Keine Spur von froher Weihnacht: Wenige Tage vor dem Heiligen Abend hat die Caritas im Oberbergischen die Reißleine gezogen und beschlossen, dass die Möbelwelt geschlossen wird.
Der Mietvertrag wurde bereits gekündigt. 17 sogenannte AGH-Stellen (Arbeitsgelegenheiten) sowie drei Mitarbeiter der Caritas stehen somit auf der Straße. Die Caritas reagiert damit auf die angekündigte Streichung von Bundesmitteln für das Jobcenter Oberberg, weil sie – Stand jetzt – keine andere Finanzmittel in Aussicht hat.
Gummersbacher Bürgermeister besuchte die Caritas
Wie wichtig die von Menschen aus dem gesamten Kreis genutzte Möbelwelt an der Mühlenstraße und das Sozialkaufhaus an der Wilhelmstraße für die Region sind, wird auch dadurch deutlich, dass Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein und der Erste Beigeordnete Raoul Halding-Hoppenheit die Caritas kurz vor dem 4. Advent besucht haben und sich die Sorgen und Nöte der Mannschaft um Caritasdirektor Peter Rothausen und Kreisdechant Christoph Bersch angehört haben. Vor allem aber, was jetzt aktuell droht. Mit Hinblick auf die Streichung von Bundesmitteln hofft Bersch, dass sich die oberbergischen Bundestagsabgeordneten in Berlin an ihren Wahlkreis erinnern.
Die Schließung des Möbellagers ist genau das, was die Caritas vermeiden wollte. Zu wichtig sei diese Anlaufstelle – nicht nur für Bedienstete und Teilnehmer von Maßnahmen. Auch das Möbelhaus als Anlaufstelle für bedürftige Menschen ist damit nach jahrelanger wichtiger und wertvoller Arbeit Geschichte. Völlig offen ist noch, wie es mit dem Sozialkaufhaus in der Innenstadt weiter geht, das im Grunde mit der Wohnwelt als Ganzes zu sehen ist. Beim Treffen mit der Stadtspitze ist Peter Rothausen sichtbar angefasst: Im Jahr 2015 habe er zum letzten Mal Menschen entlassen müssen. Und nun wieder, wenige Monate vor seinem Ausscheiden. "Das tut weh", sagt er. Stand jetzt sind die Maßnahmen der Caritas vom Jobcenter ab Mai auf Null gesetzt. "Das hatten wir noch nie", sagt Rothausen.
Dabei sei die Infrastruktur von Möbelwelt und Sozialkaufhaus so viel mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen. Sie sind auch die niederschwellige Anlaufstelle für Frauenberatung/Frauenhaus, Suchtberatung, Schuldnerberatung, Migration, Schwangerenberatung. Rothausen spricht von einer "Ideenschmiede". Raoul Halding-Hoppenheit, der die oberbergischen Bürgermeister in der Trägerversammlung des Jobcenters vertritt, war einerseits schockiert ob der aktuellen Entwicklung, zugleich aber auch froh, einen so detaillierten Einblick zu bekommen.
Frank Helmenstein betonte, dass sich gute Sozialpolitik an den Menschen ausrichten müsse. Viele Menschen seien nicht in der Lage, am Konsum teilzunehmen. "Das Caritaskaufhaus ist deren einzige Möglichkeit." Dass das Konzept mit Sozialkaufhaus und Möbelwelt gebraucht werde, sehe man daran, dass es in Gummersbach seit 20 Jahren funktioniere. Daher müsse es eine Fortsetzungsperspektive geben, sagte der Bürgermeister. Andernfalls richte man hier "maximalen Schaden" an. Caritaschef Rothausen äußerte derweil die Sorge, dass die Geschäftsführung des Jobcenters die Förderung von Einzelmaßnahmen im Auge habe. So könne man kurzfristig Erfolge nachweisen, was wiederum gut fürs eigene Ranking sei.
Einigkeit herrschte bei dem Treffen darüber, dass die Struktur, so sie einmal beendet werde, nicht binnen eines Jahres wieder aufgebaut werden könne: "Hier wird etwas zerschlagen und den Menschen der Boden unter der Füßen weggezogen", sagt Rothausen. Eine letzte Hoffnung gilt daher der Trägerversammlung des Jobcenters, die am 20. Januar im neuen Jahr tagt. Dann sollen auch die Freien Träger mit am Tisch am sitzen, und, wie von Raoul Halding-Hoppenheit schon zuletzt gefordert, geklärt werden, ob und wie Geld umgeschichtet werden kann und ob beim Jobcenter selbst mit seinen 13 Dependancen im Kreis noch Einsparpotenzial besteht.
Bilanz: Wohnwelt und Kaufhaus haben nach eigenen Angaben eine Erfolgsbilanz vorzuweisen. Demnach sind seit dem Jahr 2021 schon 13 Menschen in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vermittelt worden, 28 in ein befristetes. In eine Weiterbildung kamen neun Teilnehmer und in weitere Maßnahmen gingen 64. Seit Juni 2021 wurden knapp 310 Menschen begleitet mit dem Ziel: Herstellung von Tagesstruktur, Aufbau von Belastbarkeit, Ausbau von beruflichen Fähigkeiten als Annäherung zum ersten Arbeitsmarkt. Einsatzgebiete waren gemeinnützigen Institutionen wie Altenheime, Kitas, Bauhöfe, Sozialkaufhäuser.
Das sagt das Jobcenter Oberberg: Rainer Drescher, Geschäftsführer des Jobcenters Oberberg, nimmt Stellung zur aktuellen Lage: "Mittel für arbeitsmarktliche Förderleistungen und Verwaltungskosten werden jährlich über die Eingliederungsmittelverordnung zugewiesen. Da der Bundeshaushalt noch nicht beschlossen ist, existiert diese Verordnung für 2025 noch nicht, es gibt jedoch Planungen. Laut diesen ist das Jobcenter Oberberg von den Kürzungen stärker betroffen als der Bundes- oder NRW-Durchschnitt.
Die Mittelzuteilung basiert auf der Anzahl der Leistungsempfänger zur Jahresmitte des Vorjahres sowie auf dem Anteil erwerbsfähiger Bürger, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, und dem Anteil der Langzeitleistungsempfänger. Da der Oberbergische Kreis einen vergleichsweise geringen Anteil an Bürgergeldempfängern und Langzeitleistungsbeziehern aufweist, wird die Mittelzuteilung für das Jobcenter Oberberg voraussichtlich geringer ausfallen", so Drescher.
Geschäftsführer des Jobcenters Oberberg spricht von "schmerzlicher Reduzierung"
Die Kürzungen führten zu einer "schmerzlichen Reduzierung" der Unterstützungsangebote. Für das Jahr 2025 stünden jedoch voraussichtlich 5,3 Millionen Euro für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt im SGB II-Bereich zur Verfügung. Ein Großteil dieser Mittel sei bereits gebunden, da vertraglich vereinbarte Eingliederungsmaßnahmen, die 2025 weiter umgesetzt würden, insbesondere für benachteiligte Menschen vorgesehen seien.
Dazu gehören laut Rainer Drescher Arbeitsgelegenheiten (bis einschließlich Mai 2025), Maßnahmen zur Aktivierung und beruflicher Eingliederung, Programme für schwer erreichbare Jugendliche, Beschäftigungsförderung durch Eingliederungszuschüsse und die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben nach §16i SGB II für marktferne Bewerber. © Kölner Stadt-Anzeiger
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