.

Wann auch die äußeren Wunden verheilt oder zumindest vernarbt sind? So richtig weiß das Schulleiter Wolfgang Schmitz gar nicht. Mit seiner Mannschaft – und vor allem mit den Schülern – hat das Team der Astrid-Lindgren-Schule gelernt, das Beste aus der Situation zu machen. "Im Großen und Ganzen läuft es gut. Natürlich könnte es besser sein. Wenn es um den Zeitplan geht, wird auch schon mal tief durchgeatmet", sagt Schmitz: "Vier Wochen nach der Flut waren wir wieder am Start. Das hat allen Stabilität gegeben. Dadurch hat sich der Prozess des Wiederaufbaus verzögert."

Mindestens 25 Schüler waren selbst von der Flutkatastrophe betroffen

Die Stabilität und der Alltag seien für die Schüler aber wichtiger gewesen, als ein zügig wiederhergerichteter Keller. Mindestens 25 Schüler seien im Elternhaus selbst von der Hochwasserkatastrophe betroffen gewesen, so Schmitz: "Wir erleben immer noch, dass die Schüler teilweise Angstzustände haben."

Und wie an der Förderschule in Kall wird auch in Schleiden Rücksicht auf die Schüler genommen, die mit lauten Geräuschen ein Problem habe. So finden sämtliche Baumaßnahmen, die laut sind, erst nach dem Unterrichtsende statt. Was weiterhin fehlt, sind Therapieräume, ein Snoozleraum oder auch ein Raum, in dem das beliebte Sportangebot Spinning angeboten werden kann.

Mehr als 200 Schülerinnen und Schüler besuchen die Förderschule

In den vergangenen Jahren wurde der Geruch von Wasser, Schlamm und später von Beton an einem Tag überdeckt. Dann duftet es in der ganzen Schule – und auch auf dem Schulhof – nach Reibekuchen. Das Reibekuchenfest in der ALS fest etabliert. Auch nach der Hochwasserkatastrophe.

Und während im Erdgeschoss und im Keller noch fleißig gearbeitet wird, pulsiert auf den anderen Etagen das Schulleben. Mehr als 200 Schülerinnen und Schüler besuchen die Förderschule in Schleiden. Unterrichtet werden sie von 29 Kollegen – inklusive Schulsozialarbeiterin und einer MPT-Kraft. Und einem Hausmeister. Genau wie bei anderen Förderschulen sind an der ALS die jungen Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) machen wollen, gerade Mangelware.

Das Team der knapp 30 Kollegen wisse das familiäre und auch ländliche Umfeld der ALS zu schätzen, berichtet Schmitz. Und das nicht nur, wenn man aus der Region kommt. Zwei Pädagogen kommen ursprünglich aus Köln. "Manchmal haben wir Schwierigkeiten, jemanden an die Schule zu bekommen, aber wenn sie einmal da sind, dann wollen sie nicht mehr weg", sagt der Schulleiter.

Schülerbücher werden teilweise nur noch in digitaler Form verwendet

Der Unterricht sei – genau wie an allen anderen Schulen – seit der Corona-Pandemie deutlich digitaler geworden. Jeder Schüler verfüge über ein iPad. Auch Schülerbücher verwende man teilweise nur noch in digitaler Form. "Das Mathebuch haben wir gar nicht mehr in Papierform angeschafft", sagt Schulleiter Schmitz. Zudem kämen im Unterricht Robotiksätze zum Einsatz oder auch digitale Tafeln, weil auch die Lehrer deutlich digitaler auf- und eingestellt seien als noch vor ein paar Jahren.

"Corona war ein riesiger organisatorischer Aufwand, aber das haben wir ganz gut hinbekommen", berichtet Schmitz. Ein Modell, das die Schule damals eingeführt habe, hat die Pandemie überlebt. Es betrifft den Unterrichtsbeginn, wenn die Schüler, die zu 90 Prozent mit Bussen aus dem Einzugsgebiet Hellenthal, Dahlem, Blankenheim, Nettersheim, Kall und der Stadt Schleiden zur ALS kommen. "Wir fangen wesentlich entspannter an als früher. Die Kinder und Jugendlichen können in den Klassenräumen ankommen, bevor der Unterricht startet", erklärt Schmitz. Zuvor hätten die mehr als 200 Schüler auf dem Schulhof schon getobt und da sei es auch mal zu Reibereien gekommen.

