Von wegen "weniger sexy": Der BVB spielt gegen Hoffenheim gleichermaßen aufregend wie abgeklärt und besticht durch seine Kaderbreite. Die Mannschaft scheint bereit für den Kracher gegen die Bayern.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Vor ein paar Wochen schien das noch undenkbar: Borussia Dortmund - damals auf der Suche nach Identität und Stabilität - tauscht eine halbe Mannschaft aus und siegt am Ende doch souverän gegen eine der besten Mannschaften der Bundesliga.

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Aber genau so hat es sich ereignet am Mittwochabend im Signal Iduna Park. Das 1:0 der Borussia über die TSG Hoffenheim war auch ein Sieg der zweiten Reihe. Der Ergänzungsspieler, die schon lange nicht mehr in der Startelf gestanden hatten, wie Youssoufa Moukoko. Oder jener, die davor immer noch nicht angekommen waren in der Saison, wie Niklas Süle. Jamie Bynoe-Gittens bekam erstmals seit rund einem halben Jahr wieder die Chance von Beginn an zu spielen.

Insgesamt tauschte Trainer Edin Terzic auf fünf Positionen ohne erkennbaren Leistungs- oder Qualitätsverlust, ganz im Gegenteil: Die erste Halbzeit gegen Hoffenheim, das bis dahin alle sechs Auswärtsspiele im Pokal und in der Bundesliga gewonnen hatte, war die beste dieser BVB-Saison.

Beste Halbzeit der Saison

"Weniger sexy, mehr Erfolg" hatte Terzic neulich noch ausgegeben. Diesen Paradigmenwechsel konnte man in den letzten Wochen dann auch beobachten. Die ersten 45 Minuten gegen Hoffenheim aber waren fast das exakte Gegenteil davon. Der zweite Anzug der Borussia spielte den Gegner phasenweise an die Wand, sammelte 15 Torschüsse und hatte fast ein halbes Dutzend klarster Torchancen.

Dass es nur zu diesem einen Treffer von Marco Reus reichte, war dem Dortmunder Chancenwucher geschuldet und dem erneut starken Gäste-Keeper Oliver Baumann. Terzic wählte einen offensiveren Ansatz als zuletzt, mit dem entsprechenden Personal: Im 4-2-3-1 rückte Julian Brandt ins Zentrum neben Abräumer Salih Özcan, schon im tiefen Spielaufbau machte sich Brandts Kreativität positiv bemerkbar.

Reus rückte eine Spur nach außen und überließ Gio Reyna stattdessen die Position hinter der einzigen Spitze Moukoko. Damit war Reyna in seine beste Position gebracht und eine Klasse besser als am Wochenende gegen Frankfurt, wo er auf dem Flügel komplett wirkungslos blieb und stattdessen in der Defensivbewegung ein stetes Sicherheitsrisiko war.

Mit Brandt, Reus, Reyna, Bynoe-Gittens und Moukoko schickte Terzic zudem eher kleine, wendige Spieler aufs Feld und verzichtete stattdessen auf einen klassischen Wandspieler im Zentrum. Der BVB spielte den Gegner immer wieder mit schnellen Verlagerungen und Tempo-Wechseln auseinander - wie beim Tor des Tages.

Terzic: "Deutlicher Schritt nach vorne"

"Wir haben einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, nicht nur mit dem Einzug in die zweite Runde, sondern auch, wie wir in der Offensive kombiniert und wie wir uns positioniert haben - und auch, wie wir den Gegner weit weggelassen haben von unserem Tor", war Terzic mehr als zufrieden mit der Art und Weise, wie seine Mannschaft sich in der nächsten englischen Woche präsentierte.

Dem Angriffswirbel der ersten Halbzeit folgte dann im zweiten Durchgang eine eher sachlich-nüchterne Vorstellung, wie man sie aus den letzten Wochen beim BVB kannte. Zwar hatte Hoffenheim den einen oder anderen Abschluss und die Borussia selbst tauchte nur noch sporadisch vor dem gegnerischen Tor auf. Wirklich in Gefahr war der nun auch schon fünfte 1:0-Erfolg der Saison aber nicht.

"Natürlich wollen wir den nächsten Schritt gehen: Nicht das einzige Tor zu beschützen, sondern das Spiel deutlicher zu gestalten. Trotzdem gefällt uns, dass wir es bis zum Schluss klar uns sauber verteidigt haben, in den Schlussminuten sogar mit Ballbesitz. Wir haben uns immer wieder aktiv gezeigt", sagt Terzic laut BVB-Website.

Besser aufgestellt als die Bayern

Der Trainer hat gegen Hoffenheim das Beste gesehen aus zwei Welten: Eine prägnante Offensivwucht seiner Mannschaft, dargeboten von der vermeintlich zweiten Garde. Und jene defensive Stabilität und Ruhe, die Spitzenmannschaften auszeichnet. Als solche darf sich der BVB definitiv fühlen, nur zwei Tage vor dem Kracher gegen den FC Bayern.

Anders als der kommende Gegner übrigens. Auch die Bayern versuchten es in ihrem Pokalspiel gegen Saarbrücken mit einigen Wechseln im Team, mussten dann aber stark gegensteuern und handelten sich am Ende ihre größte Pokal-Blamage seit mehr als zwei Jahrzehnten ein.

"Wir haben betont, dass wir sehr zufrieden damit sind, dass wir wenige Verletzte und eine Leistungsdichte im Kader haben, auf die wir uns verlassen können. Wir haben vier Spiele innerhalb von neun Tagen. Da wäre es fahrlässig, nicht auf frische Jungs zu setzen", erklärte Terzic die Beweggründe für die vielen personellen und vielleicht auch inhaltlichen Änderungen.

Ähnlich hätte im Erfolgsfall wohl auch sein Pendant Thomas Tuchel argumentiert. Nur: Die Bayern scheinen aktuell in der Breite nicht jene Mittel zu haben, die dem BVB zur Verfügung stehen. Während Terzic aus dem Vollen schöpft, muss Tuchel improvisieren und Spieler positionsfremd aufstellen. Das sollte der Borussia am kommenden Samstag noch mehr Optionen geben.

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