• Bei Max Verstappen zeichnete sich schon früh ab, dass der Niederländer ein Ausnahmetalent ist.
  • Neben seines Talentes war Vater Jos ein ganz wichtiger Faktor in der Karriere des Weltmeisters.
  • Dr. Helmut Marko erklärt den Aufstieg Verstappens und vergleicht ihn sogar mit dem großen Ayrton Senna.
Eine Analyse

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Helmut Marko ahnte recht schnell, wen er da vor sich hatte. Er erinnert sich deshalb auch heute noch genau daran, wie er zum ersten Mal mit Max Verstappen sprach. Der Niederländer hatte kurz zuvor ein Formel-3-Rennen mit riesigem Vorsprung gewonnen. Fast zwei Stunden lang unterhielten sich beide miteinander, für Marko-Verhältnisse eine Ewigkeit.

Der Motorsportberater von Red Bull Racing war überrascht, wie reif Verstappen damals – 2014 – mit seinen 16 Jahren bereits war. Verstappen wusste, was er wollte, seine Entschlossenheit und sein Siegeswille waren schon damals förmlich zu spüren.

Marko fackelte aufgrund des riesigen Potenzials nicht lange, denn ihm war klar, dass da ein echtes Juwel vor ihm stand, ein Rohdiamant – bereit, geschliffen zu werden.

Verstappens Werdegang ist bemerkenswert

Hinzu kam, dass Niki Lauda anfing, für Mercedes ebenfalls um Verstappen zu buhlen. Als das Mega-Talent dann am Norisring bei schwierigen Bedingungen brillierte, schmiss Marko die gefassten Junior-Pläne für eine Unterstützung in der Formel 3 spontan komplett über den Haufen.

"Ich habe Jos (Papa Verstappen, Anm.d.Red.) angerufen und ihm gesagt: ‚All unsere Gespräche sind hinfällig, wir gehen mit Max sofort in die Formel 1‘", so Marko im Red-Bulletin-Interview.

Der weitere Weg ist eine riesige Erfolgsgeschichte – Einstieg in die Königsklasse 2015 mit Toro Rosso, Aufstieg 2016 zu Red Bull, 2021 der erste Titelgewinn, und 2022 ist er auf einem guten Weg, seinen zweiten nachzulegen. Zur Halbzeit der aktuellen Saison hat der 24-Jährige 38 Punkte Vorsprung auf Charles Leclerc (Ferrari).

Die Grundlage bei Max Verstappen legte Papa Jos, selbst von 1994 bis 2003 Formel-1-Fahrer. Verstappen senior war aber nicht einfach nur Ex-Rennfahrer mit einer Menge Fachwissen – er trieb seinen Sohn durch eine harte Schule. "Er hatte eine sehr gute - aber auch sehr harte - Erziehung durch seinen Vater. Das hat ihn geprägt", weiß Marko und nennt ein Beispiel: "In Italien kann man das ganze Jahr über Kart fahren, und sobald es zu regnen beginnt, gehen alle in die Cafeteria. Max war der Einzige, der draußen bleiben und weiter trainieren musste."

Ein weiterer wichtiger Punkt: Jos Verstappen sei während seiner eigenen Karriere schnell gewesen, habe aber viele Fehler gemacht, so Marko. "Das Gute ist: Er hat die Fehler realisiert und aus den Fehlern die richtigen Lehren gezogen. So ist Max aus der Go-Kart-Zeit wesentlich reifer herausgekommen als die meisten anderen", so Marko.

Viele Opfer bringen

Max musste dafür Opfer bringen, wie sein Vater allerdings auch. "Ohne meinen Papa würde ich heute nicht hier sitzen", sagt Max. "Als er mit der Formel 1 aufgehört hat, hat er die nächsten zwölf Jahre geopfert und alles gemacht, damit ich da bin, wo ich jetzt bin." Die Arbeit, die Jos Verstappen investiert habe, sei wirklich verrückt gewesen, erzählt der Sohn: "Er hat an meinen Motoren gearbeitet, hat meine Go-Karts vorbereitet, war am Prüfstand." Parallel erklärte der Vater dem Sohn nachdrücklich, was er die ganze Zeit macht, damit er die Materie versteht, auch die technische.

"Ich bin wirklich dankbar für diese Zeiten", sagte Verstappen, der damals als Jungspund nicht immer nachvollziehen konnte, warum der Vater so viel verlangt hat. "Aber es hat mir definitiv später in meiner Karriere geholfen."

2016 nahmen zwei Karrieren verschiedene Richtungen

Nun gibt es in der Formel 1 viele Rennsieger, aber weitaus weniger Champions, denn zwischen beiden liegt ein schmaler Grat. Ein weiterer, wichtiger Faktor auf dem Weg zum Weltmeister: Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Wie Verstappen 2016, als sich bei Red Bull Racing die Chance auf ein Cockpit bot. Denn auch sein damaliger Toro-Rosso-Teamkollege Carlos Sainz hatte die Voraussetzungen für eine Beförderung.

Sainz‘ Entwicklung war "ebenfalls sehr gut", so Marko, "und der Unterschied zwischen den beiden war oft sehr gering, aber trotz seiner geringeren Erfahrung war Max der schnellere Fahrer, daher unsere Entscheidung, ihn zu Red Bull Racing zu holen", sagte Marko: "Carlos hatte einfach das Pech, Max als Teamkollegen zu haben."

Die Einschätzung hat sich rückblickend als richtig erwiesen. Verstappen ist jetzt Champion, Sainz bei Ferrari Rennsieger.

Unglaublicher Reifeprozess

Ein Selbstläufer ist das bei allem Talent natürlich nicht, das Ganze war ein Prozess über die vergangenen Saisons. "Seit seinem ersten Sieg (bei seinem Red Bull Racing-Debüt 2016 beim GP von Spanien, Anm.d.Red.) hat Max einen unglaublichen Reifeprozess durchlaufen", so Marko. Verstappen könne nun Prioritäten setzen, sagte der Österreicher, "und akzeptiert, was er nicht ändern kann. Als er jünger war, hat er geflucht ohne Ende". Und diese Reife erstreckt sich über diverse Bereiche, die für einen Rennfahrer wichtig sind.

Sei es der Fahrstil, oder die Psyche, der Mut oder aber die Fähigkeit, im Qualifying in einer schnellen Runde alles auf den Punkt zu bringen und dann im Rennen abgezockt, geduldig und gewieft zu sein. Hinzu kommt das Können, sich Präzision und Kontrolle in einem Umfeld mit hohem Stressgrad anzueignen.

Von Marko gibt es deshalb das ultimative Lob. "Was Charakter, Engagement, Selbstvertrauen und Charisma angeht, würde ich ihn mit Ayrton Senna vergleichen", sagte der 79-Jährige. Eigenschaften wie Senna – mehr geht eigentlich nicht. Doch Verstappen schreibt fleißig an seiner eigenen Geschichte. Acht Jahre nach dem Gespräch mit Marko, der damals schon ahnte, wen er da vor sich hatte.

Verwendete Quellen:

  • redbull.com: Helmut Marko: "No one else can do what he does."
  • Pressekonferenzen
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