Ein Weihnachtskonzert im Zeichen programmatischer Kreativität – das hatten sich das Kölner Kammerorchester und sein Leiter Christoph Poppen für ihren jüngsten Auftritt in der Kölner Philharmonie auf die Fahnen geschrieben.

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Zwei Dirigenten im Wechsel (Poppen und Oliver Sperling, der Leiter des Mädchenchores am Kölner Dom), eben dieser Mädchenchor, eine Agenda, die von 1600 bis in die Gegenwart reicht, und eine waschechte Uraufführung – von vorfestlicher Routine konnte da keine Rede sein.

Das Gerüst lieferten dann allerdings doch die unvermeidlichen italienischen Weihnachtskonzerte der Locatelli, Manfredini, Torelli und Corelli, die das (hier nur mit Streichern besetzte) Orchester freundlich dahinplätschern ließ. Kaum konnte man sich dabei des Eindrucks erwehren, dass diese Musik weder zu den Favoriten des Dirigenten (Poppen) noch der Orchestermitglieder gehört (einiger Zauber kam immerhin in Corellis "Pastorale" auf).

Die unvermeidlichen italienischen Weihnachtskonzerte

Diese Folge wurde aber erfreulich aufgesprengt durch den Mädchenchor, der sich, in unterschiedlicher Stimmgruppenaufteilung, Chorwerken von großer stilistischer Diversität widmete: einer Weihnachtsmotette von Tomás Luis de Victoria, den Gloria-Sätzen aus zwei Salzburger Messen von Michael Haydn, Kodalys "Die Engel und die Hirten" sowie zwei Gegenwartskompositionen: Michael Bojesens "Gloria" und Manuel Fischer-Dieskaus eben erstmals erklingendem "Der auf dem Thron sitzt, lacht". Das sind vor allem rhythmisch teils heikle Stücke, deren Klippen die Mädchen indes sehr ordentlich bewältigten.

Die Uraufführung? Die Beziehungen des Cellisten Manuel Fischer-Dieskau zu Poppen und zum Kölner Kammerorchester sind eng, freundschaftlich und lange etabliert. Der jüngste Sohn des legendären Baritons war Mitglied im Cherubini-Quartett (mit seinem Cousin Poppen als Primarius), und die jetzt gespielte Komposition hatte noch der 2023 verstorbene Vorstandsvorsitzende der Formation, Franz Xaver Ohnesorg, angeregt. Jetzt ist das neue Werk dem Andenken an ihn gewidmet.

Zu seinem Beginn und am Ende wird indes nicht gespielt oder gesungen, sondern – gelacht. Der Titel des Werks, der "dem stets lachenden Ohnesorg" gelten soll, zitiert den zweiten Psalm. Ein freilich etwas merkwürdiger Zusammenhang, denn dort lacht (selbstredend) nicht Ohnesorg, sondern ein eigentlich ergrimmter Gott, der seinen Feinden unter den Menschenvölkern spottet und sie anschließend zerschlagen wird "wie des Töpfers Gefäße". Der Gesangspart bringt dann die Evangelienstellen, in denen von Jesu Beziehungen zu Kindern die Rede ist.

Die Textur des Stücks ist vielseitig, auf eine geradezu szenische Weise lebendig zwischen choralhafter Einstimmigkeit, psalmodierenden Strecken und einer seraphischen Akkordfülle. Deren trotz "verfälschender" Dissonanzen obwaltende Dur-Orientierung weckt Assoziationen an Mendelssohn. Farbig sind zumal die – mit Quartfall-Folgen stark intervallisch geprägten – Interventionen der Bläser. Sicher, ein abschließendes Urteil ist nach einmaligem Hören unmöglich, die Dichte der Komposition erfordert mehrmalige Befassung.

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Die Novität wurde in der Zugabe gleichsam ausbalanciert durch das Weihnachtslied aller Weihnachtslieder: eine teils etwas kitschige Chor/Orchester-Version von "Stille Nacht". Immerhin verzichtete Poppen darauf, das Philharmonie-Publikum zum Mitsingen zu animieren.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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