Red Bull hat über das Schwesterteam Racing Bulls (vorher Toro Rosso und AlphaTauri) viele eigene Talente in das A-Team gebracht, darunter Sebastian Vettel und Max Verstappen. Mit der Vertragsverlängerung von Sergio Perez schlägt man die Tür für den Nachwuchs aber erst einmal zu. Das könnte Folgen haben.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Sebastian Vettel gehört dazu. Daniel Ricciardo. Pierre Gasly. Alex Albon. Und natürlich Max Verstappen. Sie alle haben über Toro Rosso beziehungsweise Alpha Tauri den Sprung zu Red Bull Racing geschafft. Das Schwesterteam als Ausbildungsplattform für die A-Mannschaft: Das war schon immer das Prinzip, mit dem Top-Talente ausgebildet und an höhere Aufgaben herangeführt wurden. Deren Förderung stand stets im Mittelpunkt. Eigentlich.

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Vettel und Verstappen zahlten das Vertrauen und die Entwicklung im eigenen Haus sogar mit WM-Titeln zurück, bestätigten den Weg, den der 2022 verstorbene Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz beim Einstieg seiner Rennställe eingeschlagen hatte. Doch vor ein paar Jahren hat Red Bull die eigene Philosophie über Bord geworfen. Verstappen ist immer noch da, doch es rückt niemand mehr nach. Stattdessen ist Sergio Perez, der nicht aus der eigenen Red-Bull-Schule kommt, seit 2021 der zweite Mann neben dem Niederländer.

Perez: Eigentlich nur eine Übergangsoption

Damals galt der Mexikaner lediglich als Übergangsoption, nachdem in den Vorjahren in Albon und Gasly gleich zwei Eigengewächse an Verstappens Klasse und Dominanz sportlich und mental geradezu zerschellt waren. Albon wurde Ersatzfahrer, um sich neu zu sortieren, Gasly wurde ins B-Team zurückversetzt, wo der Japaner Yuki Tsunoda seine Rookie-Saison absolvierte. Bei ihm war klar, dass er ein paar Saisons brauchen würde, ehe er den Sprung zu Red Bull wagen könnte – wo Perez aber inzwischen von der Übergangs- zur Dauerlösung geworden ist.

Denn in dieser Woche haben sich alle Hoffnungen von Tsunoda und der Red-Bull-Talente mit einer Unterschrift erst einmal zerschlagen: Perez hat bis 2026 verlängert. Zwar wird über eine Performance-Klausel in seinem Vertrag spekuliert. Also dass Red Bull sich von dem 34-Jährigen trennen kann, wenn er anvisierte Ziele nicht erreicht. Doch erst einmal ist die Tür für selbst ausgebildete Fahrer und hoffnungsvolle Talente zu.

Kein ebenbürtiger Gegner

Das Problem beziehungsweise das Unverständliche: In drei Saisons hat es Perez nicht geschafft, für Verstappen im mit Abstand schnellsten Auto im Feld ein ebenbürtiger Gegner zu sein. Stattdessen hatte er mit Formschwankungen, sportlichen Rückschlägen und Problemen zu kämpfen. Konstant war bei ihm nur die fehlende Konstanz.

Perez gilt als ordentlicher Siegfahrer, ein Champion ist er nicht. 2022 wurde er nicht einmal WM-Zweiter, insgesamt schaffte er in dreieinhalb Jahren ganze fünf Siege. In diesem Jahr stand er noch gar nicht ganz oben auf dem Podest. Klar ist stattdessen: Können Konkurrenten mit beiden Fahrern konstant auf Topniveau liefern wie zuletzt Ferrari und McLaren, könnte mindestens der Konstrukteurs-Titel für Red Bull eine Herausforderung werden.

Eine unverständliche Entscheidung – oder?

