• Diego Maradona ist am Mittwoch im Alter von 60 Jahren verstorben.
  • Wir sprachen vor mit seinem größten Spielverderber: Guido "Diego" Buchwald.
  • Der WM-Held von 1990 erinnerte sich an das Duell mit dem "Fußball-Künstler".
Ein Interview

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Dieses Interview ist erstmals am 30. Oktober 2020 veröffentlicht worden. Anlässlich des 60. Geburtstags von Diego Maradona sprachen wir mit Guido Buchwald über den Argentinier. Aus aktuellem Anlass haben wir das Interview noch mal aufbereitet.

Herr Buchwald, Sie sind 1990 mit Deutschland Weltmeister geworden. Im Finale in Rom trafen sie auf Argentinien um Diego Maradona, wurden diesem von Teamchef Franz Beckenbauer als Manndecker zugeteilt. Ein besonderes Spiel. Wie haben Sie sich auf die Partie vorbereitet?

Guido Buchwald: Zwei, drei Tage vor dem Endspiel habe ich mir ständig Gedanken gemacht, wie ich Maradona ausschalten kann. Für mich war klar, ihn wenig ins Spiel kommen zu lassen, ihn immer dorthin zu schieben, wo ich es will – an die Außenlinie, dass er nur eine Seite hat, um vorbeizugehen. Es war aber nicht nur ein besonderes Spiel, weil wir gegen Maradona gespielt haben. Es war auch besonders, weil es ein WM-Finale war: Weltmeister zu werden – ein höheres Ziel gibt es nicht, davon träumt man als Fußballer.

Gab’s in Ihrer Spielvorbereitung einen Moment, in dem Sie daran gezweifelt haben, diesen Ausnahmespieler Maradona stoppen zu können?

Man hat sich schon Gedanken gemacht, viele Möglichkeiten durchgespielt: Was ist am besten? Wie ist es am besten? Was passiert, wenn eine Situation anders verläuft, als man sich das vorstellt? Aber während des Spiels gab es das fast nicht.

Wie war es auf dem Platz?

Ich habe immer wieder gesagt: "Konzentriert bleiben, konzentriert bleiben." Wir hatten Maradona im Griff, aber wir durften nicht leichtsinnig werden, weil die Partie, obwohl wir sehr überlegen waren, immer noch sehr eng war mit 1:0. Da durften wir keinen Fehler machen, dass er vielleicht doch noch den entscheidenden Treffer macht. Ihn ganz aus dem Spiel zu nehmen, war unglaublich schwer. Er war immer unberechenbar, ein genialer Fußballer.

Sie haben Maradona nach der Partie wieder getroffen – zur Doping-Kontrolle auf der Toilette. Wie angepisst war Maradona?

Er war traurig, hatte Tränen in den Augen, war unheimlich enttäuscht. Das ist aber auch menschlich – und hat ihn in diesem Moment sympathisch gemacht.

Stichwort Sympathie: Aus so einem Duell zweier "Feinde" könnte vielleicht eine Freundschaft entstanden sein?

Wir hatten wenig Kontakt anschließend. Ich habe ihn 2002 beim WM-Endspiel in Japan auf der Tribüne getroffen - das war ein ganz sympathisches "Hallo". Ich habe seinen Respekt gespürt, auch gegenüber uns Deutschen. Aber Freundschaft kann man das nicht nennen.

Glauben Sie, dass die Öffentlichkeit von Maradona ein falsches Bild hat?

Jein. Er hat es in seinem Leben unglaublich schwer gehabt. Er kam aus ganz ärmlichen Verhältnissen, musste als 16-Jähriger seine Familie miternähren und hat es in jungen Jahren nicht ganz verkraftet, dass er besser war als alle anderen, dass plötzlich jeder ein Bild mit ihm wollte. Dann ist er bestimmt auf den ein oder anderen falschen Weg abgebogen. Und sicherlich hat er sein Leben nach seiner Karriere nicht mehr im Griff gehabt. Mir tut es leid, weil er zu seiner Zeit der beste Fußballer der Welt war.

Nach Abpfiff des Finales sprach ARD-Kommentator Gerd Rubenbauer als "unser Diego" über Sie. Der Spitzname setzte sich fest. Werden Sie heute noch so genannt?

Ja, sogar öfter als früher.

Warum?

Die Leute erkennen mich, aber haben den Namen Buchwald nicht im Kopf. Und dann sagen sie halt "Diego" – der Name steht in Verbundenheit mit dem Endspiel und dem Titel.

Stört es Sie, wenn Sie so genannt werden? So werden Sie immer auf dieses eine Spiel reduziert. Sie haben in Ihrer Karriere aber weit mehr erreicht.

Nein, es stört mich überhaupt nicht. Anfangs war es mir ein bisschen unangenehm, "Diego" genannt zu werden, weil Maradona ein Fußball-Künstler war, der Dinge gemacht hat, die andere nicht konnten. Und ich bin bloß der Arbeiter gewesen, wurde aber plötzlich mit diesem unglaublichen Fußballer gleichgesetzt. Ich denke, es ist ein Stück weit eine Auszeichnung, wenn man mich so ruft.

Was machen Sie heute?

Ich verfolge den Fußball sehr intensiv. Bis vor knapp zwei Jahren war ich Aufsichtsratsmitglied beim VfB Stuttgart – und ich bin nach wie vor Botschafter der J1 League und dadurch sehr nahe dran am japanischen Fußball.

Gibt es etwas, dass der deutsche Fußball vom japanischen lernen könnte?

Das nicht. Aber es gibt den Unterschied, dass die Spieler in Japan sehr bescheiden sind, sich sehr schnell anpassen und den Trainer unheimlich respektieren. Ein Boykott wie bei Mainz 05 würde in Japan nie passieren.

Wer wird denn diese Saison Deutscher Meister?

Ich denke, der FC Bayern, aber ich hoffe, dass sie es nicht wieder werden. Es würde dem Wettbewerb guttun, wenn mal eine andere Mannschaft den Titel holt.

Die Bayern wurden achtmal in Folge Meister. Was fehlt den anderen Teams?

34 Spiele konstant zu sein und weniger Punkte gegen relativ leichte Gegner abzugeben. Die Bayern sind immer hoch konzentriert. Für die ist eine Niederlage etwas ganz Schlimmes. Das hat man zum Beispiel nach der Pleite in Hoffenheim (1:4, Anm. d. Red.) gesehen, wie sie darauf reagiert haben.

Die anderen Bundesligisten haben aber auch keinen Robert Lewandowski ...

Das ist richtig. Aber in Spanien etwa haben die Mannschaften auch keinen Lionel Messi und trotzdem wird der FC Barcelona nicht immer Meister.

Zur Person: Guido Buchwald, 1961 in West-Berlin geboren, ist ehemaliger Profi-Fußballer. Er wurde zweimal Deutscher Meister und gewann 1990 mit Deutschland die Weltmeisterschaft in Italien.
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