Die Erwartungen sind groß. Medial wird Tim Tramnitz zur neuen deutschen Formel-1-Hoffnung gemacht. Was auch daran liegt, dass der 19-Jährige auf den Spuren des viermaligen Weltmeisters Sebastian Vettel wandelt. Denn Tramnitz ist seit einigen Wochen wie Vettel früher auch ein Red-Bull-Junior, er wird von der Marke gefordert und gefördert.

Ein Interview

Wir haben uns mit Tim Tramnitz über die Chancen und Herausforderungen unterhalten, aber auch über einschneidende Erlebnisse und finanzielle Probleme.

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Herr Tramnitz, Sie sind seit einigen Wochen Red-Bull-Junior. Was hat sich dadurch für Sie verändert?

Tim Tramnitz: Zunächst haben sich der Helm und die Klamotten verändert, die ich an der Rennstrecke trage. Ich laufe in Red-Bull-Sachen herum und das ist schon etwas, das man sich sein ganzes Motorsportleben lang gewünscht hat. In das Juniorprogramm von Red Bull zu kommen und so eine Marke zu repräsentieren, ist extrem cool für einen Sportler. Daneben ist auch der Terminkalender deutlich voller geworden. Ich hatte einige Termine mit Red Bull Deutschland, war auch schon in Fuschl im Red-Bull-Hauptquartier und auch in Milton Keynes beim Formel-1-Team, wo ich dann zum Beispiel in Zukunft Simulator fahren werde.

Red-Bull-Junior, was bedeutet das konkret?

Ich bin jetzt im Formel-1-Juniorprogramm von Red Bull. Mit dem Programm fördert Red Bull Fahrer und unterstützt sie auch finanziell. Hinzu kommt auch der Aspekt, dass man als Red-Bull-Junior mit den Leuten aus der Formel 1 zusammenarbeitet. Man erhält also viel Input von extrem erfahrenen Menschen, was gerade mir in meiner Position natürlich extrem hilft.

Wie ist es konkret dazu gekommen, dass Red Bull Sie ausgewählt hat?

Ich denke, dass das Interesse möglicherweise schon zu meiner Formel-4-Zeit entstanden ist, gerade im zweiten Jahr, was ja recht gut lief. Und das konnte ich in diesem Jahr nochmal bestätigen. Und Mitte des Jahres gab es dann das erste Mal Kontakt zu Red Bull und zu Helmut Marko [Motorsport-Chef von Red Bull; Anm.d.Red.]. Dann haben wir uns getroffen und alles in die Wege geleitet.

Die Red-Bull-Schule ist berüchtigt für den bisweilen harschen Umgangston. Sind Sie schon von Helmut Marko angepampt worden?

(lacht) Nein, bislang ist alles super. Ich fühle mich richtig wohl mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite. Auch die Gespräche mit Marko waren immer positiv, cool und haben Spaß gemacht. Natürlich war ich sehr aufgeregt, als ich ihn das erste Mal getroffen habe. Aber ich glaube, das ist in gewisser Weise auch normal.

Viele werden sich möglicherweise fragen: Ist das jetzt die halbe Miete? Vettel war ja auch Junior bei Red Bull. In Wirklichkeit ist das ja aber eigentlich erst der Startschuss, oder?

Genau. Nur weil ich jetzt im Red-Bull-Juniorprogramm bin, bedeutet das nicht, dass ich irgendwann Formel 1 fahren werde. Das ist jetzt schon mal ein richtiger und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und das motiviert natürlich auch extrem. Allerdings muss ich trotzdem ganz normal weiter Leistung bringen. Und wenn die gut genug ist, dann wird es hoffentlich die Möglichkeit geben, in einem Formel-1-Auto zu sitzen. Aber erst einmal habe ich noch einen langen Weg vor mir. Und ich muss meinen Job richtig machen.

Hat Marko Ihnen denn konkrete Ziele genannt, die Sie 2024 erreichen müssen?

Es ist nicht so, dass ich raus bin, wenn ich die Meisterschaft nicht gewinne. Man kann sich ein Stück weit denken, was erwartet wird. Ich gehe nächstes Jahr als Rookie in die Formel 3. Entsprechend wird erwartet, dass ich leistungsfähig bin, Podiumsplätze hole und um Siege kämpfe. Das ist exakt der Anspruch, den ich auch an mich selbst habe.

Es gibt viele namhafte Vorgänger, die Red-Bull-Junioren waren. Wie viel Druck macht man sich da?

Ich konnte mit Druck eigentlich immer schon relativ gut umgehen. Und für mich ist es nochmal ein richtiger Ansporn, dass ich jetzt diese Möglichkeit bekomme, weil es für uns als Familie gerade finanziell einfach unfassbar schwierig geworden wäre, wenn nicht sogar unmöglich. Ich bin mir bewusst, dass ich Leistung bringen und etwas erreichen muss. Aber Leistung und Ergebnisse hätte ich auch ohne Red Bull abliefern müssen, um es in die Formel 1 zu schaffen.