Kunstraum wird auch schon mal zum Rückzugsraum für Kinder

Was auffällt: Die Schule geht auf die Bedürfnisse der Schüler individuell ein – sei es im Unterricht oder in der Pause. Da wird ein Kunstraum auch schon mal zum Rückzugsraum für Kinder, denen das wilde Treiben auf dem Schulhof zu laut oder emotional zu anstrengend ist. Sie finden im Kunstraum eine Art Zufluchtsort, an dem sie sich kreativ – und vor allem in Ruhe – verwirklichen können.

Der Lehrer, der die Kinder fördert, ist Quereinsteiger. Vor 16 Jahren war er nach eigenen Angaben noch Produktdesigner, nun ist er Förderschullehrer. "Die Schüler können hier frei an Kunstprojekten arbeiten, die durchaus auch ausgefallener sein können", erklärt er. So habe er mal mit einem Schüler einen Baseball genäht, was im Klassenverbund praktisch nicht umzusetzen sei.

Während im Inneren noch nicht alles wieder so ist wie vor der Flut, ist der Schulhof längst zum Schülerparadies geworden. So gibt es auf einem Schulhof nun einen Soccercourt, der rege bespielt wird, auf dem anderen ist eine Kletterlandschaft entstanden. Dafür musste allerdings ein wenig "normaler" Schulhof aufgegeben werden. Aktuell führt die eine oder andere aufgemalte Straße, die für den Mofa-Kurs gebraucht wird, ins Nichts. Aber da die Förderschule in den vergangenen Jahren gelernt hat, zu improvisieren, wird auch das kleine "Straßenverkehrsordnungsproblem" von Konrektor und Lehrer Janek Frings gelöst – und zwar mit Verständnis und Rücksichtnahme. Eben wie es im Straßenverkehr auch funktionieren sollte.

Hundertprozentige Quote bei der zentralen Abschlussprüfung

Was laut Schmitz hervorragend funktioniert, ist die schulische und berufsvorbereitende Ausbildung. Bei der zentralen Abschlussprüfung habe man eine hundertprozentige Quote. Da sei ein Wert, auf den man zu recht stolz sein könne. Und auch bei den Berufspraktika, die ab der Jahrgangsstufe 8 beginnen, schreibe man die Erfolgsgeschichte Jahr für Jahr fort. "Schüler gehen von unserer Schule auch direkt in die Arbeitswelt", berichtet Schmitz, der seit 25 Jahren in leitender Position an der ALS ist. "Ich bin damals mehr oder weniger in das Amt hineingerutscht: Und habe es noch keinen Tag bereut. Wir haben viel erlebt und es wird nie langweilig."

Schule ist mit den Jahren stetig gewachsen

Die Astrid-Lindgren-Schule in Schleiden wurde 1978 gegründet und bildet mit ihren Förderschwerpunkten Sprache, Lernen und emotional-soziale Entwicklung ein breit gefächertes Angebot für derzeit rund 205 Schülerinnen und Schüler. Die Kinder und Jugendlichen werden in Primar- und Sekundarstufe I individuell und ganzheitlich unterrichtet.

Im August 2017 wurden die beiden Standorte der Schule in Schleiden und Schmidtheim zusammengelegt. Die Astrid-Lindgren-Schule befindet sich in einem Gebäude im Schleidener Schulzentrum. Aufgrund der Hochwasserkatastrophe befinden sich das Erdgeschoss und der Keller aktuell in einer Sanierungsphase. Die oberen Etagen können aber weiterhin problemlos genutzt werden.

Rund 16 Millionen Euro sind im Wiederaufbauplan für das Projekt eingeplant. Im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss seien mit Ausnahme des zweiten Treppenhauses keine größeren Maßnahmen geplant, da sie von der Flut auch nicht betroffen waren. Lediglich der Aufzug, mit dem das Gebäude barrierefrei erschlossen wird, soll verbreitert werden.

Die Schule ist in den vergangenen Jahren größer geworden. Als die Schleidener Hauptschule aufgelöst worden ist, übernahm die Förderschule die Räumlichkeiten. Die Trägerschaft obliegt dem Förderschulzweckverband der Kommunen Hellenthal, Kall und Schleiden. Das Einzugsgebiet umfasst die Gemeinden Hellenthal, Dahlem, Blankenheim, Nettersheim, Kall und die Stadt Schleiden. Die Schüler kommen darüber hinaus auch aus Rheinland-Pfalz.

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Ein Fest, das in keinem Schuljahr fehlen darf: das Reibekuchenfest. Lehrer, Eltern und Schüler stehen dann gemeinsam in der Küche, um zahlreiche Reibekuchen zu braten – und natürlich auch gemeinsam zu essen.   © Kölner Stadt-Anzeiger

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