Der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg werden sich in der Bundesliga abermals ein packendes Duell um den Titel liefern. Doch wer hat am Ende die Nase vorn?

Eine Analyse
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Noch ist kein Spiel in der Bundesliga gespielt, da hat Alexandra Popp bereits eine Kampfansage nach München geschickt. "Wir gehen in die neue Saison und sagen: 'Wir wollen alle drei Titel'", erklärte die Angreiferin des VfL Wolfsburg im Interview mit dem "kicker".

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Dass der FC Bayern sich in diesem Sommer abermals verstärken konnte? "Das ist mir egal", sagte Popp, die auf Wiedergutmachung brennt, trotz einer eigentlich guten Saison. Champions-League-Finale, Pokalsiegerinnen, Vizemeisterinnen – es hätte deutlich schlechter laufen können.

Und doch weiß man auch in Wolfsburg darum, dass aus dem Süden an der Vormachtstellung in Deutschland gesägt wird. Der zweite Meistertitel in drei Spielzeiten ist kein Zufall. "Natürlich wollen wir wieder Deutscher Meister werden", kündigte Bianca Rech, die seit diesem Jahr Abteilungsleiterin bei den Bayern ist, im "kicker" an. Es bahnt sich ein abermals packendes Duell zwischen den beiden Topklubs an – doch wer entscheidet den Titelkampf für sich?

VfL Wolfsburg: Die Rolle der Herausforderinnen

Für den VfL Wolfsburg ist es nach 2021 das zweite Mal, dass nur ungeliebte Rolle der Herausforderinnen bleibt. Damals gelang es ihnen auf beeindruckende Art und Weise, alle Zweifel verstummen zu lassen. Transfers auf den richtigen Positionen, mit Tommy Stroot ein Trainer, der das Team auf die nächste Stufe heben konnte, und die sukzessive Rückeroberung des Gefühls, dass man nicht zu stoppen ist.

Dieser Mythos soll auch jetzt wiederhergestellt werden. Wolfsburg scheiterte in der vergangenen Saison vor allem an sich selbst. Wurde in der Winterpause medial noch diskutiert, wann der VfL die Meisterschaft entscheiden würde, so war die Verwunderung am Ende groß. "Wir haben Punkte liegen lassen, die sehr wehgetan haben", analysierte Popp: "Die Niederlagen gegen Hoffenheim und in Frankfurt durften uns auch in der Art und Weise nicht passieren."

Nach dem Jahreswechsel stolperte man zweimal über Eintracht Frankfurt, einmal daheim gegen Hoffenheim und verlor zudem das wichtige Duell mit den Bayern. Derart viele Patzer ist man in der Autostadt nicht gewohnt. Eine Ursache dafür war ganz offensichtlich, dass die Belastung für einzelne Spielerinnen zu groß wurde. Lena Lattwein und Lena Oberdorf, normalerweise das Herz des Teams im Mittelfeld, hatten mit Verletzungen oder Blessuren zu kämpfen, fielen aus oder kamen nicht mehr richtig in die Spur.

VfL Wolfsburg: Mit jungen Spielerinnen zurück an die Spitze?

Offensiv hing zu viel vom berüchtigten Trio Popp, Svenja Huth und der alles überragenden Ewa Pajor ab. Legte Stroot mit Jule Brand oder Tabea Waßmuth von der Bank nach, nahm das Niveau oft ab. Das Trainerteam muss sich die Frage stellen, warum dem Team in der wichtigsten Saisonphase die Energie fehlte – trotz eines sehr breit aufgestellten Kaders.

Kritik gab es unter anderem daran, dass zu wenig rotiert wurde und die Pausen für Schlüsselspielerinnen damit überschaubar waren. Der Umfang des Kaders wurde nicht in jeder Saisonphase optimal genutzt – womöglich auch weil Stroot mit seinen Optionen unzufrieden war.

Mit Chantal Hagel (24) und Riola Xhemaili (20) hat der VfL im Mittelfeld nachgelegt. Auch die Transfers von Vivien Endemann (21), Nuria Rabano (24) und Camilla Küver (20) zeigen die Marschrichtung des diesjährigen Transfersommers: Der Fokus wurde auf junge und entwicklungsfähige Spielerinnen gelegt, die auf die etablierten Stars des Teams Druck ausüben sollen. "Wir haben junge Spielerinnen mit wenig internationaler Erfahrung", sagte auch Popp, die aber dennoch guter Dinge ist: "Ich finde, die Stimmung und die Qualität im Training echt gut."

FC Bayern München: Die Meisterschaft soll erst der Anfang sein

Auch auf dem Transfermarkt scheint es so, als hätte sich die Rollenverteilung zwischen den beiden Spitzenklubs ein wenig geändert. Denn der FC Bayern war es, der in diesem Sommer fertige Stars in die Bundesliga geholt hat: Pernille Harder (30) und Magdalena Eriksson (29) schlossen sich dem Meister an. Zwei gestandene Topstars im europäischen Fußball.