Was zur Frage führt: Warum setzt Red Bull auf einen Fahrer, der durchaus seine Probleme damit hat, konstant eine gute Nummer zwei zu sein? Red Bull sieht das ein wenig anders. "Die letzten Rennen waren hart", sagte Teamchef Christian Horner laut "formel1.de". "Das Feld wird immer enger, aber wir haben Vertrauen in Checo und freuen uns darauf, dass er zu seiner bewährten Form und Leistung zurückkehrt, die wir so oft sehen."

Man wolle für Kontinuität sorgen, betonte Motorsportberater Helmut Marko bei der "Kleinen Zeitung", "und beide Fahrer verstehen sich wirklich gut, da gibt es einfach keine Konflikte. Außerdem ist Checo in Lateinamerika unglaublich populär. Wir verkaufen dort mehr Merchandise von ihm als von Verstappen und wenn er seine Tage hat, dann ist er nahezu unschlagbar."

Perez: gut für die Harmonie im Team

Was hinzu kommt: Die eigenen Titelambitionen dürfte Perez inzwischen weit nach hinten gestellt haben, er ist ein verlässlicher Teamplayer im Rahmen seiner Möglichkeiten. Wodurch er keine Gefahr für die Harmonie im Team und für Verstappen darstellt, der sich dann auch positiv zur weiteren Zusammenarbeit äußert.

"Es bringt Stabilität ins Team. Und das ist etwas, von dem ich glaube, dass es sehr wichtig innerhalb des Teams ist", sagte Verstappen laut Bericht. Perez selbst nimmt die Gerüchte, Red Bull habe Verstappen mit einer ungefährlichen Nummer zwei zufriedenstellen wollen, locker. "In der Formel 1 gibt es immer verschiedene Absichten, das ist mir bewusst. Das begleitet jeden von uns Fahrern schon seitdem er im Sport ist", sagte Perez.

Fakt ist: Alternativen zu ihm hätte es gegeben. Tsunoda ist eine, der Japaner ist bei den Racing Bulls inzwischen deutlich reifer und abgeklärter. Auch von Ex-Red-Bull-Pilot Ricciardo, aktuell Tsunodas Teamkollege, ist man offenbar nicht überzeugt. Der Neuseeländer Liam Lawson konnte 2023 auf Anhieb für Eindruck sorgen, als er spontan für den damals verletzten Ricciardo einsprang.

Doch auch er war nicht die Lösung. Und im Worst Case wird bei Red Bull nun frühestens 2027 etwas frei. Die Situation dürfte sogar bei Isack Hadjar für Kopfzerbrechen sorgen. Der Franzose ist in der Formel 2 das nächste aufstrebende Red-Bull-Talent. Der 19-Jährige ist aktuell Gesamtzweiter, er drängt ebenfalls nach oben.

Sprung zu Red Bull kein Zuckerschlecken

Keine Frage: Der Sprung in die Formel 1 ist generell nicht ohne, und vom B- zum A-Team ist er in Sachen Erwartungshaltung und Druck noch einmal eine ganz andere Nummer. Und neben Verstappen zu fahren ist auf dem Höhepunkt dessen Schaffens alles, nur kein Vergnügen. Die Gefahr ist da, dass die nächsten Talente oder auch gestandene Fahrer wie Tsunoda oder Ricciardo neben dem dreimaligen Weltmeister verbrannt werden. Die möglichen Optionen waren für Red Bull ganz offensichtlich keine wirklich ernstzunehmenden Alternativen zum neuen Perez-Vertrag.

Doch ebenso besteht die Gefahr, dass sich die Eigengewächse verabschieden, um woanders ihr Glück zu versuchen. Tsunoda sei für 2025 gesetzt, erklärte Marko, doch der Japaner verriet in Kanada, dass er Optionen habe. Ganz konkret droht bei Lawson ein Abgang, denn laut Marko besitzt der Neuseeländer eine Ausstiegsklausel, wenn man ihm keinen aktiven Sitz anbieten kann.

Zwar sind die beiden Plätze bei den Racing Bulls für 2025 noch nicht offiziell vergeben. Doch die Chance, es darüber zu Red Bull zu schaffen, sind deutlich geringer geworden - weil die eigene Philosophie über Bord geworfen wurde.

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