Vor zwei Jahren verließ die damals zehnköpfige Schwesterngemeinschaft der Trappistinnen um Äbtissin Sr.

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Gratia ihr Kloster Maria Frieden oberhalb von Dahlem. Der Rheinische Verein für katholische Arbeiterkolonien kaufte das mit Klostergebäuden, Feldern und Wiesen rund 36 Hektar große Gelände. Seitdem wird hier kernsaniert und umgebaut. Eine neue Außenstelle der Wohnungslosenhilfe für bis zu 30 alleinstehende Frauen entsteht. Die ersten sechs Frauen sind vor wenigen Monaten eingezogen.

Gertrud (Name geändert) aus der Nordeifel blickt ins Grüne. "Hier sagen sich tatsächlich Fuchs und Hase ‚Gute Nacht‘. Hasen laufen hier immer wieder rum", sagt die Mittfünfzigerin und grinst. Sie ist eine der Ersten, die im Mai im einstigen Kloster eine neue Heimat gefunden haben. Abgeschiedenheit und Stille, um wieder Kraft zu schöpfen für die Welt da draußen.

Das Projekt in Dahlem hilft auch gegen die Wohnungsnot

Gertrud hat eine nagelneu hergerichtete Wohneinheit bezogen. Wände mussten dafür durchbrochen, neue Versorgungsleitungen im rund 6000 Quadratmeter großen, aus mehreren Gebäuden, einer Kirche und einem zu drei Vierteln vollendeten Kreuzgang bestehenden Ensemble verlegt werden. Es ist ein auf rund vier Jahre angelegtes Projekt. Der einstige Gästetrakt und fast der gesamte einstige Krankentrakt des Klosters sind nun bezugsfertig.

Rund 20 Quadratmeter hat jetzt auch Gertrud für sich. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung – ungefähr das Doppelte dessen, was bis 2022 die Trappistinnen hatten. Ein Raum gilt nun als öffentlich, weil hier Besucher empfangen werden können. Der andere ist Rückzugs- und Schlafraum. "Ich bin froh, dass ich hier einen Platz gefunden habe", sagt Gertrud. Nach dem Tod ihres Partners habe sie die gemeinsame Wohnung verloren und zunächst in einer Geflüchtetenunterkunft gewohnt. "Versuchen Sie mal, eine Wohnung zu finden. Wenn Vermieter schon Arbeitslosengeld hören: keine Chance!" Sie habe in der Folge zuerst im Vellerhof gelebt, bevor sie als Teil der ersten Wohngruppe in die entstehende Außenwohnanlage oberhalb von Dahlem umzog.

Der Rheinische Verein für katholische Arbeiterkolonien mit Sitz in Aachen, der das Clemens-Josef-Haus – besser bekannt als Vellerhof – bei Hüngersdorf in der Gemeinde Blankenheim betreibt, hat in den Umbau von Maria Frieden bisher schon rund 950.000 Euro investiert. Wie Frank Brünker, Vorstand des Vereins, erklärt, gehe man alleine für den Ausbau des ehemaligen Gästetraktes und der einstigen Krankenstation von an die 1,5 Millionen Euro Kosten aus.

Der Umbau kostet mehr als 1,5 Millionen und wahrt die Geschichte

Am Ende des Tages, da machen sich Brünker und Werner Hoff, Geschäftsführer des Clemens-Josef-Hauses, keine Illusionen, werde man bei deutlich mehr als diesen 1,5 Millionen Euro landen. Denn: "Der größte Brocken, der Ausbau der einstigen Klosterklausur, kommt ja noch", so Brünker. An die Vorbesitzer erinnert noch eines der Besucherzimmer in einem schmalen Trakt.

"Wir haben das bewusst so gelassen, um so die Geschichte des Gebäudes wachzuhalten", so Michael Fasen, Bereichsleiter Wohnungslosenhilfe im Clemens-Josef-Haus. Daneben ist die frühere Trennung zwischen profanem und klösterlichem Bereich verschwunden. Hier sind jetzt Räume für die drei Sozialarbeiterinnen, den Hausmeister und die Haustechnik zu finden.

