Es läuft die 37. Minute in einem bis dahin packenden Fußballspiel in der Kreisliga A. 2:3 liegt der SSV Weilerswist bei der SG Hellenthal zurück.

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Ein SSV-Stürmer verlängert einen hohen Ball mit dem Kopf und eilt ihm dann hinterher. Der gegnerische Torwart verlässt seinen Kasten. Außerhalb des Strafraums steigen beide Spieler hoch zum Ball und prallen bei der Aktion heftig mit den Köpfen zusammen.

Eine Szene, wie sie sich so ähnlich an jedem Wochenende auf den Fußballplätzen zuträgt. Doch in diesem Fall mit fatalen Folgen. Noch in der Luft habe der Weilerswister Spieler nach dem Zusammenprall das Bewusstsein verloren, schildert Weilerswists Trainer Frederik Ziburske.

Hellenthals Co-Trainer und ein Zuschauer leisten Erste Hilfe

Sofort eilen Hellenthals Co-Trainer Moritz Reder und ein Zuschauer auf den Platz, kümmern sich um den Weilerswister und den ebenfalls verletzten Torwart. Beide haben eine Rettungsdienstausbildung, leisten Erste Hilfe. Ein Rettungswagen wird gerufen. Als dessen Besatzung die Schwere der Verletzung erkennt, die der Stürmer erlitten hat, wird ein Rettungshubschrauber angefordert.

Erstmeldungen, dass der Spieler auf dem Platz reanimiert werden musste, beruhen auf einem Missverständnis. "Unser Spieler hat selbstständig geatmet", stellt Ziburske klar. Ein Schädel-Hirn-Trauma und ein Nasenbeinbruch seien mittlerweile diagnostiziert worden.

Weilerswister Fußballer wurde in ein künstliches Koma versetzt

Mit dem Hubschrauber, der neben dem Sportplatz landet, wird der Verletzte in die Uniklinik Aachen geflogen. Sein Zustand ist am Sonntagabend kritisch. Der Spieler wird in ein künstliches Koma versetzt. Mit der Aufwachphase soll am Montag begonnen werden.

Seine Mannschaft lässt ihn nicht alleine. Einige Spieler fahren von Sieberath aus nach Aachen in die Uniklinik. "Es ist eine schwere Situation für alle Beteiligten", sagt Frederik Ziburske. Der Verletzte ist noch nicht lange beim Verein. "Er ist sehr beliebt. Er setzt sich für andere ein", erzählt Ziburske.

Andere Vereine nehmen Anteil und zeigen Betroffenheit

Dass der Fußballsport die Menschen verbindet, zeigt sich noch am Abend. Zahlreiche Vereine posten im Internet aufmunternde Worte, zeigen Anteilnahme und Betroffenheit. Im Spiel Gegner auf dem Platz, aber als Sportkameraden vereint.

Der Fußball ist in Weilerswist aktuell verständlicherweise in den Hintergrund gerückt. Die Bewältigung des Traumas steht in dieser Woche statt Trainingseinheiten auf dem Programm. Dazu will sich der Verein auch fachmännische Hilfe holen. Die Partie am Sonntag gegen Frauenberg? "Die ist momentan sehr weit weg", sagt Ziburske.

Schiedsrichter haben einen psychologischen Ersthelfer

Auch bei den anderen Beteiligten ist der Fußball gerade in den Hintergrund gerückt. Den Schiedsrichter habe der Vorfall sehr mitgenommen, sagte Uwe Stark, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses, der am Montagabend nach Redaktionsschluss eine Versammlung hatte. "Da wollen wir noch mal länger reden", kündigte Stark an. Auch der psychologische Ersthelfer, den die Fußballkreise benennen müssen, wird sich des Schiedsrichter-Kollegen annehmen.

Auch bei der SG Hellenthal gibt es gerade Wichtigeres als Fußball. Beim Torwart, der nach dem Zusammenstoß die Rote Karte sah, besteht der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung. "Es war eine heftige Szene. Ob er schon realisiert hat, was da passiert ist, ist unklar", sagt sein Trainer Thomas Valtinke. Es klinge vielleicht nach einer Floskel, aber: "Fußball wird da zur Nebensache. Man sieht sein Hobby plötzlich in einem anderen Licht", so der Trainer weiter. Man habe Kontakt zu professioneller Hilfe aufgenommen. Das Training am Mittwoch soll für die Aufarbeitung des Geschehens genutzt werden. "Es ist jedem freigestellt, zu kommen", sagt Valtinke. Spaziergang und Gespräche statt Fünf gegen Zwei. Der Trainer sagt: "Falls einer schon früher reden will, bin ich immer da."

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Am Sonntagabend habe er selbst noch viel mit seiner Freundin gesprochen. "Wenn man das alles Revue passieren lässt, stellt man sich schon die Frage, was passiert wäre, wenn nicht die beiden Ersthelfer vor Ort gewesen wären", sagt Valtinke. Das Fazit aus dem Gespräch: "Es gibt so viele Statuten und Auflagen. Aber keine, die besagt, dass jemand vor Ort sein muss, der weiß, wie man hilft." In einem Brief an den DFB will er diesen Vorschlag platzieren.  © Kölner Stadt-Anzeiger