Ihr Vorbild ist Sebastian Vettel. Hat er Sie schon einmal kontaktiert? Oder holen Sie sich noch Tipps bei ihm?

Bis jetzt habe ich ihn nur einmal getroffen, als ich noch jünger war. Es wäre natürlich megacool, wenn es irgendwie mal die Möglichkeit geben würde, ihn persönlich kennenzulernen, denn ich bin mit Vettel und seinen Erfolgen groß geworden. Als er die WM-Titel geholt hat, war das für mich der Ansporn, mit dem Kartfahren anzufangen.

Medial sind Sie bereits die deutsche Formel-1-Hoffnung. Was bedeutet Ihnen das?

Das bedeutet mir sehr viel. Ich finde es in gewisser Weise cool, dass das so wahrgenommen wird. Allerdings bin ich noch relativ weit weg von der Formel 1. Es kann ab einem gewissen Punkt schnell gehen, wie man es schon ganz häufig gesehen hat. Aber ich habe noch die Formel 3 vor mir und dann noch die Formel 2. Es kommt noch sehr viel harte Arbeit auf mich zu.

Wie viel Hoffnung können Sie den deutschen Formel-1-Fans denn machen?

Ich hoffe, viel. Aber das werden wir in den nächsten Jahren sehen. Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben. Im Prinzip müssten sich die Leute selbst ein Bild davon machen, wie viel Hoffnung sie haben können.

Welche Stärken zeichnen Sie denn aus? Und welche Stärken muss man definitiv haben, um sich auf dem Weg nach oben durchsetzen zu können?

Man braucht eine gewisse Coolness. Man muss ruhig bleiben, darf sich nicht zu sehr unter Druck setzen. Damit hatte ich in der Vergangenheit zum Glück noch nie Probleme. Bei Rennstarts oder solchen Dingen bin ich eigentlich immer relativ entspannt geblieben und habe mich auf die Sache fokussiert. Im Zweikampf kann ich coole Manöver hinlegen, aber auch mit Köpfchen fahren. Das sind die Dinge, die wichtig sind. Auch die Rennpace und das Reifen-Management sahen jetzt aktuell bei den vier Formel-3-Tests ziemlich gut aus.

Sie bekommen es hautnah mit im Nachwuchs: Warum ist die Situation im deutschen Motorsport so kompliziert?

Es ist generell ein extrem schwieriger Weg in die Formel 1. Wie bereits erwähnt, wäre es für mich ohne Red Bull finanziell wohl nicht möglich gewesen, den Weg nach oben weiterzugehen. Und ich denke, dass ganz viele Familien damit Probleme haben. Motorsport ist leider so teuer. Und das ist das große Problem im deutschen Motorsport im Moment.

Wie sind Sie mit dem Thema Geld in den ganzen Jahren umgegangen?

Mein Vater hat sich von Anfang an immer um das Finanzielle gekümmert und versucht, Sponsoren für mich zu finden. Und manche sind auch heute immer noch meine Partner. Sich ganz früh zu bemühen und sich darüber Gedanken zu machen, ist extrem wichtig. Denn es ist schon im Kartsport einfach unfassbar teuer. Gerade für kleinere Firmen, die man am Anfang noch als Unterstützer hat, wird es ab einem gewissen Punkt schwierig, nochmal was draufzulegen. Denn es sind große Summen, die man benötigt, um eine Formel-Saison zu stemmen.

Wie viel entspannter läuft das als Red-Bull-Junior? Muss man sich da noch Gedanken über finanzielle Dinge machen?

Ja. Red Bull macht es zwar möglich, dass ich den nächsten Schritt machen kann. Ich muss trotzdem noch mein Budget und meine Sponsoren mitbringen.

Wie schwierig ist es, in der heutigen Zeit Sponsoren zu finden?

Natürlich helfen Kontakte und auch, eine Marke wie Red Bull hinter sich zu haben. Das ist ein cooles Zeichen, wenn man von Red Bull unterstützt wird. Aber es ist leider alles andere als einfach, heutzutage Sponsoren zu finden, gerade im Motorsport. Viele Leute denken, dass Motorsport und die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit nicht zusammenpassen. Dabei gibt es mittlerweile einige coole Lösungen, um auch den Motorsport nachhaltiger zu machen.

Wie frei vom Kopf her kann man denn fahren, wenn das Finanzielle eine so große Rolle spielt?

Wenn man sich beim Fahren darüber Gedanken macht, ob man mit dem Auto jetzt wirklich ans Limit gehen kann oder ob es möglicherweise einen teuren Schaden gibt, dann ist man nicht konkurrenzfähig und kann nicht an sein Limit gehen. Darüber sollte man sich beim Fahren keine Gedanken machen. Aber natürlich neben dem Fahren. Denn das sind auch Dinge, mit denen man sich beschäftigen sollte: Indem man Eigeninitiative zeigt und sich anstrengt, neue Sponsoren für sich zu gewinnen.