Gertrud und ihre derzeit fünf Mitbewohnerinnen finden es zwar immer mal wieder etwas störend, dass der Handwerkerlärm der Baustelle ihren Alltag stört, aber so bekommen sie auch mit, wie das Angebot und die Chancen wachsen. "Bei einem solchen Projekt, derzeit das Größte bei uns, geht es nur Schritt für Schritt. Und in den ersten Jahren wird man keine schwarzen Zahlen schreiben. Das ist so", sagt Vorstand Frank Brünker.

Auch die Räume für Kreativangebote entstehen nach und nach. Die große Gemeinschaftsküche – kleinere Teeküchen gibt es zusätzlich in den Wohnbereichen – ist schon fertig. Die sechs Frauen der ersten Wohngruppe bewirtschaften sie, sie kaufen ein, was nötig ist, sie kochen gemeinsam. Wenn Gertrud gerade keine der tagesstrukturierenden Aufgaben übernimmt, dann kann sie sich zurückziehen. Oder sie versucht einen kleinen Job zu finden: "Ich würde gerne im Stall mithelfen, mit Tieren arbeiten."

Für die Besucher der einstigen Abtei wird ein Café entstehen

Es sind Szenen eines Lebens, das ganz bewusst abseits der Öffentlichkeit inmitten der Eifelnatur stattfindet. Für Außenstehende sichtbar wird die neue Perspektive für Maria Frieden noch bis Ende des Jahres mit der Neugestaltung der beiden kleinen, 1935 als nationalsozialistische Muster-"Schäferei" erbauten Spitzhäuser vor dem eigentlichen Klostergelände. Sie dienten zuletzt als Hausmeisterwohnhaus.

Hier soll ein Co-Working-Café entstehen. "Dienstagmorgens nach der wöchentlichen Messe gibt es dann, wie es auch die Trappistinnen hielten, wieder Kaffee und Kuchen, auch an den Wochenenden", so Michael Fasen. Zudem sollen die beiden Häuschen Platz für eine kleine Wohn-WG bieten. Im neuen Café wird es in der Event-Klosterbäckerei gebackenen Kuchen geben, die Backstube sei so gut wie betriebsbereit, so Werner Hoff.

Mehr als 40 Frauen stehen aktuell auf der Warteliste

Man liege im Zeitplan der Gesamtmaßnahme, so Brünker und Hoff. Bis Ende 2025 sollen 23 von später einmal 30 Frauen hier Wohnraum finden. Frauen, die wohnungslos sind oder von Wohnungslosigkeit bedroht, die in wirtschaftlichen und sozialen Problemlagen leben, eine Abhängigkeitserkrankung haben oder unter psychischen und/oder körperlichen Beeinträchtigungen leiden. Das Betreuerteam steht bereit. "Was uns fehlt, ist eine Hauswirtschafterin", so Werner Hoff.

Gertrud sitzt in der Nachmittagssonne. Sie kann hier solange bleiben, wie es ihr guttut. Die Sozialarbeiterinnen müssen dem Kostenträger LVR gegenüber die Notwendigkeit in Halbjahresberichten nachweisen, so verlangt es das Sozialgesetzbuch. Zieht Gertrud aus, muss Bereichsleiter Michael Fasen nicht lange suchen: Auf der Warteliste stehen aktuell mehr als 40 Frauen. Der Bedarf nach geschützten Wohnplätzen ist nach wie vor groß. Man habe sich beileibe nicht verkalkuliert in den Annahmen, so Frank Brünker.

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Was da gerade aus ihrem ehemaligen Kloster wird und so dringend gebraucht wird, darüber werden die Trappistinnen um Äbtissin Sr. Gratia regelmäßig auf dem Laufenden gehalten. Auf 70 Jahre garantiert haben die Ordensschwestern das Recht, ihren Friedhof am alten Kloster aufzusuchen. Am 2. November werden sie, wie es im Orden Tradition ist, in ihrer alten Kirche die Messe zu Allerseelen lesen und danach in stiller Prozession genau dorthin gehen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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