Er war der Fixpunkt der Guardiola-Ära beim FC Bayern. Nun steht er nach übereinstimmenden Medienberichten vor dem Abgang. Bayerns Superstar Thiago ziert sich, seinen bis 2021 laufenden Vertrag in München zu verlängern. Die Münchner würden jedoch nicht nur einen Leistungsträger verlieren, sondern vier Jahre nach dem Abgang von Guardiola auch ein Stück fußballerische Identität.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Noch ist nicht aller Tage Abend. Noch trägt Thiago das Trikot des FC Bayern. Doch Gerüchte begleiten den 29-Jährigen seit Wochen.

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Gesichert scheint, dass der Katalane ein Angebot seines Arbeitgebers vorliegen hat, um seinen Vertrag über 2021 hinaus zu verlängern. Unterschrieben hat er bisher nicht. Das meldete zuletzt die "Sport Bild" am vergangenen Mittwoch. Widersprochen hat dieser Darstellung bisher niemand. Weder Thiago noch der FC Bayern.

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Warum Thiago zögert, ist Teil von Spekulationen. Fehlt ihm die Wertschätzung im Verein? Will er mit seiner Familie zurück in seine Heimat oder reizt ihn im anstehenden Herbst seiner Karriere noch eine neue Herausforderung - zum Beispiel in England?

Das ist unklar. Klar ist jedoch: Die starke Saisonschlussphase ohne den zwischenzeitlich verletzten Thiago hat vielen Beobachtern verdeutlicht, dass es unter Flick möglicherweise auch ohne den langjährigen Fixpunkt in Bayerns Kreativspiel geht.

Thiago war Guardiolas Wunschspieler

"Thiago oder nix." Dieser legendäre Satz von Pep Guardiola begleitet Thiago nun seit sieben Jahren. Guardiola machte damit kurz nach seinem Amtsantritt im Süden Deutschlands unmissverständlich deutlich, dass er seinen ehemaligen Schützling aus Barcelona nach München holen will.

Thiago hatte etwas in seinem Spiel, das den Bayern, die damals noch von Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos geprägt wurden, ansonsten fehlte. Enorme Ballsicherheit in engen Räumen, blindes Verständnis für den Fußball Guardiolas und eine ordentliche Portion Wuseligkeit, die für Guardiolas Spielidee im Mittelfeldzentrum unabdingbar ist.

In den vergangenen sieben Jahren hat sich Thiago trotz zahlreicher Verletzungsprobleme enorm weiterentwickelt. Vor allem sein Spiel gegen den Ball mit unzähligen Balleroberungen, exzellentem Timing im Pressing und gewachsenen strategischen Fähigkeiten machten Thiago auch nach dem Abschied seines großen Förderers zum Fixpunkt.

Spanier als spielerische Stütze in schwächeren Saisons

In spielerisch eher grauen und enttäuschenden Saisons unter Ancelotti oder Kovac trug er die Hauptlast für Bayerns Kreativspiel. Alle schauten gerade in dieser Zeit auf ihn. Und Thiago erfüllte die Erwartungen bis auf wenige Ausnahmen. Dass ihm von manchem vorgeworfen wird in wichtigen Spielen abzutauchen, ist wohlfeil.

Es ist das alte Spiel mancher Kommentatoren sich für Niederlagen (wie gegen Real Madrid oder den FC Liverpool) einen der Leistungsträger als Sündenbock herauszusuchen. Bastian Schweinsteiger oder vor ihm Michael Ballack machten die gleiche Entwicklung durch. Viel Substanz hatte das nicht.

Passt Goretzka besser zu Kimmich?

Thiago ist kein Spieler, der ein Champions League-Halbfinale mit drei Toren im Alleingang entscheidet. Wer das erwartet, hat den Spieler nicht verstanden. Thiago gibt Struktur, er dominiert durch Ball- und Passsicherheit und ist trotz gestiegener Torbeteiligungen in den vergangenen Jahren eher ein Spieler für den vorletzten Pass.

Was ihm fehlt ist Endschnelligkeit und die Fähigkeit in der Defensive - jenseits des starken Pressings - raumgreifend zu verteidigen. Deshalb hat eine Diskussion über eine fehlende Harmonie mit Joshua Kimmich im zentralen Mittelfeld durchaus eine Berechtigung.

Kimmich läuft viel. Allerdings nicht immer in die richtigen Räume. Ein ebenfalls laufstarker Spieler wie Leon Goretzka, der dazu durch seine Physis auch schnell umschaltende Gegner im Zentrum ablaufen oder zur Not abdrängen kann, passt zu ihm in der Tat vielleicht einen Tick besser.

Hinzu kommt, dass das Münchner Spiel unter Flick direkter geworden ist. Es ist heute undenkbar, dass der FC Bayern wie zur Hochzeit unter Guardiola mit 80 Prozent und mehr Ballbesitz agiert. Das kleinräumige Passfeuerwerk, das den FC Bayern unter dem heutigen ManCity-Trainer auszeichnete, ist aus dem Münchner Spiel weitgehend verschwunden.

Auch deshalb scheinen die Münchner Verantwortlichen sehr gelassen mit der Situation umzugehen. Es gibt Alternativen. "Thiago oder nichts" ist definitiv vorbei.

Thiago kann immer noch wichtig bleiben

Ist der 29-Jährige deshalb überflüssig geworden? Natürlich nicht. Thiago ist technisch wohl noch immer der beste Fußballer im Kader. Gerade auf europäischer Ebene wird es in Zukunft darauf ankommen, in sehr engen Räumen kreative und effektive Lösungen mit dem Ball zu finden. Thiago ist dafür ideal. Es ist Flicks Aufgabe das zentrale Mittelfeld so auszutarieren, dass sich Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Spielertypen für die Zentrale gut ergänzen.

Der FC Bayern sollte deshalb weiter darauf setzen mit Thiago zu verlängern und ihm aufzeigen wie wichtig er für den Club weiterhin sein kann. Sollte Thiago tatsächlich aus eigenem Wunsch gehen, kann der FC Bayern sich immer noch neu orientieren und mögliche Transfereinnahmen im Sommer für die eigene Kaderplanung nutzen. Leichtfertig abgeben sollte man einen Spieler wie Thiago jedenfalls nicht.

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