Florian Deimer aus Lohmar hat das zehntbeste Gedächtnis Deutschlands - das darf er seit den diesjährigen Gedächtnismeisterschaften von sich sagen.
Unter den "Newcomern", die in diesem Jahr zum ersten Mal am Intelligenzwettbewerb teilnahmen, belegte er sogar den ersten Platz.
Ist Florian Deimer ein "Superhirn?" "Ich war nie ein Überflieger, ich hatte ein Abi von 3,0", so der 30-Jährige, "aber es gibt viele Gedächtnistechniken, die ganz normal lernbar sind." Welche Techniken das sind und wie er sie in wenigen Monaten trainiert hat, zeigt Florian Deimer auf seinem YouTube-Kanal.
Zahlenreihen durch Geschichten behalten
"Wenn man es ganz grob erklärt, versucht man, sich Dinge in Bildern vorzustellen", so Deimer, "Für das Gehirn das evolutionsbedingt besonders einfach". Er stelle sich für eine Kombination aus zwei Zahlen beispielsweise immer ein Bild vor: "Die 25 ist eine Pfanne, die 47 ist ein Orca". Wenn man diese Bilder dann durch Geschichten verknüpfe, könne man sich schnell eine lange Zahlenreihe merken.
In zehn Disziplinen trat Deimer im Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn über drei Wettkampftage gegen andere Gedächtnissportler an. Zu den Aufgaben gehörte unter anderem, sich ein komplettes Kartendeck in kurzer Zeit zu merken oder möglichst vielen Gesichtern die passenden Namen zuzuordnen. "In der Vorbereitung hatte ich manchmal sowas wie ‚Konzentrationsmuskelkater‘ - einmal habe ich mir 30 Minuten lang Zahlen gemerkt und wollte dann meine Punktzahl aufschreiben, die ich aber sofort wieder vergessen hatte", erzählt Deimer.
Was aber macht ein gutes Gedächtnis überhaupt aus? "Ich hab mich mal mit dem Neurowissenschaftler Dr. Boris Nikolai Konrad unterhalten, der meinte ‚Leute, die sagen, sie haben ein gutes Gedächtnis, haben vor allem ein gutes Selbstvertrauen‘", sagt Deimer. Das Gedächtnis sei wie ein Muskel, den man trainieren könne oder eben nicht: "Die meisten anderen Gedächtnissportlerinnen, die ich dort getroffen habe, sind ganz normale Leute, die einfach Interesse daran haben, sich geistig herauszufordern."
Selbstexperimente auf YouTube
Im nächsten Schritt möchte Deimer seinen Followern zeigen, wofür sie die Gedächtnistricks in ihrem Leben anwenden können: "Ich finde es schade, dass ich solche Techniken zu Zeiten, wo ich sie wirklich gebraucht hätte, noch nicht kannte - zum Bespiel in der Schule oder in der Uni", so Deimer. Deswegen hat er aktuell die Idee, gemeinsam mit einer Universität an einem Video zu arbeiten: "zu sowas wie: wie kann ich ein Medizin-Modul in 30 Tagen bestehen?" Auch beim Lernen einer Fremdsprache können seine Tricks hilfreich sein, so Deimer.
Deimer selbst helfen die neuen Techniken auch in seinem Leben außerhalb der Intelligenztests: als selbstständiger Moderator spricht er regelmäßig auf Hochzeiten, Sport- oder Politikveranstaltungen, wo er sich lange Texte und viele Namen merken muss. Seit 2011 hat er seinen eigenen YouTube-Kanal, wo er vor allem Selbstexperimente zeigt.
So trainierte Deimer 30 Tage für einen Marathon, nahm zwei Monate Gesangsunterricht und musste dann auf einer Bühne singen, probierte sich in Stand-Up-Comedy. "Ich möchte Leute dazu motivieren, Neues auszuprobieren. Wenn mir jemand, der ein Video von mir gesehen hat, schreibt, er habe sich jetzt zum Beispiel auch eine Gitarre gekauft, dann macht mich sowas glücklich."
Wenn man Florian Deimer in einem seiner Videos als Stand-Up-Comedian sieht, kann man sich schwer vorstellen, dass er als Kind und Jugendlicher sehr schüchtern und introvertiert war: "Damit ziehen mich Freunde heute immer noch auf: Ich hab' teilweise nicht geantwortet, wenn mich jemand etwas gefragt hat."
Seine Videos hätten ihm dabei geholfen, sich zu überwinden und seiner Neugier zu folgen: "Vorher habe ich wegen meiner Schüchternheit oft Gelegenheiten verstreichen lassen, um Dinge auszuprobieren, die ich eigentlich total interessant fand." Das beobachte er bei vielen Menschen in seinem Umfeld: "Viele haben Hemmungen, etwas anzufangen, und reden sich dann auch selbst runter: Ich bin zu alt, nicht klug genug oder nicht sportlich genug."
Wichtig sei ihm auch, dass bei Hobbys nicht zwingend die Leistung im Vordergrund stehen muss: "Ich hab in der Kindheit nie ein Instrument gespielt, aber seit meinem Gesangsexperiment singe ich manchmal mit Gitarre. Das mache ich nicht super aktiv, aber es hilft mir, wenn es mir gerade emotional nicht gut geht."
Inspiriert durch seine Selbstexperimente als Stand-Up-Comedian arbeitet Deimer heute auch als selbstständiger Moderator. 2021 zog er nach Lohmar, einerseits weil seine Freundin in der Nähe lebte, aber auch da er sich durch die Nähe zu Köln und Bonn mehr Möglichkeiten zum Moderieren erhoffte. Sein Abitur hat er in Gelsenkirchen gemacht. © Kölner Stadt-Anzeiger
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