Es ist hektisch im Stoffladen "Eine Tüte Buntes", besser gesagt in dem, was von dem Geschäft an der Escher Straße 95 noch übrig ist.

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Der Umzug läuft auf Hochtouren. "Es überschlägt sich alles", sagt Unternehmerin Beatrice Englaender, während ihr Mann Hanno eines der wenigen noch verbliebenen Regale auseinanderschraubt, um die Teile kurz darauf in das neue, größere Ladenlokal am Wilhelm-Mevis-Platz 7 zu transportieren.

Am neuen Standort in der Stadtmitte sind Beatrice Englaenders Sohn Johannes und ihre Geschäftspartnerin Julia Ellmann (41) am Werk. "Die beiden schrauben gerade Regale an die Wände und räumen die ersten Stoffe ein", sagt die 46-Jährige. Sie selbst ist auch schon wieder auf dem Sprung, gönnt sich aber doch eine kurze Pause. "Mal tief durchatmen, puuuuuuhhhhhh", antwortet sie auf die Frage, wie es ihre gehe. "Wir freuen uns darauf, dass wir am 11. November, wenn alles gut geht, einen schönen großen neuen Stoffladen eröffnen dürfen."

Pulheim: Existenzbedrohende Großbaustelle

Die letzten Monate hatten es für die Unternehmerinnen in sich. Mitte Mai haben sie erfahren, dass an der Escher Straße, auch vor ihrem Laden, eine Großbaustelle entsteht, weil Gas- und Trinkwasserleitungen umgelegt werden und anschließend der Kanal an der Escher Straße zwischen der Jägerstraße und der Magdeburger Straße, am Nordring im Abschnitt Friedrich-Miethe-Weg und Escher Straße sowie an der Friedrich-Ebert-Straße saniert wird.

Auch die Fahrbahn und der Gehweg der Escher Straße werden erneuert. Die Bauarbeiten haben begonnen, sie dauern rund drei Jahre. Auf diese aus ihrer Sicht existenzbedrohende Situation, weil die Häuser wegen der Vollsperrungen nur zu Fuß erreichbar seien, aber kaum eine Kundin zu Fuß komme, um sich in der "Tüte Buntes" mit neuen Stoffen einzudecken, reagierten die Unternehmerinnen schweren Herzens.

Sie machten sich nach zehn Jahren an der Escher Straße auf die Suche nach einer neuen Bleibe. "Vielleicht haben wir diesen Kick gebraucht, dass wir hier aus unserer Komfortzone, aus unserer schönen Escher Straße, ausziehen mussten und dass wir den Schritt in die Innenstand, in einen größeren Laden wagen. Von allein hätten wir das sicherlich nicht getan."

Kunden und Großhändler hätten mitgefiebert und immer wieder gefragt: "Habt ihr schon was, wie sieht es aus?" "Julia hat intensiv gesucht, sie hat überall hintelefoniert." Letztendlich hätten sie das neue Ladenlokal über eine Ebay-Kleinanzeige gefunden. Durch Zufall, Anfang Juli. "Die Firma wollte aus ihrem Vertrag raus, daher hatte sie eine Anzeige geschaltet - ‚Nachmieter gesucht‘."

Es war viel los, unsere Kunden haben uns sehr gut unterstützt

Beatrice Englaender, Unternehmerin

Doch es vergingen Monate, bis die Unternehmerinnen ihre Unterschriften unter den Mietvertrag setzen konnten. Beatrice Englaender nennt ihn "das Buch", weil er so umfangreich ist. "Wir hätten schon im Juli einziehen können, aber weil so viele Instanzen beteiligt sind, hat es sich gezogen." Auch auf die Einzelhandelsgenehmigung für den Laden hätten sie lange gewartet.

"Am letzten Tag vor den Herbstferien, mitten im Räumungsverkauf, haben wir das Buch unterschrieben, in dreifacher Ausfertigung." Der kurzfristig angesetzte einwöchige Räumungsverkauf vor den Herbstferien war etwas Besonderes. "Es war viel los, unsere Kunden haben uns sehr gut unterstützt und viel Stoff mit nach Hause genommen. Das Tolle war, sie haben uns Kuchen gebracht, wir haben Abschiedsgeschenke bekommen. Obwohl wir nicht für immer gehen, waren wir alle ein bisschen traurig. Der Stoffladen war für uns alle unser Wohnzimmer."

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Mit dabei war auch Kundin Anja aus Vancouver in Kanada. Sie bestelle seit vier oder fünf Jahren bei ihnen. "Wir schicken ihr jedes halbe Jahr ein großes Paket. Sie hat es in letzter Sekunde geschafft und den Vormittag hier mit uns verbracht." Die Nähschule, die Beatrice Englaender und Julia Ellmann 2023 gegründet, bleibt vorerst am alten Standort – am Nordring 28.

"Wenn der Laden komplett leer ist, werden wir an irgendeinem Wochenende mit der Nähschule hierher an die Escher Straße 95 ziehen." Dann packen natürlich wieder alle Familienmitglieder mit an.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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