Es war ein Angriff wie in einem schlechten Horrorfilm: Grundlos und heimtückisch wurde ein ehemaliger Unternehmer (67) am Abend des 9. Mai 2023 in seinem Haus in Hangelar von einem Unbekannten mit einem Messer attackiert.

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Für diesen Überfall wurde am Freitag ein 33-Jähriger vom Bonner Schwurgericht zu sieben Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Strafkammer wertete die Tat als versuchten Mord.

Nach Überzeugung der Richter klingelte der wie ein Michael-Jackson-Double in elegantem Schwarz gekleidete Mann gegen 19 Uhr an der Haustür des 67-Jährigen, gab sich als Mitarbeiter der Telekom aus und fragte, ob mit dem Internet "alles in Ordnung" sei. Der Hausherr bejahte, zufällig sei gerade sein IT-Experte da, der sich um die Software kümmere.

Sankt Augustiner kämpfte zehn Minuten gegen den Angreifer

Der angebliche Telekom-Vertreter ging dann scheinbar, läutete aber wenig später erneut. Der Hangelarer öffnete – und in diesem Moment zog der Fremde ein Messer mit mindestens 20 Zentimeter langer Klinge, sprang auf den 67-Jährigen zu und stach von oben auf ihn ein. Geistesgegenwärtig drückte der Angegriffene die Tür zu, doch der Angreifer schob noch seinen linken Schuh in den Spalt.

Nun begann ein etwa zehnminütiger Kampf: Von innen stemmten sich der Bewohner und sein Gast gegen die Tür, von außen presste der Fremde dagegen. Er bekam zwar einen Fausthieb ins Gesicht, gab jedoch nicht auf. Ein Versuch der zwei angegriffenen Männer, mit einem Feuerzeug das Hosenbein des 33-Jährigen anzuzünden, schlug fehl.

Die Polizei sicherte Speichel- und Blutspuren am Tatort

Doch irgendwann verließen den Angreifer die Kräfte, er zog den Fuß zurück, so dass die Tür geschlossen werden konnte. Ein Nachbar, der auf seiner Terrasse stand und rauchte, sah ihn mit zwei Taschen in der Hand in Richtung Friedhof davoneilen. Als der Zeuge den Unbekannten verfolgen wollte, rief ihm der Überfallene besorgt zu: "Geh zurück in deine Wohnung, der Angreifer hat ein Messer!"

Die Polizei sicherte Speichel- und vom Fausthieb stammende Blutspuren des Täters, die ein Jahr später zu seiner Festnahme führten. Denn der Verdächtige meldete sich Wochen nach dem Überfall mehrfach bei der Polizei in Bonn, weil er angeblich beraubt worden sei. Einem Beamten der Wache Gabi am Hauptbahnhof fiel dabei die Ähnlichkeit des Anzeigenerstatters mit dem Phantombild des unbekannten Messerangreifers auf; jetzt kannten die Ermittler seinen Namen, aber noch fehlte der letzte Beweis für eine Hausdurchsuchung.

Den erhielt der Sachbearbeiter der Kripo durch ein blutverschmiertes Hemd, mit dem der 33-Jährige bei der Polizei erschienen war, um einen Raub auf ihn zu melden. Das Kleidungsstück wurde sichergestellt, die DNA mit der vom Tatort verglichen – Treffer. Am 6. März 2024 wurde er in seiner Wohnung in Oberkassel verhaftet. Die Vorsitzende Richterin Alexandra Brüggemann lobte die Arbeit der Polizei als "vorbildlich".

Vor Gericht drehte der Angeklagte die Tatdarstellung um

Der Angeklagte, 1991 in Berlin geboren, wurde als Kind Opfer von Missbrauchstaten seines leiblichen Vaters und des neuen Partners seiner Mutter. Als Folge dieser Übergriffe leidet der Angeklagte nach Überzeugung eines Sachverständigen an einer komplexen Persönlichkeitsstörung, er höre Stimmen, die ihm befehlen, sich selbst zu verletzen. Die Kammer sah allerdings keine Anhaltspunkte für eine Psychose. Vor Gericht beschuldigte der 33-Jährige das Opfer und den IT-Experten, sie hätten ihn an jenem 9. Mai angegriffen, als er ihnen einen Handyvertrag verkaufen wollte, er habe sich mit einem Taschenmesser verteidigt. Diese Aussage wertete die Kammer als "reine Schutzbehauptung".

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Staatsanwalt Matthias Borgfeldt hatte acht Jahre Haft gefordert, Verteidigerin Carolin Warner eine deutlich mildere Strafe. Ihr Mandant muss sich möglicherweise für eine weitere Bluttat vor Gericht verantworten. Wenige Wochen nach dem Überfall in Hangelar soll er bei einer Messerattacke auf ein älteres Ehepaar in Sankt Augustin dabei gewesen sein, bei der ein 79-Jähriger schwer verletzt worden war. Die Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft in dieser Sache sind noch nicht abgeschlossen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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