Nach drei Gegentoren in Frankfurt kassiert der BVB gegen die Bayern sogar noch eins mehr. Für gehobene Ansprüche gegen stärkere Gegner reicht es offenbar noch nicht - was auch mit der Kaderplanung zu tun hat.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

In der Schnelllebigkeit des Profifußballs zählen frühere Erfolge in der Regel wenig und so sind in den Diskussionen um Borussia Dortmunds Systemabsturz gegen den FC Bayern München auch die Fortschritte der letzten Wochen vorübergehend kaum noch ein Thema.

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Der BVB ist von den Bayern vorgeführt worden, das haben alle Dortmunder Beteiligten auch eingeräumt. Die Lücke zur nationalen Spitze bleibt offenbar weiter groß und wie gut die Borussia gegen andere Mannschaften auf Augenhöhe reüssieren kann, werden erst die kommenden Wochen zeigen, mit den Partien in Stuttgart, in Leverkusen und gegen Leipzig zu Hause.

Dann erst wird klar sein, ob das 0:4 gegen die Münchener ein Ausrutscher war oder ob der Dortmunder Mannschaft in den direkten Duellen gegen die Spitzenklubs der Liga nicht doch der eine oder andere Baustein fehlt, um wirklich ganz oben anzugreifen.

Zu viele Fehler gegen die Bayern

Für einen Abgesang ist es nach der ersten Niederlage nach zuvor 17 ungeschlagenen Spielen in der Bundesliga dann wohl doch noch etwas zu früh - obwohl gegen die Bayern auf ganz besonders schonungslose Weise einige elementare Probleme aufgedeckt wurden.

Das Spiel gegen den Ball hatte sich in den Spielen zuvor als zentraler Pluspunkt im Dortmunder Spiel etabliert, die Innenverteidigung mit Mats Hummels und Nico Schlotterbeck als kleines Bollwerk erwiesen und Gregor Kobel, der aktuell wohl beste Torhüter der Liga, sollte ohnehin über jeden Zweifel erhaben sein.

Das Zentrum war besonders gefestigt, umso erstaunlicher waren die Fehler, die sich der BVB in diesem besonders neuralgischen Bereich gegen die Bayern erlaubte. Schlotterbecks Schläfrigkeit beim 0:1 gegen Dayot Upamecano, Hummels' falsche Positionierung vor dem Tiefenpass auf Leroy Sané vor dem 0:2 und am Ende auch noch der Aussetzer von Niklas Süle beim Fehlpass im Spielaufbau vor dem 0:4. Zu viele krasse Pannen gegen einen Gegner wie die Bayern, die dann auch eiskalt zuschlagen. Aber, um dem auch etwas Positives abzugewinnen: nicht die Regel bei diesen Spielern.

Probleme auf den Außenbahnen

Die eigentlichen Probleme liegen auf den Außenbahnen. Hier fallen Fehler generell nicht so schnell ins Auge. Aber wie die Bayern den BVB immer wieder über beide Flanken aufrissen, war schon bemerkenswert. Die Güteklasse der Bayern auf den Flügeln war für Dortmund mindestens eine Klasse zu hoch.

Marius Wolf und Julian Ryerson hatten die Aufgabe, gegen Sané und Kingsley Coman zu verteidigen. Ryerson ist aktuell der einzige gesetzte Außenverteidiger, zwischen Wolf und Ramy Bensebaini muss sich Trainer Edin Terzic entscheiden. Für das Bayern-Spiel wählte Terzic die Variante "Dynamik und Biss" - so war zumindest der Plan mit Wolf auf der rechten Seite -, während Ryerson deshalb mal wieder nach links ausweichen musste.

Bensebaini, der mangels Unterstützung von Gio Reyna am Spieltag zuvor in Frankfurt heillos überfordert war, hat sich auch nach einem knappen Drittel der Saison noch nicht als die Verstärkung erwiesen, die man sich in Dortmund erhofft hatte.

Also improvisiert Terzic gefühlt von Spiel zu Spiel, wechselt das Personal und die Positionierung und je Gegner auch die Anforderungen. Vier verschiedene Varianten hat Terzic in dieser Saison schon probiert, dazu Wolf und Ryerson gegen Paris auch mal als Schienenspieler agieren lassen. So richtig glücklich machte und macht aber keine dieser Lösungen.

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Muss der BVB im Winter nachjustieren?

In einer Dortmunder Mannschaft, in der bis auf Keeper Kobel wohl kein anderer Spieler beim FC Bayern auf seiner Position zur Stammformation gehören würde, fielen die Außenverteidiger am meisten ab. Auch, weil sie alleine dem Tempo ihrer Gegenspieler nicht gewachsen waren und Dortmunds Spielausrichtung keine Mittel gegen die Bayern auf dem Flügel fand. So wie beim dritten Gegentreffer, als ein schlichter Doppelpass genügte, um Coman enteilen zu lassen.

Dortmunds Außenverteidiger wurden so in diesem Spiel auch ein wenig zum Opfer des Systems. Sieben Gegentore in den letzten beiden Bundesligaspielen gegen Mannschaften von Top- oder wenigstens gehobenem Format lassen aber auch den Schluss zu, dass da grundsätzlich etwas nicht passt.

In der Innenverteidigung sieht sich der BVB mit drei deutschen Nationalspielern immer noch gut genug aufgestellt. Auf den Außenbahnen könnte im Winter noch etwas passieren. Wolf und Ryerson sorgen an guten Tagen und gegen schwächere Gegner für defensive Stabilität, Bensebaini hat gewiss Qualitäten im Offensivspiel. Für die allerhöchsten Ansprüche wird es aber wohl bei allen drei eng. Da ist die direkte nationale Konkurrenz besser aufgestellt als der BVB. Die Befürchtungen des Sommers scheinen sich also zu bewahrheiten, als viele Beobachter schon gemahnt hatten, dass die Qualität nicht ausreichen könnte. Und nun im Winter nochmal nachzulegen, dürfte bedeutend schwieriger werden.

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