Dem Angeklagten war die Sache sichtlich peinlich: Er saß nervös neben seinem Verteidiger Michael Kurth auf der Anklagebank der 16. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts, wischte sich wiederholt den Schweiß aus dem Gesicht, griff mit zitternder Hand zur Wasserflasche und nahm einen tiefen Schluck. Es ging ja auch um etwas sehr Intimes, das niemand gern in die Öffentlichkeit tragen will: um Sex.

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Der selbstständige Kaufmann aus Niederkassel (54) war wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt worden, und gleich würde Staatsanwältin Vanessa Weber die Details vortragen. Als sie sich erhob, wurde der Angeklagte noch eine Spur blasser.

Angeklagter aus Niederkassel räumte die Tat vor Gericht vollständig ein

Nach den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft hatte er in der Nacht zum 19. März 2022 eine für einen Kölner Escort-Service arbeitende Prostituierte in sein Büro in Niederkassel bestellt, die er von einer vorherigen Verabredung schon kannte. Beide rauchten zuerst eine Zigarette, dann zahlte er der Frau die vereinbarten 200 Euro Grundpauschale und legte noch 30 Euro für ungeschützten Oralverkehr drauf. Sie wollte dafür 50 Euro haben, der Kaufmann handelte den Preis aber herunter. Anschließend soll sie der Freier zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben, obwohl sie ausdrücklich ein Kondom verlangt hatte.

Während er nach der Tat das Büro aufräumte, rief die Bulgarin draußen die Polizei an und zeigte den heute 54-Jährigen wegen des sexuellen Übergriffs an. In den frühen Morgenstunden klingelte eine Streife an seiner Wohnung, er leugnete zunächst ("Davon weiß ich nichts"), rang sich dann aber auf der Fahrt zur Wache dazu durch, den Geschlechtsverkehr zuzugeben; das Präservativ habe er weggeworfen.

Offenbar hatte Verteidiger Kurth seinen Mandanten in der Zwischenzeit gut beraten, denn vor Gericht räumte der bisher nicht vorbestrafte Angeklagte die Tat vollständig ein, so dass dem Opfer eine Aussage erspart werden konnte. Er bat die Geschädigte um Entschuldigung, die sie annahm, und zahlte ihr zudem freiwillig als Entschädigung 20 000 Euro. Die Frau hat einen Monat nach der Vergewaltigung ihren Job als Escort-Dame aufgegeben und ist in ihre Heimat zurückgekehrt.

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Die Strafkammer verurteilte den 54-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Richter folgten damit dem Antrag der Staatsanwältin und der Nebenklägerin; der Verteidiger hatte zehn Monate Haft gefordert.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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