Die Mauer zum Maarweg ist malerisch überwuchert, Verkehrslärm dringt gedämpft ans Ohr. Idyllisch bis verwunschen mutet die Kleingartenanlage mit ihren ungewöhnlich alten, hohen Bäumen an, in einer Parzelle werden gerade Feigen geerntet.
Nur Kater Oskar ist ein bisschen irritiert, schließlich wurde er beim Mittagsschlaf gestört. Denn im Garten von Katja Erdmann unterhalten sich die Besucher wieder mal angeregt über die Zukunft ihrer Kleingartenanlage "Kölsche Kiwis". Über ihre Zukunft – oder über ihr mögliches endgültiges Aus.
Denn die Anlage ist akut gefährdet: Der Eigentümer der schmalen Grünfläche zwischen Maarweg und dem Parkplatz des Rheinischen Bildungscampus, die Aurelis Real Estate, hat sich an einer europaweiten Ausschreibung der Stadt beteiligt. Wenn der Immobilienentwickler den Zuschlag erhält, wird hier alles platt gemacht und eine fünfzügige Grundschule mit Zweifachturnhalle hochgezogen. Die Entscheidung könnte schon auf der Sitzung des Schulausschusses am 25. November fallen.
Petition für Erhalt unterschreiben über 3000 Menschen
Nachdem diese Zeitung Anfang des Jahres über die Situation berichtet hatte, wurde eine Petition zum Erhalt der 24 Garten-Parzellen gestartet, der sich bislang knapp 3350 Bürger angeschlossen haben. Karin Chirila etwa, die hier noch keinen eigenen Garten hat, sondern erst einmal auf der Warteliste steht. "In Ehrenfeld gibt’s zu wenig Grün", sagt sie. "Hier hat man noch die Chance, etwas anzubauen, und es darf auch mal etwas chaotisch aussehen." Und dann seien da ja noch Artenschutz und Klimawandel.
Chirilas Einsatz für die Kleingärten ist insofern bemerkenswert, als sie in einer der rund 450 neuen Wohnungen lebt, die in den vergangenen Jahren nebenan, auf dem ehemaligen Gelände des Ehrenfelder Güterbahnhofs, entstanden sind. Immerhin begannen die Probleme der "Kölschen Kiwis" ja mit dem Verkauf der rund sieben Hektar großen Fläche. "Aber auf die Bewohner sind wir nicht sauer, im Gegenteil, viele von ihnen unterstützen uns ja und haben die Petition unterschrieben", erklärt "Kiwi" Ralf Krienke.
Kein Bestandsschutz für Kleingärten in Ehrenfeld festgelegt
Mit ihrem Wohnungsbau-Konzept hatte die Aurelis als neuer Eigentümer des Bahnhofsgeländes die Gartengrundstücke damals noch nicht angetastet, was dem Wunsch von Bürgern und Politikern entsprach. Doch bei der Aufstellung des Bebauungsplans für das Areal, den der Stadtrat 2017 auf der Grundlage dieses Konzepts beschloss, wurde der Bestandsschutz für die Gärten nicht ausdrücklich festgelegt.
Als es dann um die Ausschreibung für eine Grundschule ging, konnte das Unternehmen dem Generalpächter der Gärten, dem Verband Bahn-Landwirtschaft (BLW), deshalb mit der Begründung "öffentliches Interesse" problemlos zum 30. November 2024 kündigen.
Beim BLW handelt sich um eine Sozialeinrichtung der Deutschen Bahn beziehungsweise ihres Vorläufers Reichsbahn, die ungenutzte Grundstücke im Umfeld von Bahnanlagen Kleingärtnern zur Verfügung stellt. Am Maarweg war das seit mehr als 100 Jahren der Fall. Nach dem Eigentümerwechsel fungierte der BLW nur noch als Zwischenpächter, der nach der Kündigung durch die Aurelis seinerseits gezwungen war, den "Kölschen Kiwis" zu kündigen. "Die Aurelis hat allen Pächtern eine Entschädigung in Höhe von je 3000 Euro angeboten, wenn wir die Gärten sofort verlassen", erzählt Katja Erdmann. "Aber das Geld haben nur drei von uns angenommen."
Der Großteil der "Kiwis" hofft darauf, dass sich die Aurelis bei der Ausschreibung für die Grundschule nicht durchsetzen kann. Dann wäre auch die Kündigung "nach dem deutschen Kleingartengesetz unwirksam", wie Erdmann erläutert. Sebastian Rehnelt, Leiter Development in der Aurelis Region West, hatte dieser Zeitung gegenüber bereits angekündigt, das Unternehmen werde in diesem Fall "die Gespräche mit der BLW über eine Weiternutzung der Kleingärten wieder aufnehmen".
Die "Kölschen Kiwis" zählen darauf, dass die Politik dann Nägel mit Köpfen macht. So hat die Bezirksvertretung Ehrenfeld bereits beantragt, der Stadtentwicklungsausschuss solle die Kleingärten dauerhaft im Bebauungsplan sichern, einen ähnlichen Antrag hat die Ratsgruppe Klimafreunde und Gut gestellt.
Bislang konnte wegen der laufenden Ausschreibung darüber nicht entschieden werden. "Aber wir waren bei jeder Sitzung des Schulausschusses dabei und haben viel Zuspruch von Ratsmitgliedern für unser Anliegen bekommen", berichtet Katja Erdmann. Auch am 25. November werden sie vor Ort sein. © Kölner Stadt-Anzeiger
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