"Puddingteilchen – und unser Oliven- und Kümmelbrot", Johannes Halver muss bei der Frage nach seinem Lieblingsprodukt nach eigener Rezeptur nicht lange nachdenken.
Und seine Frau Heike ergänzt spontan: "An Karneval musste es immer ein Berliner sein, das französische Landbrot liebe ich auch." Mit Begeisterung und Leidenschaft erzählt das Unternehmerpaar von seinen Backwaren. Doch die wird es nicht mehr geben: Der 1860 gegründete Familienbetrieb hat geschlossen, die Bäckerei und Konditorei an der Hauptstraße wurde von der Klein's Backstube übernommen. Die Frechener Institution "Halver" ist nach 164 erfolgreichen Jahren Vergangenheit.
Gründe für Geschäftsaufgabe der Frechener Bäckerei sind vielschichtig
Die Gründe für die Geschäftsaufgabe sind vielschichtig: Der 61-jährige Johannes Halver hat seit Jahren gesundheitliche Probleme aufgrund einer schweren Augenerkrankung, die fast dreijährige Suche nach einem Nachfolger war vergebens – trotz aller Bemühungen und Gesprächen mit der Innung. "Es war einfach kein Ende abzusehen mit der Arbeit, wir waren uns einig, dass wir das auf Dauer nicht mehr leisten können und wollen", berichtet das Ehepaar. Die Umsätze seien so stark gewesen, dass sie eigentlich drei Mitarbeiter mehr hätten haben müssen.
Doch trotz der in der Bäckerei- und Konditoreibranche innovativen Fünf-Tage -Woche mit freiem Wochenende sei es unmöglich gewesen, neue Mitarbeiter zu finden. "Wir haben alles versucht, sind in den sozialen Medien aktiv, waren bei der Innung und bei den Meisterschulen. Letztendlich mussten wir das Sortiment verkleinern, um alles geregelt zu bekommen", so Johannes Halver. Auch die dreijährige Suche nach einem Nachfolger, der die Bäckerei und Konditorei als Einzelunternehmen weiterführt, sei vergebens gewesen. Niemand von der Familie, die Nichten und Neffen, habe einsteigen wollen.
Für die Mitarbeiter brach eine Welt zusammen
Sehr lange habe das weinende Auge im Vordergrund gestanden, für die Mitarbeiter sei mit der Nachricht über die Schließung eine Welt zusammen gebrochen. "Wir hatten ein ganz tolles Team, sie haben immer hinter uns gestanden, manche Mitarbeiter waren 30 oder sogar 40 Jahre bei uns." Das neue Bäckereiunternehmen hätte gern alle 16 Mitarbeiter übernommen, so Halvers, diese hätten aber bereits alle andere Jobs gefunden. "Die letzten drei Monate hat aber das lachende Auge überwogen, die letzten Jahre haben wir unter Dauerdruck gestanden, seit drei Jahren waren wir nicht mehr im Urlaub oder mussten diesen vorzeitig abbrechen", erzählt Familie Halver, "wir haben nur die eine Gesundheit, wir mussten diese Entscheidung treffen."
Dass die Familie Klein das Geschäft übernommen habe, sei ein Glücksfall. "Auch unsere Kunden haben sich gefreut, dass es eine Bäckerei und ein Café bleibt", berichtet Familie Halver. Und dennoch sei besonders die letzte Woche sehr emotional gewesen, der Abschied von den Kunden sei aber kein endgültiger, da das Ehepaar Halver in dem Haus an der Hauptstraße wohnen bleibt: "Wir werden sicherlich viele Kunden hier in Frechen weiterhin sehen, was uns sehr freut." Den Raum für die Konditorei behält Johannes Halver – für den Eigenbedarf.
Bisher sei es allerdings noch nicht ruhiger bei ihnen geworden, bis zum Jahreswechsel seien sie noch mit dem Abschluss beschäftigt, berichtet das Ehepaar. "Wir sind noch in der Dauerschleife und müssen erstmal bei uns ankommen", so Familie Halver. Sie freuen sich auf mehr gemeinsame Zeit. Zudem gibt es noch den quirligen Terrier Lynus in der Familie, der zwar einen kuscheligen Stammplatz im Büro hat, sich aber auch über Wanderungen freut. Und einen Plan für die weitere Zukunft haben die beiden bereits: "Wir haben ja alle Familienrezepte aus allen Jahrzehnten – vielleicht veröffentlichen wir einmal ein Rezeptbuch."
Die Bäckerfamilie
Schon 1836 mahlten die Eltern von Wilhelm I. Halver Korn und Getreide, um Brot zu verkaufen. Mit Pferd und Wagen zog dieser durch die Lande und lernte auf einer seiner Liefertouren in Frechen Anna Deutzmann kennen und lieben. Nach der Hochzeit eröffneten sie 1860 ihre Bäckerei an der Stelle, an der das Unternehmen auch noch heute ansässig ist.
Der zweitälteste Sohn des Gründerpaars, Johann, ging bei seinem Vater in die Lehre, machte die Meisterprüfung und verfeinerte die Familienrezepte. Der gute Ruf des Brotes erweiterte den Kundenstamm, bessere Öfen und Maschinen erleichterten die schwere körperliche Arbeit.
Während des Zweiten Weltkriegs war Wilhelm IV. Halver eine wertvolle Kraft in der Backstube. Schon als Elfjähriger backte er gemeinsam mit seinem Opa Brot für die hungrigen Frechener aus rationiertem Mehl.
"Tag für Tag standen die Menschen Schlange vor unserer Bäckerei, um ihre Marken gegen Brot zum Leben einzutauschen", erinnert er sich. Doch auch nach Kriegsende waren die ersten Jahre nicht leicht. Erst nach und nach normalisierte sich die Lage, bis die regionalen Bauern wieder verschiedene Getreide anbauen konnten. Das war dann die Zeit, in der viele neue Brotsorten entstanden, auch als Ausgleich für die mageren Jahre.
Infolge des Krieges erkrankte Bäckermeister Johann schwer und starb. Noch vor dem Abitur musste sein Sohn Willy die Schule abbrechen, um 1950 gemeinsam mit seiner Mutter Loni und den Mitarbeitern den Betrieb weiterzuführen. Seine Verflechtung von traditioneller Handwerkskunst mit neuester Technik und Wissen um die Rohstoffe machte schon früh den Erfolg der Halver-Waren aus. Der Erfolg forderte mehr Platz, und die Bäckerei wurde 1972 zum zweiten Mal umgebaut, der Verkaufsraum auf 70 Quadratmeter vergrößert.
1986 begann Johann Halver im Familienbetrieb, den der Bäckermeister bis Oktober zusammen mit seiner Frau Heike in fünfter Generation führte. (aj) © Kölner Stadt-Anzeiger
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