Der ehemalige Geschäftsführer des Marien-Hospitals Euskirchen will offenbar in Kürze sein Schweigen im Prozess vor dem Bonner Landgericht brechen.
Er ist einer von drei Angeklagten, denen die Staatsanwaltschaft Bonn vorwirft, die Stiftung Marien-Hospital um 6,6 Millionen Euro geschädigt und die Beute unter sich aufgeteilt zu haben. Untreue, Bestechung, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung lauten die Vorwürfe.
Der Ex-Klinikchef hatte am ersten Verhandlungstag Ende Oktober die Vorwürfe über seinen Anwalt bestreiten lassen, sich selbst aber noch nicht zu Wort gemeldet. Als Termin für seine mit Spannung erwartete Einlassung werde nun der Verhandlungstag 20. Januar "als Zielkorridor" angepeilt, so der Vorsitzende Richter Dr. Thomas Poell.
Marien-Hospital Euskirchen soll um 6,6 Millionen Euro geschädigt worden sein
Die beiden weiteren Angeklagten, ein Bauunternehmer und der frühere technische Leiter der Stiftung Marien-Hospital, hatten im November Teilgeständnisse abgelegt – wobei Letzterer am Donnerstag seine damalige Aussage korrigierte. Anfang November hatte er erklärt, dass er im April 2018 noch nicht gewusst habe, dass der damalige Klinikchef zwei Grundstücke von der Stiftung erwerben wolle. Das habe er erst im Juli erfahren. "Das ist nachweislich unwahr", hielt ihm am Montag Staatsanwalt Pascal Regh vor und verwies auf eine sichergestellte E-Mail, die diese Aussage widerlegte.
Am Donnerstag nun erklärte der Ex-Technikchef: "Nach Durchsicht der von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Urkunden muss ich einräumen, dass meine Erinnerung mich offenbar getäuscht hat." Das ist insofern von Bedeutung, als laut Anklage die Firma des angeklagten Bauunternehmers im Juli 2018 vorbereitende Erdarbeiten auf dem besagten Grundstück vorgenommen habe, die sie allerdings nicht dem damaligen Klinik-Geschäftsführer, sondern der Stiftung in Rechnung gestellt haben soll.
Angeklagter musste frühere Einlassung korrigieren
Der technische Leiter und der Geschäftsführer, so die Anklage, hätten die Rechnung freigegeben. Der Stiftung sei dadurch ein Schaden von fast 288.000 Euro entstanden. Der frühere technische Leiter stellte am Donnerstag aber auch klar, dass der Erwerb der Grundstücke durch den Ex-Geschäftsführer zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden habe. Es habe lediglich die Absicht bestanden. Der Kaufvertrag ist auf Mitte August datiert, wie den Prozessakten zu entnehmen ist.
Im Fokus des Verhandlungstages stand der Erdaushub für den Neubau eines OP-Zentrums im Frühjahr 2022. Wie ein zuständiger Mitarbeiter der Stadt Euskirchen als Zeuge erklärte, seien dem Bauherrn nach einem Ortstermin, bei dem auch die für Kampfmittel zuständige Bezirksregierung Düsseldorf vertreten gewesen sei, Vorsichtsmaßnahmen empfohlen worden.
Denn der Kampfmittelbeseitigungsdienst hatte zuvor auf eine Anfrage hin mitgeteilt, dass gefährliche Hinterlassenschaften aus der Zeit vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in diesem Bereich nicht ausgeschlossen werden könnten.
Hat Bauunternehmen rund 800.000 Euro zu viel berechnet?
Ob sich tatsächlich Kampfmittel im Bereich des vorgesehenen Baufelds befunden haben, konnte aber auch nicht festgestellt werden. Eine genaue Untersuchung des Bodens durch Sensoren sei nämlich nicht möglich gewesen, erläuterte der städtische Mitarbeiter: "Das Gerät kann nicht unterscheiden, ob es eine Leitung, eine Bombe oder ein Ölfass ist." Und Leitungen habe es diesem Bereich gegeben.
Als Vorsichtsmaßnahmen wurden empfohlen, den Boden in 30-Zentimeter-Schichten abzutragen und einen Feuerwerker zu engagieren, der neben dem Bagger stehen und die Arbeiten intensiv beobachten sollte, um gegebenenfalls in Aktion zu treten. Nach dieser Empfehlung an den Bauherrn sei das Thema für die Stadt die erledigt gewesen: Kontrollen, ob sich der Bauherr an die Ratschläge halte, seien nicht vorgesehen: "Das machen andere Städte auch nicht."
In der Regel hielten sich die Bauherren an solche Empfehlungen, schon im eigenen Sinne: Wenn etwas passiere, wolle sich schließlich niemand mangelnde Vorsicht nachsagen lassen – schon gar nicht in der Nähe eines Krankenhauses. Dr. Alexander Paradissis, Anwalt des Ex-Geschäftsführers, betonte auch, dass die Einhaltung solcher Empfehlungen schon allein im Hinblick auf eine Sorgfaltspflicht wichtig sei.
Letztlich wurden keine Kampfmittel beim Aushub auf dem Klinikgelände in Euskirchen gefunden. Laut Anklage seien der Stiftung aber für diese Vorsichtsmaßnahmen und das Sieben des Erdreichs rund 2,8 Millionen Euro in Rechnung gestellt worden – und damit rund 800.000 Euro zu viel. Das, so die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift, hätten die drei Angeklagten zuvor so abgesprochen.
Darüber, ob etwas an diesem Vorwurf dran ist, brachte dieser Verhandlungstag jedoch keine Erkenntnisse. Der ehemalige technische Leiter der Stiftung hatte in seinem Teilgeständnis im November dem Gericht erklärt, dass ihm bei der Überprüfung dieser Rechnungen keine Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien. © Kölner Stadt-Anzeiger
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