Verheißungsvoll leuchten die Lichter der Zirkuskuppel in der frühen Winterdämmerung, verlockend ziehen Düfte von Zimt, gebrannten Mandeln und Glühwein über den Platz zwischen Bundesstraße und Bahnschienen.

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An der Kasse hat sich eine Schlange von aufgeregten Kindern und erwartungsvollen Erwachsenen gebildet. Vor den Feiertagen hat die Familie Bügler hier mit einem Weihnachtszirkus ihre Zelte aufgeschlagen, am Samstag und Sonntag gibt es zum letzten Mal Gelegenheit für die großen und kleinen Zuschauer, in magische Momente einzutauchen.

"Wir schaffen eine Traumwelt", meint die 70-jährige Chefin Sophia Maria Bügler, die zusammen mit ihrer Schwiegertochter Angel Popcorn und Liebesperlen verkauft. "Aber anders als am Tablet oder Handy können Kinder bei uns die Tiere anfassen und alles hautnah erleben." Und das – zum ersten Mal in Gummersbach – mitten im Winter. "Es ist für uns ein Experiment", sagt Angelo Bügler, der den Glühweinstand betreut, ehe er in seine Rollen als Artist, Dompteur oder Clown schlüpft "Wie es nach 15 Vorstellungen aussieht, scheint es zu glücken."

Tochter Juliana in roter Samtjacke und Zipfelmütze kontrolliert am Eingang zum Zelt die Eintrittskarten, 120 Plätze gibt im gemütlich warmen Zelt, rund zwei Drittel sind schließlich besetzt. Die Zwölfjährige hat noch Ferien, ab Dienstag beginnt für sie wieder die Zirkusschule. Dann heißt es im Wohnwagen täglich von 8 bis 14 Uhr lernen, zum Teil online, regelmäßig bekommt die Fünftklässlerin auch Lehrerbesuch. Danach wird zwei Stunden für die Auftritte trainiert. Mit Reifen gewirbelt, als biegsames "Schlangenmädchen", als Assistentin bei der Dressur von Ziegen, Esel, Lama und Pony. Denn ihr Berufswunsch steht bereits felsenfest: Artistin. So wie ihre Eltern, Großeltern, Urgroßeltern. "Mir gefällt hier alles, das ganze Leben!", schwärmt sie – und schlüpft schnell in ihr rosa Glitzerkostüm.

Ihr Vater Angelo ist skeptischer. "Die Kinder sollen erst einmal was lernen, damit sie eine Alternative haben", gibt er zu bedenken. Anders als er selbst: "Wir können alles, schweißen zum Beispiel. Aber einen Schein habe ich nicht. Ich könnte höchstens Lkw fahren. Aber das wäre nichts für mich." Vor allem ist da die Tradition, die Leidenschaft für den Beruf.

Aber: "Es ist ja nicht einfach als kleiner Zirkus heute. Manchmal gibt es Probleme mit den Kommunen. Und da sind die hohen Kosten. Energie, Futter für die Tiere." Auch in den langen Wintermonaten. Die verbringt die Familie im Winterquartier in Hunstig, da fühlt sie sich zu Hause, das Grundstück hat der heute 76-jährige Vater Stefan vor 28 Jahren gekauft. "Wir sind der Gummersbacher Zirkus!", sagt er.

Umso enttäuschter ist Sohn Angelo, dass sie im ganzen Stadtgebiet nur insgesamt 40 Plakate aufhängen durften. "Wir sind doch von hier! Da hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht", bedauert er, ehe er als Clown Antonio im Ringelshirt Kinder im Publikum zu kleinen Ball-Champions macht, während ihre Väter – zum Teufel! – das Ziel immer wieder verfehlen und damit für stürmisches Gelächter sorgen.

Wir sind doch von hier! Da hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht.

Stefan Bügler, Seniorchef

Als seine Frau, die 29-jährige Angel unter der Zirkuskuppel atemberaubende Kunststücke zeigt, spart das Publikum nicht mit Beifall, der sportliche Dalmatinerhund Marshall wird mit Begeisterung begrüßt, Die Stimmung steigt noch, als Angelo, der "Mann mit dem eisernen Kinn" den kleinen Giordano in schwindelnder Höhe auf einem Stuhl balanciert. Wie seine Schwester genießt der Dreieinhalbjährige das Rampenlicht, turnt im Elfenkostüm mit wachsenden Vergnügen durch die Manege. "Immer ganz wie er Lust hat", versichert Mutter Angel, auch sie stammt aus einer alten Zirkusfamilie.

Weihnachten haben die Büglers aus ganz Deutschland zusammen gefeiert, "fünf Kinder, 22 Enkel und zehn Urenkel waren zu Besuch", erzählt Oma Sophia Maria, die früher auf dem Drahtseil tanzte und jetzt auf Baby Sienna aufpasst. "Manchmal ist es gut, wenn man keine Nachbarn hat, die sich über Kindergeschrei aufregen", stellt sie pragmatisch fest. Und dann macht sie noch ihrer Empörung Luft über einen, der in Dieringhausen von Haus zu Haus gehe und den Namen des Zirkus missbrauche, um Geld zu erbetteln. "Das ist keiner von uns, wir sind keine Hausierer und keine Bettler", betont sie stolz.

Drinnen im Zelt brandet Beifall für die Vorstellung der Familie auf, und Jubel, als die kleinen Zuschauer selbst in die Mange dürfen und sich auf dem Ponyrücken für einen magischen Moment selbst als kleine Artisten fühlen können.

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Shows

Wer den Weihnachtszirkus auf dem Gastro-Gelände in Gummersbach-Dieringhausen besuchen möchte, hat noch am Samstag und Sonntag jeweils um 16 Uhr Gelegenheit. Der Eintritt kostet für Erwachsene 16 Euro, für Kinder 14 Euro.   © Kölner Stadt-Anzeiger

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