Ulrich G. aus Bad Münstereifel ist vor knapp drei Monaten bei einer Hundeattacke in Wahlen schwer verletzt worden.
Nun erhebt er Vorwürfe gegen das Veterinäramt des Kreises Euskirchen und das Ordnungsamt der Gemeinde Kall. Beide Ämter hätten in diesem Fall ihren Job nicht richtig gemacht. Sie seien Hinweisen nicht oder nur halbherzig nachgegangen. Was der 61-Jährige überhaupt nicht begreifen kann, ist der Umstand, dass das Tier bereits kurz nach dem Vorfall dem Halter zurückgegeben wurde, obwohl der vorgeschriebene Wesenstest noch nicht durchgeführt worden war. Laut Ordnungsamt hat der Test mittlerweile stattgefunden, das Ergebnis liege aber noch nicht vor.
Die beiden Ämter weisen die Vorwürfe zurück. Das Kreisveterinäramt erklärte auf Anfrage dieser Zeitung, es sei in dem Fall gar nicht zuständig. Das Kaller Ordnungsamt verweist auf mehrere Auflagen, die dem Halter nach dem Vorfall gemacht wurden. Die würden auch regelmäßig kontrolliert und etwaige Verstöße geahndet. Der Halter wollte sich gegenüber der Redaktion nicht zu dem Vorfall äußern.
Bad Münstereifeler war regelmäßig mit Hund Rocco unterwegs
"Ich habe viele Jahre in der Nachbarschaft gewohnt", sagt der 61-Jährige. Der Nachbar habe damals drei oder vier Hunde gehalten. Heute seien es deutlich mehr. Er habe der Familie angeboten, sich um einen Berner Sennenhund mit Namen Rocco zu kümmern, der auf ihn einen verstörten Eindruck gemacht habe. Mit dem Einverständnis des Halters sei er mit dem Tier regelmäßig Gassi gegangen. Die Spaziergänge seien dann über die Jahre hinweg zur Routine geworden. "Das habe ich aus Tierliebe gemacht."
Bis zum Dezember 2023 habe er in Wahlen gewohnt, sei dann aber nach Bad Münstereifel gezogen. Seitdem sei er noch zwei- bis dreimal im Monat mit Rocco unterwegs gewesen. An dem besagten Tag habe er den Hund wieder abholen wollen und habe nur den Ledergurt des Zauns geöffnet, ohne das Grundstück zu betreten: "Da zwängte sich eine Bulldogge bereits durch einen Spalt und biss mir sofort in den Arm. Der Hund hat auch danach nicht von mir abgelassen." In seiner Not sei er zu einer Nachbarin gelaufen und habe so stark an die Hauseingangstür geklopft, dass das Glas der Tür zu Bruch gegangen sei und er sich weitere Verletzungen zugezogen habe.
Anwohner in Wahlen hörten Schreie, konnten aber nicht helfen
Die Frau habe dann die Haustür geöffnet und er sei in den Flur gefallen. Dort habe ihn der Hund aber weiter attackiert. "Weil ich zwischen Tür und Treppenaufgang lag, konnte ich die Tür nicht schließen. Plötzlich ließ der Hund dann aber von mir ab", berichtet das Opfer. Erst im Nachhinein habe er erfahren, dass er das einem Nachbarn zu verdanken hatte, der seine Schreie gehört hatte: "Der Mann hat um die Hausecke geschaut. Als die Bulldogge ihn sah, ist sie ihm hinterhergelaufen." Der 47-Jährige sei ebenfalls von dem Hund gebissen und in ein Krankenhaus gebracht worden. Die Nachbarin hatte der Polizei später berichtet, dass sie einen Eimer kaltes Wasser auf den Hund gekippt habe, um ihn in die Flucht zu schlagen.
Nach Angaben des 61-Jährigen hatten mehrere andere Anwohner ebenfalls seine Schreie gehört: "Sie konnten mir aber nicht helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen." Ein Mann sei mit seinem Auto vor den Hof gefahren und habe wie wild gehupt.
Zwischenzeitlich hatte die Nachbarin, in deren Haus sich Ulrich G. gerettet hatte, die Polizei informiert. Beim Eintreffen der Beamten am Einsatzort habe bereits ein Rettungswagen gewartet, teilt die Polizei auf Anfrage mit. Ein weiterer Rettungswagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug sowie ein Rettungshubschrauber seien auf dem Weg gewesen. Ein Verletzter habe sich in einem Gebäude befunden. Weitere Personen, darunter auch zwei Verletzte, seien auf der Straße gewesen. "Mehrere Hunde, darunter auch das Tier, das zugebissen hatte, befanden sich hinter einem geöffneten Bauzaun auf einem Grundstück", teilt Polizeisprecher Franz Küpper mit.