Bei Ihnen gab es bereits zwei einschneidende Erlebnisse. Sie hatten zum einen selbst einen heftigen Crash, bei dem Sie sich Ende 2021 den Lendenwirbel gebrochen haben. Wie groß waren damals die Zweifel?

Bei mir gab es eigentlich gar keine Zweifel. Ich wollte einfach so schnell wie möglich wieder ins Auto und war unfassbar glücklich, als ich dann endlich wieder fahren konnte. Auch aus mentaler Sicht hat es mich nicht beeinträchtigt. Aber natürlich war das auch eine schwierige Zeit für uns, weil es auch nicht ganz klar war, ob und wann ich wieder ins Auto kann, weil der Bruch relativ kompliziert war. Und das hat uns auch ein bisschen zurückgeworfen, weil wir nicht weiter mit den Teams sprechen konnten, weil wir nicht genau wussten, wie es weitergeht. Das hat mir ein bisschen das Momentum genommen. Deswegen bin ich erleichtert, dass das mit Red Bull jetzt geklappt hat.

Sie waren zudem bei dem Rennen dabei, bei dem Dilano van't Hoff im vergangenen Sommer ums Leben kam. Verändern solche Dinge die Perspektive auf den Sport?

Auf eine gewisse Art und Weise natürlich, weil einem aus nächster Nähe gezeigt wird, wie gefährlich der Sport eigentlich doch ist. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, was wir für ein Risiko eingehen. Eigentlich rechnet man überhaupt nicht mehr damit, dass so etwas heutzutage noch passieren kann. Und gerade für uns Fahrer war das auch keine einfache Zeit und auch ein bisschen komisch, danach wieder ins Auto zu steigen. Aber im Prinzip haben wir alle denselben Traum und dasselbe Ziel.

Auf dem Weg zu diesem Ziel gibt es 2024 jede Menge Konkurrenz für Sie, bei Red Bull selbst, aber auch in der Formel 3. Wie weit muss man die Ellenbogen ausfahren?

Alle sind extrem hungrig auf Erfolg. Alle wollen gewinnen. Es ist also schon wichtig, dass man auch zeigt, wer man ist und die Ellenbogen auch ein bisschen ausfährt. Man muss aber natürlich auch schlau sein, sich auf die eigene Leistung fokussieren und seine Arbeit richtig machen.

Es heißt ja immer, dass man in der Formel 3 sehr gut sehen kann, wer was kann, weil die Voraussetzungen für alle gleich sind. Aber das ist nur noch ein Mythos, oder?

Ja, das ist ein absoluter Mythos. Es gibt wie in der Formel 1 Teams, die sehr stark sind und Teams, die eher schwächer sind. Die Teams machen einen großen Unterschied. Wenn man den besten Fahrer in kein gutes Auto setzt, dann kann der auch nicht gewinnen. Man braucht einen guten Fahrer in einem guten Team, um am Ende die Meisterschaft zu gewinnen. Und Konstanz ist auch sehr wichtig, gerade in den Nachwuchsserien.

Wie sind Ihre Aussichten auf ein gutes Team?

In der Regel greift Red Bull auf die Top-Teams zurück. Die Chancen sollten also gut für mich stehen, nächstes Jahr in ein gutes Team zu kommen. Das steht aber noch nicht endgültig fest.

Was sind denn Ihre konkreten Ziele in der Formel 3?

Der beste Rookie zu sein. Und dann auch um Podien und möglicherweise auch um Siege mitzukämpfen.

Und bis wann wollen Sie es in die Formel 1 geschafft haben?

So früh wie möglich (lacht). Im Ernst: Das kann man nur schwer vorhersagen. Das hängt zum Beispiel auch vom nächsten Jahr ab. Wenn man es direkt schafft, in die Formel 2 zu gehen, kann man theoretisch in zwei Jahren in der Formel 1 sein. Man kann aber auch in vier Jahren erst in der Formel 1 sein, wenn man zwei Jahre Formel 3 und zwei Jahre Formel 2 fährt.

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Wie plant man so eine Nachwuchs-Karriere?

Im Prinzip entscheidet das jetzt Red Bull. Wenn es nächstes Jahr zum Beispiel richtig gut läuft, dann komme ich möglicherweise direkt in die Formel 2. Und wenn ich solide war und im Red-Bull-Programm bleibe, entscheidet man sich vielleicht dazu, dass ich noch ein zweites Jahr Formel 3 fahre, um dann die Meisterschaft zu gewinnen.

Legt man sich in Ihrem Alter auch einen Plan B zurecht, was die Karriere angeht?

Ich mache aktuell noch eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, aber natürlich macht man sich auch Gedanken darüber, welche Serien man auch cool finden würde. Es würde für mich aktuell aber keinen Sinn machen, mir zu viele Gedanken über einen Plan B zu machen. Der volle Fokus liegt auf der Formel 3 und dem klaren Ziel Formel 1.

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