Hinzu kam ordentlich Talent: Katharina Naschenweng (25) zeigte zuvor bei der TSG Hoffenheim, dass sie zu den besten Flügelspielerinnen der Liga gehört. Jill Baijings (22) spielte in der vergangenen Saison für Bayer Leverkusen und schaffte es dennoch bei vielen Expertinnen und Experten in die Topelf des Jahres. Sie wird das zentrale Mittelfeld der Münchnerinnen weiter verbreitern. Ebenso wie Samantha Kerr (24), die aus Glasgow kam.

Neben Naschenweng und Eriksson wurde mit Ines Belloumou eine weitere Spielerin für die Defensive geholt. Dort hatten die Bayern in der abgelaufenen Saison die größten Probleme. Ausfälle konnten kaum kompensiert werden, weil Alexander Straus die Optionen fehlten. Nun aber ist nahezu jeder Position nicht nur doppelt, sondern auch qualitativ in etwa gleichwertig besetzt. Ein echtes Luxusproblem für das Trainerteam.

FC Bayern München: Das Jahr der Wahrheit

Eine Art Luxus ist es zudem für Straus, dass er bereits ein Jahr mit den meisten Spielerinnen arbeiten konnte. Echte Schlüsselspielerinnen haben die Bayern nicht abgegeben. In der abgelaufenen Spielzeit erklärte der Norweger mehrfach, dass sich das Team in einem Prozess befinde. Der Meistertitel war die Kirsche auf der Torte, wichtiger war ihm jedoch die klare Leistungssteigerung in der Rückrunde.

Abläufe im auf Ballbesitz ausgelegten System funktionierten immer besser und trotz einiger Ausfälle stand die Defensive meist sicher. Lediglich Konstanz war in einigen Saisonphasen noch ein Problem. Eines, das klar in der Kaderstruktur identifiziert wurde und intern nun als behoben angesehen wird.

Dementsprechend ist die Erwartungshaltung nochmal gestiegen. Die Voraussetzungen für eine noch erfolgreichere Saison sind gegeben. In München ist man hochzufrieden mit der Arbeit des Trainers, der bei Spielerinnen, Fans und Vorgesetzten mit seiner klaren und analytischen Art neben dem Platz ebenso Eindruck hinterlassen konnte wie mit seiner dominanten Vorstellung von Fußball.

Bayern hat unter dem Norweger ein neues Selbstverständnis entwickelt. Eines, das dem Anspruchsdenken des Gesamtvereins entspricht. Anders als beim Meistertitel 2021 sind es diesmal also eher weniger Töne der Zurückhaltung, die aus München kommen. Viel mehr herrscht großes Selbstvertrauen, dass die Meisterschaft verteidigt werden kann.

Bundesliga: Wer gewinnt den Titel?

Insofern liegt das Momentum vor dem Saisonstart vielleicht ein Stück weit bei den Münchnerinnen. Wieder mal wird es im Titelkampf auf Nuancen ankommen. Die Vorbereitung lief auch wegen der Weltmeisterschaft im Sommer für beide nicht optimal, wenngleich die ersten Pflichtaufgaben im Pokal mehr oder weniger souverän gelöst wurden.

Für den FC Bayern geht es am Freitag direkt mit einem schweren Auswärtsspiel in Freiburg los, Wolfsburg hat zu Beginn Leverkusen (Heimspiel) und Frankfurt (Auswärts) auf dem Programm.

Vielleicht ist das bei aller berechtigten Kritik daran, wie groß der Abstand zwischen den beiden und dem Rest der Liga ist, der größte Unterschied zur Vergangenheit: Der Meisterschaftskampf wird dank der gestiegenen Belastung und einer guten Qualität im oberen Drittel der Liga nicht mehr ausschließlich im direkten Duell entschieden. Und nicht wenige hoffen sogar darauf, dass auch Eintracht Frankfurt so lange wie möglich ein Wort mitreden kann.

Wahrscheinlicher ist dennoch der Zweikampf der Riesen. Am 5. November treffen sich Bayern und Wolfsburg in München zum ersten Kräftemessen. Bis dahin kann schon einiges passiert sein. Titelverteidigung oder eine abermalige Ansage des einstigen Serienmeisters? Es dürfte auch in dieser Saison wieder bis zum Schluss spannend bleiben.

Verwendete Quellen:

  • Popp im Interview mit dem kicker: "Einige Menschen haben keine Hemmungen mehr"
  • Rech im Interview mit dem kicker: "Es wird fast keine Delle in der Liga geben"
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