Polizisten näherten sich mit gezogener Waffe und Pfefferspray
Die Streifenwagenbesatzung sei mit gezogener Waffe und Pfefferspray an den Bauzaun herangetreten, die Hunde hätten sich daraufhin auch dem Zaun genähert. Küpper: "Sie machten auf meine Kollegen einen gesteigerten aggressiven Eindruck." Der Hund, der den Mann angegriffen hatte, habe sich im hinteren Teil des Grundstücks befunden.
Die Hunde seien mit Pfefferspray zurückgehalten und der Bauzaun mit einem daran angebrachten Gürtel provisorisch geschlossen worden. Damit sei ein erneutes Herauslaufen der Hunde verhindert worden, so Küpper.
Mit Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht
Ulrich G. musste anschließend mit einem Rettungshubschrauber in eine Uniklinik geflogen werden und lag eine Woche im Krankenhaus. Bis heute muss er am linken Arm eine Orthese tragen. Auch der 47-Jährige wurde in ein Krankenhaus gebracht. Ulrich G.: "Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war, habe ich mit dem Kreisveterinäramt über den Vorfall und die Situation vor Ort gesprochen." Dort habe man sich aber desinteressiert gezeigt.
Dr. Jochen Weins, Leiter der Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung beim Kreis Euskirchen, erklärte auf Anfrage, dass das Kreisveterinäramt in dem Fall gar nicht zuständig sei. "Wir schalten uns ein, wenn uns angezeigt wird, dass eine Haltesituation nicht in Ordnung ist." Das sei hier aber nicht der Fall. Ob Halter einen Sachkundenachweis haben, müssten die Ordnungsämter prüfen.
Hund darf Grundstück nur an der Leine und mit Maulkorb verlassen
Zu dem Vorfall in Wahlen gebe es mehrere Versionen. "Der Mann kannte die Situation und den Hund, der ihn gebissen hat. Er hat sich wohl überschätzt", sagte Weins. Zu anderen Vorfällen mit dem Hund habe man keine Informationen. Der Hund habe sich im Tierheim völlig unauffällig verhalten und sei deshalb auch zum Halter zurückgebracht worden.
"Wir haben der Familie Auflagen gemacht, wie der Hund künftig zu halten ist", erklärt Jessica Stermoljan, Leiterin des Kaller Ordnungsamts. Er müsse beispielsweise in einem separat eingezäunten Bereich gehalten werden und dürfe sich nicht frei auf dem Grundstück bewegen. Das Grundstück dürfe der Hund nur an der Leine und mit Maulkorb verlassen. Ausschließlich Personen mit einem Sachkundenachweis dürften mit dem Tier unterwegs sein. "Wir müssen uns an Recht und Gesetz halten und bei unseren Maßnahmen immer die Verhältnismäßigkeit wahren", betonte Markus Auel, Allgemeiner Vertreter des Kaller Bürgermeisters. Es müsse genau geprüft werden, mit welchen Maßnahmen die Sicherheit gewährleistet werden kann.
Gutachten der Tierärzte liegt noch nicht vor
"Es hat mehrmals unangemeldete Kontrollen vor Ort gegeben. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Auflagen nicht eingehalten werden", erklärte Auel. Deshalb sei das Tier auch wieder dem Halter übergeben worden. Bei Verstößen drohten Bußgelder. Der Wesenstest solle ursprünglich Anfang Dezember durchgeführt werden. Er wurde nach Auskunft der Gemeinde verschoben, hat aber inzwischen stattgefunden. "Das Veterinäramt des Kreises wird von uns über alle Schritte informiert. Auch der Termin für den Wesenstest wurde abgesprochen", so Auel. "Das Gutachten der Tierärzte des Kreisveterinäramts liegt noch nicht vor", sagte Stermoljan. Aus ihrer Sicht habe sich der Hund unauffällig verhalten. Die Tierärzte hätten sich auch die Haltung der anderen Tiere angesehen.
Ordnungsamt und Kreisveterinäramt betonen, dass sie keine Kenntnisse von weiteren Vorfällen haben. Ein Nachbar berichtete dieser Zeitung aber, dass der betreffende Hund schon mehrfach Leute attackiert habe. Einmal habe das Tier den Bauzaun umgestoßen und ihn auf seinem Grundstück angegriffen und in den Arm gebissen: "Ich habe damals aber keine Anzeige erstattet. Das war ein Fehler." Er sei aber bereit, dem Ordnungsamt den Arztbericht zur Verfügung zu stellen. Das ist aber laut Stermoljan bislang noch nicht geschehen. © Kölner Stadt-Anzeiger
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